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„Irgendwann töpfer ich der Alten ein ganzes Kaffeeservice"

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Die geplatzte Intrige

Das wäre besser nicht passiert:
Die Kollegin aus der Personalabteilung wieder, die mit den schlecht gemachten Strähnchen. Schreibt eine Rundmail an das ganze Stockwerk:

"Liebe Leute,
es ist mal wieder passiert: meine blaue Lieblingstasse ist nicht mehr im Schrank. Ich möchte den, der sie grade benutzt, bitten, sie wieder zurückzustellen – ich habe sie von meiner kleinen Nichte geschenkt bekommen, die hat die in der Schule getöpfert (hab ich ja beim letzten Mal schon gesagt)!!!
Danke!
Sabine"

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Und du bist eh nicht gut drauf grade und regst dich tierisch auf über dieses kleinkarierte Geseiere. Darum willst du deinen drei Lieblingskollegen, von denen du weißt, dass sie Sabine auch bescheuert finden (und die die Mail natürlich auch bekommen haben), das Ganze weiterleiten und mit einem saftigen Kommentar versehen. Du schreibst: "Irgendwann töpfer ich der Alten ein ganzes Kaffeeservice, damit endlich Ruhe ist!" Leider hast du vorher "Allen antworten" geklickt. Und dann zu schnell auf "senden".

Der Betreff:
"AW: S.O.S. Lieblingstasse wurde entführt!!!"

Spontane Reaktion:
Extremer Schweißausbruch und die schreckliche Erkenntnis, dass ab sofort nicht mehr Sabine das Gespött des Stockwerks sein wird. Und weil natürlich auch der Chef  im Verteiler war, siehst du dich selbst vor deinem inneren Auge, wie du einen Karton durch den Flur trägst, in dem deine Thermoskanne, das Bild deiner eigenen kleinen Nichte (supersüß!) und die traurige, halb vertrocknete Topfpflanze stehen.

Das denken die Empfänger:
"Niemand mag mich." (Sabine)
"Gut, dass es mal einer sa... Moment, wieso schreibt der das an... OH GOTT!" (alle anderen)

Das antworten die Empfänger:
Nichts. Es gilt die ungeschrieben-goldene Totschweigeregel. Nur der Chef schreibt, er müsse mal mit dir sprechen.

Und im echten Leben:
Bekommst du einen Rüffel vom Chef. Ansonsten rutscht dir jedes Mal das Herz in die Hose, wenn du Sabine im Flur begegnest – und noch tiefer, wenn du ihre blaue Tasse im Schrank stehen siehst.

>>>Brüste für die Partycrew<<<


Nachricht aus der Intimzone

Das wäre besser nicht passiert:
Du liegst mit dem Laptop im Bett und testest die Webcam-Funktionen durch. So im Liegen sehen deine Brüste echt vorteilhaft aus. Würde Paul bestimmt auch finden. Du legst noch einen Retrofilter drauf und drückst den Auslöser. Eigentlich bist du kein Fan von solchen Teenie-Aktionen, aber Paul freut sich bestimmt. So eine Fernbeziehung will frisch gehalten werden! Dazu noch ein paar eindeutige Zweideutigkeiten und viele Zwinkersmileys – fertig! Zu spät bemerkst du, dass dein schlaues Mailprogramm P wie Paul lieber mit P wie Partycrew vervollständigt hat – dein Partyverteiler aus der Abizeit.    

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Der Betreff:
"Sweet dreams ;)"    

Spontane Reaktion:
Schockstarre. Du wirst den Rest des Abends über immer wieder knallrot und schaltest Handy und Laptop aus. Dann rufst du doch Paul an, um ihn vorzuwarnen, den Partyverteiler wie immer zu ignorieren und die nächsten zwanzig Abitreffen besser zu überspringen. Vielleicht ist die Hälfte der Empfänger bis dahin tot oder senil. Um irgendwas zu tun, klebst du die Webcam mit einem Kinderpflaster ab.    

Das denken die Empfänger:
"Was zur Hölle?" (Paul)
"Nice." (Karl)
"Ich brauch echt mal nen besseren Spamfilter. Ach krass... das ist doch... Oh Shit." (der Rest der Partycrew)    

Das antworten die Empfänger:
Ein Bild von Karls Schwabbelwampe inklusive Schamhaaransatz.
"... hoffentlich haben die anderen mittlerweile keine Hotmail-Adressen mehr." (Paul)
"Heyyy, Tina! das sollte nicht an uns gehen, oder?! :-o" (Fine, die blöde Frutte, die immer auf Paul stand)
Der Rest der Partycrew schweigt betreten und schiebt die Mail unauffällig in den "Spam"-Ordner.    

Und im echten Leben:
Bist du sehr vorsichtig geworden, was Fotos angeht. Im Freundeskreis hat sich trotzdem der Ausdruck "I did a Tina" als Beschreibung für besonders peinliche Aktionen durchgesetzt. Karl hat dir noch einige Fotostrecken hinterhergeschickt, bis du ihn in den Spam-Ordner verbannt hast.

>>>Whisk(e)y Cola für die Dozentin<<<


Die ungewollte Einladung

Das wäre besser nicht passiert:
Das Problem geht damit los, dass deine – eher junge aber auch nicht mehr ganz junge – Dozentin, nennen wir sie mal Tanja, mit Vornamen genauso heißt wie deine gute Bekannte. Eigentlich reicht es aber viel tiefer: Warum, zum Teufel, kennt die Autovervollständigung deines Mailprogramms eigentlich ihre Adresse?! Und warum, und hier wird es ja nun tatsächlich verdächtigt, bietet dir das verfluchte Programm ihren Namen vor dem der Bekannten an, als du den engen Kreis zu deiner Geburtstagsparty einlädst. 14 Namen stehen da also in der Empfängerliste: Die acht besten Freunde. Die fünf besten Bekannten minus Tanja Y. Und die Dozentin Tanja X., mit der du noch nicht mal Mittagessen warst. Warum auch? Himmel, gäbe das ein Gerede ...

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Der Betreff:
"Whisk(e)y, Cola, Du und Ich feiern meinen 30."

Spontane Reaktion:
Vielleicht doch noch zu BWL wechseln? Ist blöd im achten Semester, klar. Andererseits: Damit kann man später ins Controlling.

Das denkt die Empfängerin:
Ist das der, der immer links hinten sitzt? Verwirrend! Andererseits zeigt es ja mal wieder: Man ist so alt, wie man sich fühlt.

Das antwortet die Empfängerin:
"Lieber Vorname Nachname,

für mich lieber nur eine Cola ;-)"



Und im echten Leben:
Kommt sie tatsächlich. Himmel, gibt das ein Gerede ...

>>>Wuttunnel für den Slacker<<<


Die Affektmail

Das wäre besser nicht passiert:
Du bist jetzt echt mal sauer auf den Typen, mit dem du das Referat halten musst. Dauernd verschiebt er die Termine, weil ihm irgendwas dazwischenkommt, und dann auch noch in so einem beiläufig-kumpelhaften Ton ("Hey, muss leider zur Bandprobe. Morgen?"). Und gelesen hat er auch noch nix, während du schon einen riesigen Stapel Kopien auf dem Tisch liegen und zur Hälfte durchgearbeitet hast. Dann kommt diese Mail:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



"Heeey, wir haben nen riesen Gig an Land gezogen und es sieht grad so aus, als könnten wir bald echt bald was wuppen mit der Band, darum hab ich mich entschieden, mich dieses Semester mal voll auf die Musik zu konzentrieren. Tut mir voll leid für dich jetzt, aber das kriegste auch alleine hin, du wirkst immer so schlau, find ich! Ciao!"

Und da platz dir der Kragen! "Verdammter Mistkerl" – willst du schreiben. Machst es auch fast. Du bist in einem Wuttunnel, in dem du dir den ganzen Stress und die ganze Rage aus dem Körper tippst, Formulierungen wie "beschissene Charaktereigenschaft" und "auf solche Leute kann ich echt verzichten" verwendest und mit einem spitzen "Viel Spaß bei deiner Karriere" endest. Als du "senden" klickst, wird dir auf einmal heiß. Hast du wirklich grade "Viel Spaß bei deiner Karriere" geschrieben? Und wer war noch mal ein sprichwörtlich schlechter Ratgeber – eventuell Wut?

Der Betreff:
"AW: Sorry du"

Spontane Reaktion:
Direkt eine Folgemail anfangen, in der du dir bescheuerte Ausreden ausdenkst ("Auweh, hab ich verwechselst, dachte, du wärst mein Freund, der mir am Wochenende beim Umzug helfen sollte – vielleicht kennt ihr euch, der ist auch in ner Band?!"), sie alle wieder löschst und stattdessen umständliche Entschuldigungen tippst, die dein Seelenleben offenlegen ("Tut mir voll leid, ich war so im Stress und grade ist eh alles so schwierig bei mir, ich hatte echt zwei krasse Wochen mit privaten Problemen und Schlafstörungen und so und als du dann jetzt etc. pp.") – und die du dann auch wieder löschst und erstmal einen Kaffee trinkst. Eine Affektmail am Tag reicht.

Das denkt der Empfänger:
"Boah, ist die verspannt."

Das antwortet der Empfänger:
"Sorry, kann’s jetzt halt auch nicht mehr ändern..."

Und im echten Leben:
Machst du alleine dein Referat (geht ganz gut) und googelst den Typen. Ist ziemlich gut, diese Band.

>>>Strg C, Strg V für Lisa<<<



Der Copy-Paste-Fail

Das wäre besser nicht passiert:
Jemandem sagen zu müssen, dass sie oder er beim WG-Casting durchgefallen ist und noch länger nach einer neuen Bleibe suchen muss, ist nicht angenehm. Das Ganze zwanzig Bewerbern mitteilen zu müssen, ist zusätzlich nervig. Denn einerseits sollen Absagen (und Einladungen und berufliche Anschreiben und eigentlich jede Art von Nachricht) superindividuell und nicht nach Massenware aussehen. Weil man aber eine Absage (Einladung oder Anfrage) nun mal nicht auf zwanzig verschiedene Arten formulieren kann und will und überhaupt, drückt man am Ende doch Strg C, Strg V. Und die Mail an lisamaus94 beginnt mit:

"Lieber Stefan"

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Der Betreff:
"WG: GROSSES Sorry"

Spontane Reaktion:
Ahhhhh Mist! Obwohl ... Eigentlich seh’ ich die ja nie wieder.

Das denkt der Empfänger:
Im schlimmsten Fall: "Vielleicht hat sie mich verwechselt und ich krieg die Wohnung doch?" Wahrscheinlicher aber so was wie: "Ist eine persönliche Nachricht etwa zu viel verlangt!?"

Das antwortet der Empfänger:
Im schlimmsten Fall: "Hey, ich bin gar nicht der Stefan, heißt das, ich bekomme das Zimmer?"

Dann musst du nämlich antworten: "Tut mir leid, ich habe nur den Namen in der Anrede verwechselt, das Zimmer ist leider schon vergeben."

Und bekommst als Rückmeldung: "Wie auch immer du heißt, schon mal was von Anstand gehört? Wenn man schon eine Absage verschickt, sollte man sich wenigstens die Mühe machen, denjenigen persönlich anzuschreiben. Komm’ mal klar!"

Und im echten Leben:
... begegnet ihr euch natürlich doch noch mal. An der Uni zum Beispiel. Wo ihr dann dezent aneinander vorbeischaut und euch bis auf weiteres ignoriert.

Text: jetzt-redaktion - Illustration: daniela-rudolf

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