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Kochen und Kamasutra. Fünf neue Sach- und Mitmachbücher
Fragebuch (Kein&Aber) Ein interaktives Mitglied der Gesellschaft zu sein, das hat einem das Internet mit seinen vielen Fragebögen schon beigebracht. Dass man aber auch in Bücher etwas reinschreiben muss, haben wir seit der Grundschule allerdings etwas verlernt. Dieses griffige Büchlein im Reisepaßformat will aber genau das: schriftliche Antworten auf persönliche Lebensfragen. Irgendwie haben die Schweizer eine Tendenz zu solchen Sachen. Max Frischs Tagebuch-Fragenkatalog beschäftigt noch heute angehende Feingeister, und das großartige Künstlerduo Fischli/Weiss hat mit seinem Fragebuch „Findet mich das Glück?“ den kleinen Alltag um die schönsten Fragen überhaupt bereichert. Nun also wieder Schweizer Fragen, aber weniger poetisch als bei Fischli/Weiss und eher um eine handfeste Bestandsaufnahme bemüht. Von basic-Fragen wie „Wo sind Sie gerade?“(Frage Nummer 36) über „Welchen Aspekt des Geschlechtsverkehrs halten Sie für überschätzt?“ (Frage Nummer 422) und schließlich „Welche Frage stellen Sie sich im Leben immer wieder? (Frage Nummer 565) reicht der Katalog. Will man wirklich alles ausfüllen, müsste man schon im Zug die Schweiz mindestens zweimal durchqueren. Und dann hätte man immer noch eine Frage nicht beantwortet: Wozu das alles? Im Vorwort weiß man das auch nicht so genau, ein Experiment soll es sein, eine Bestandsaufnahme für einen selber oder auch für andere, denen man das Buch ausgefüllt schenkt. Gewissermaßen ein sehr großes Facebook-Profil zum weiterschicken. Nett, vielleicht.
Männerspielzeug (Hoffmann&Campe) Schöne Idee, auch wenn sie sowas von nicht neu ist: Ein Kompendium von Luxusartikeln, die ein Mann in seinem Leben gekauft, bedient oder besessen haben muss. Ein Führer in die Welt der Luxus-Devotionalien und Testosteron-Symbole. Weil man beim Friseur eben doch auch mal die GQ durchblättert. Leider ist dieser Führer von Helge Jepsen aber nur halb gelungen. Sehr hübsch sind die Illustrationen, die er von den begehrenswerten Dingen gemacht hat. Für die dazugehörigen Texte, die ja keinen andere Auftrag hätten, als den männlichen Mythos des Produkts so richtig anzuheizen, hätte man aber noch einen originelleren Geist anheuern dürfen. Sie sind weder detailliert noch lehrreich, in jedem Manufactum-Katalog erfährt man interessantere und unterhaltsamere Produktbeschreibungen – denn witzig sind sie irgendwie auch nicht. Wenn man schon so ein überflüssiges Buch macht, dann muss es erst Recht durch feinen Ernst und gute Recherche glänzen, es darf sich nicht selber ironisch finden. Dazu ist die Auswahl der Männerspielzeuge nicht richtig raffiniert, sondern in vielen Fällen ziemlich plump (Weber Kugelgrill / Zippo Feuerzeug / RayBan Aviator). Über diese Dinge weiß auch ein Normalmann schon mehr, als in den Texten hier zu lesen ist, das Gleiche gilt für die Banalitäten über Hüte und maßgeschneiderte Anzüge. Dabei gibt es wirklich tolle Bücher über das Sujet, die zeigen, wie es richtig geht: Roetzels „Handbuch der klassischen Herrenmode“ etwa. Schade, aber als Geschenk für den Midlife-Crisis-Papa vielleicht immer noch eine Erwägung wert.
Das Marcipane Kochbuch (Gräfe & Unzer) Ein gutes Kochbuch, das ist eine einfache und wahre Regel, erkennt man daran, dass es Hunger macht. Dass man es immer wieder in die Hand nimmt und danach spornstreichs zum Markt eilt. Es soll inspirieren ohne zu demotivieren, seine Gerichte sollen im Bereich des Möglichen liegen ohne langweilig zu sein, es soll einem was vorschmatzen und zum Mitschmatzen einladen. All das erfüllt dieses wunderbare Buch, das gar nicht wie ein Kochbuch aussieht. Das liegt daran, dass es zum Teil von Jan Weiler geschrieben ist, dem landesbekannten Bonvivant und Kolumnisten. Er hat mit seinem Geld etwas sehr Gutes gemacht, nämlich ein Gasthaus auf, am Starnberger See. Eine kleine Wirtschaft mit einem jungen Koch, in der Weiler nichts anderes macht, als Weinflaschen zu öffnen und in die Töpfe zu gucken. Das vorliegende Buch ist also eine Bestandsaufnahme von zwei Jahren dieser Tätigkeit in der Vinotecca Marcipane. Koch Corbinian Kohn stellt die Rezepte vor und Weiler schreibt so ein bisschen Drumherum, was man aber auch gut ausblenden kann, wenn man hungrig ist. Viel wichtiger: Die Gerichte sind allesamt simpel-luxuriös, fordern wenige aber sehr gute Zutaten mit denen auf die liebenswerteste Weise verfahren wird. Gebratenen Kraken mit Ananas, gibt es da etwa, das beste Sommer-vorm-Balkon-Gericht, das man sich denken kann. Außerdem haben die beiden eine große Liebe für Schmorgerichte, was sehr vernünftig ist, denn Geschmortes schmeckt am Besten. So werden Kalbsbacken und Rinderschulter zubereitet, dass es eine authentische Freude ist. Die Rezepte stimmen und verzichten auf jegliche Belehrung und Komplikation. Gerade weil dieses Buch kein neuer Hochglanz-Katalog vom Fernsehkoch nebenan geworden ist, sondern eher wie der Backstagebereich der besten Wirtschaft wirkt, die du kennst, übt es einen großen Reiz aus. Sehr schmackhafte Empfehlung!
CUT – 02/09 Strenggenommen kein Buch, aber ein nicht minder dickes und schweres Magazin ist die zweite Ausgabe von CUT wieder geworden. Wer bei der Vorstellung nicht dabei war: In CUT geht es ums Selbermachen, vornehmlich ums Nähen, Schneidern, Knöpfen und Auftrennen. Klingt stricktussig, ist es aber gar nicht, sondern blättert sich wie eine Vogue – nur mit mehr Inhalt. Tolle Fotografien und ein angenehm undogmatischer Umgang mit der DIY-Thematik zeichnen auch diese Ausgabe aus. Für Nähmaschinenbesitzer ein Quiteschgrund: Die beigelegten Schnittmuster in Originalgröße, mit denen sich diesmal eine hipstertaugliche Wendeweste schneidern lässt. Darüber hinaus gibt es Eigenbau-Taschen, -Kleider und jede Menge gutangezogener Menschen zu sehen, die auch noch alle etwas Kreatives machen. Wohn-Accessoires und der lebensnotwendige Schnickschnack kommen nicht zu kurz und man selber kommt kaum zum lesen, weil man nach jeder Seite aufspringen und den Akkuschrauber bzw. Fingerhut rauswühlen möchte. So macht ebay, äh, Lesen Spaß! Auch ein nettes Blog: cut-magazine.com
Kamasutra (Gräfe & Unzer) Himmel, was man sich da so vorstellt, während man die Packschnüre vom Buck knipselt. Ist er das jetzt also, der langersehnte Durchbruch fürs Sexleben, das neue Universum der Lust, der indische Turbo im Bett? Na, halbgar, vorrangig ist es ein kleines Buch aus der Lebensratgeber-Ecke (die doch ehrlich gesagt, noch nie irgendein Leben verändert hat, oder?). Gezeigt werden darin nur die Stellungen aus dem ohnehin nicht ganz astrein überlieferten Kamasutra, die mit einer durchschnittlichen westeuropäischen Physiognomie auch zu meistern sind. Und das ist, wenn man ehrlich ist, eben genau das, was man schon kennt. Nur die Namen sind viel exotischer, Stichwort schwingende Lotusblüte, etc. Dass es für das legendäre Rein-Raus-Spiel aber doch nur eine endliche Zahl von möglichen Variationen gibt, hatte man zwar irgendwie schon geahnt, wollte es aber nicht wahrhaben. In dieser Hinsicht wirkt das Büchlein immerhin sehr beruhigend, und falls man sich nicht erinnnert, bekommt man 35 Möglichkeiten noch mal auf S/W-Fotos vorgebumst. Sehr ästhetisch, versteht sich. Trotzdem dauert es mindestens, hoffentlich, bitte, noch zwanzig Jahre, bis man sich davon inspirieren lassen muss.