Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Ins Mädchenzimmer! Sieben typische Klassenfahrt-Situationen

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Klassische Situation 1: Drangsalieren von Einzelpersonen

Hier haben wir alle wichtigen Beteiligten mustergültig aufgestellt: Die Tür, die voll Vorfreude geöffnet wird, den Mob, der durch sie hineindrängt, darunter die vielen gesichtslosen Mitläufer, die ohne die gestörten Anführer nichts mit sich anzufangen wüssten. Und dann natürlich: Das Opfer, das bereits ganz ernsthaft schläft, obwohl augenscheinlich die ganze Jugendherberge auf den Beinen ist und das die Schikane ohne große Widerworte in geduckter Haltung erträgt. Bemerkenswert ist höchstens die Lustlosigkeit mit der hier drangsaliert wird und die in keinem rechten Verhältnis zur knisternden Spannung der Masse steht.


Klassisch Situation 2: Gruppendynamik

Das spontane Anstimmen von Liedern steht auf der Liste der gemeinschaftsfördernden Handlungen immer noch ganz oben - der Kultfaktor erhöht sich dabei diametral zur Unmusikalität der Protagonisten. Auch andere Dinge, die einem alleine peinlich wären, katalysiert die Klassengemeinschaft in ein großes Erlebnis - das konzertierte Versagen am Wasserski-Lift beispielsweise. Interessant wäre hierbei ein Experiment mit der Fragestellung: Sind die Punkte, die ein Klassendepp durch überraschendes Beherrschen einer (coolen) Fähigkeit wie "Wasserski", im Klassenansehen einfahren würde, genau so viele, wie sie der Klassenheld durch einen saftigen Bauchplatscher einbüsste? Vermutlich nicht. Denn nichts ist ungerechter als eine Schulklasse.


Klassische Situation 3: Von der unterträglichen Langeweile des Jung-Seins

Sich mutwillig in fade Situationen zu begeben und diese im Rückblick dann stark zu überzeichnen, ist einer der wichtigsten Sachen, die man auf der Schule lernen kann. Die müde Bootsfahrt dieser vier Grazien vor einem, mutmaßlich, Adria-Strand, zeichnet sich eigentlich durch das Nicht-Passieren von Vorfällen aus. Nicht mal die Kamerafrau versucht ihre Arbeit aufzuwerten, etwa mit der Bitte um Grimassen. Trotzdem wird in drei Wochen, in der trüben Rauchercke der Gesamtschule darüber getrillert werden, wie man beinahe die anderen voll gerammt hätte, wie geil assi-verschmutzt das Wasser war und wie lässig das Ganze überhaupt. Interessant auch: Jeder mitfahrende Junge hätte wohl sein linkes Sprungeglenk dafür gegeben, auf diesem Mädchen-Boot als Mäuschen dabei zu sein - in Erwartung der himmlischsten Girl-Geheimnisse und Offenbarungen. Dank YouTube weiß man jetzt: Lohnt nicht. Man hätte dann höchstens wahnsinnig lachen müssen, angesichts dieses Dialogs auf -1:33: Mädchen 1: "Oh mein Gott, da guckt echt mein ob-Ding raus." Mädchen 2+3+4: "Escht?"


Klassische Situation 4: Der kleine Zimmerspaß

Bei Jungs immer wahnsinnig lustig: den Zimmernachbar vor dem Einschlafen noch was draufwerfen oder die Decke wegziehen. Seltsamerweise wird das auch nach Stunden nicht unkomischer - sofern man sich an einfache Regeln hält: Es muss, zusätzlich zum Störmichel, einen geben, der immer genervt ist, sich total aufregt und ruft: "Ey, du Vollhonk, geh jetzt endlich auf deine Seite! Ich sag's dem Herrn Maiwald!" Dann braucht es nur noch einen dritten Jungen, der, quasi als Publikum, unablässig vor sich hin kichert und am nächsten Morgen als Herold am Frühstückstisch dafür sorgt, dass die anderen auch erfahren, wie endskrass der Manuel gestern noch abgegeangen ist. Der "Kleine Zimmerspaß" ist für all jene eine willkommene Alternative, die sich nicht ins Mädchenzimmer trauen.


Klassische Situation 5: Der unvermeidliche Alkoholgenuß

Dieses Video ist interessant. Dass darin ein langhaariger Chaot volltrunken durch die Zimmer stolpert - geschenkt, das gab es immer. Beängstigend und neu dagegen, die fünf bis acht feisten Kameraden, die sich mit laufenden Video-Handys vor das torkelnde Faktotum drängen, um die besten Bilder zu erhaschen. Neugierige Physikstreber die schadenfreudig auf jene zeigten, die sich dem Rausch hingaben, existierten immer. Aber nie hätten sie sich früher so vorwitzig in Szene gesetzt, wie diese angehenden Bürgerjournalisten. Da hätte es Maulschellen gegeben...


Klassische Situation 6: Besuch im Mädchenzimmer. Variante: Uncool

Hier erleben wir den Versuch eines Benachteiligten, noch auf seine Klassenfahrt-Kosten zu kommen. Der Vorwand des Filmens, soll dabei alles kaschieren, was er sonst nie wagen würde (und gestattet bekäme): Das Eindringen in das Mädchenzimmer, den Smalltalk mit den imposant uninteressierten Mädchen, die kläglichen Versuche, witzig zu wirken. Es handelt sich bei dem Kerl mit Sicherheit um den, der bei der Klassenparty auch unbedingt seine selbstgebrannten CD’s auflegen möchte und eine Nebelmaschine organisiert hat – die keiner wollte. Und dabei versagt er hier noch nicht mal in „dem“ Mädchenzimmer, sondern allenfalls in der Herberge der zweiten Mannschaft. Der Kameraschwenker schafft es in vier Minuten nicht, bleibenden Eindruck zu hinterlassen, fällt allen wahnsinnig auf die Nerven und rechtfertigt das Fiasko mit den wenig couragierten Worten: „Ich hab’ vom Strunk noch 500 MB gekriegt, die müssen irgendwie voll werden!“ Mensch, Typ, so einen Satz nehmen Mädchen doch nicht mal akustisch wahr!


Klassische Situation 7: Besuch im Mädchenzimmer. Variante: Cool

So wie es eben gemacht wird: Am Boden sitzen, darauf achten, dass die Frisur passt, die Mädchen Mädchen sein lassen und dabei bewundern, Bier trinken. Wenn sie vor einem die Zähne putzen, heißt das ja immerhin schon, dass man nicht ultimativ stört. Und natürlich: Kamera aus, sobald eine Dame auch nur ansatzweise meckert!

  • teilen
  • schließen