- • Startseite
- • Redaktionsblog
-
•
Ingeborg Bachmann
Ingeborg Bachmann wird am 25. Juni 1926 in Klagenfurt geboren. Ihr Vater Matthias ist Schuldirektor, ihrer Mutter Olga wurde die Möglichkeit zum Studium verwehrt – eine jugendliche Erfahrung, die sich in ihrem als „feministisch“ bezeichneten Spätwerk niederschlägt. Unter den schwierigen Verhältnissen des Zweiten Weltkriegs erlebt sie eine chaotische Schulzeit. „Die Geschichte lehrt dauernd“, so Bachmann später, „aber sie findet keine Schüler.“ Sie selbst zieht jedoch Konsequenzen aus den Verwirrungen des Zweiten Weltkriegs: Den ängstlichen und aggressiven Nationalismen stellt sie einen unbedingten Willen zur Weltoffenheit entgegen. Aufgewachsen in einem engen Tal an der Grenze zwischen Kärnten und Slowenien, entscheidet sie sich mit 27 Jahren zur Umsiedlung nach Rom, Neapel und Ischia, wo sie mit dem Komponisten Hans Werner Henze zusammenarbeitet. „Ich glaube“, schreibt Bachmann in jungen Jahren, „dass die Enge dieses Tals und das Bewusstsein der Grenze mir das Fernweh eingetragen haben.“
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Zudem arbeitet sie während der Besatzungszeit im Sekretariat der US-Amerikaner und zieht ihre Lehren aus der Nazi-Propaganda: Man sollte sich nicht von den Medien lenken lassen, sondern die Medien selber nutzen. Sie wird Hörfunkredakteurin beim Wiener Radiosender „Rot-Weiß-Rot“ und schreibt zahlreiche Hörspiele, deren bekannteste sind „Die Zikaden“ (1955) und „Der gute Gott von Manhattan“ (1958). Für den „guten Gott“ erhält sie den renommierten „Hörspielpreis der Kriegsblinden“, ihre Dankrede trägt den programmatischen Titel: „Die Wahrheit ist den Menschen zumutbar.“ Aber: Was ist die Wahrheit? Bachmann, die 1950 mit einer Arbeit über den konservativen und sprachmystischen Heidegger promovierte, interessiert sich für Wittgensteins Sprachphilosophie („Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt“) – die Wahrheit ist folglich in der richtigen Nutzung der Sprache zu finden. Das richtige Wort, das gute Gedicht, könne für eine bessere Welt sorgen, so die frühe Bachmann schwärmerisch: „Hätten wir das Wort, hätten wir die Sprache, wir bräuchten die Waffen nicht.“ Vor allem in ihrer Lyrik bemüht sie sich um die Entwicklung einer besseren Sprache, verbindet in ihren Texten den traditionellen Ton und altbekannte Bilder mit einer modernen Schreibweise. In ihrem zentralen Gedicht „Erklär mir, Liebe“ heißt es zum Beispiel: „Der Käfer riecht die Herrlichste von weit; / hätt ich nur seinen Sinn, ich fühlte auch, / daß Flügel unter ihrem Panzer schimmern, / und nähm den Weg zum fernen Erdbeerstrauch.“ So etwas kennt man. Das Gedicht endet allerdings mit einem modernen Bild, das später noch eine Bedeutung auch für Bachmanns Leben entwickeln würde: „Erklär mir nichts. Ich seh den Salamander / durch jedes Feuer gehen. / Kein Schauer jagt ihn, und es schmerzt ihn nichts.“ Die Liebe schmerzt Anders als den Salamander schmerzt Bachmann die Liebe. Von 1958 bis 1963 ist sie liiert mit dem fünfzehn Jahre älteren Schweizer Max Frisch („Stiller“, „Homo Faber“, „Andorra“), dessen Produktivität sie ihm neidet, während er wiederum äußerst eifersüchtig auf die Verehrer seiner jungen und attraktiven Freundin ist. Die beiden werden vom Feuilleton zum „Traumpaar des deutschen Literaturbetriebs“ ausgerufen – die Realität allerdings sieht anders aus, wie Frisch in seinen späteren Aufzeichnungen „Montauk“ (1975) beschreibt: „Ich bin ein Narr und weiß es. Ihre Freiheit gehört zu ihrem Glanz. Die Eifersucht ist der Preis von meiner Seite; ich bezahle ihn voll. Auf der sommernächtlichen Terrasse mit Blick über Rom schlafe ich mit dem Gesicht in der eignen Kotze. Ich leide zur Vermehrung meines zärtlichen Verlangens.“ Eine komplizierte Beziehung endet kompliziert: Ingeborg Bachmann findet Frischs Tagebuch in einer verschlossenen Schublade, „sie hat es gelesen und verbrannt. Das Ende haben wir nicht gut bestanden, beide nicht.“ Das Motiv des (Ver)Brennens zieht sich durch Bachmanns Leben – in den 1960er-Jahren brennt sie noch vor Leidenschaft, wird die Geliebte des Judaisten Georg Taubes, der die Wechselhaftigkeit der gemeinsamen Zeit ähnlich wie Frisch beschreibt:„I was in a liaison with the most powerful German poetress of our generation and we went down to hells and up to heavens in Berlin, in Klagenfurt, in Prag and three months in Rome.“ Sie ist eine bewegliche und emanzipierte Frau, an deren Freiheitswillen die Männer verzweifeln. Ihre Hörspiele und Libretti machen sie zur „ersten Medienautorin“ (Ulrike Draesner) nach dem Zweiten Weltkrieg; sie ist ein fester Bestandteil der „Gruppe 47“ und engagiert sich im SPD-„Wahlkontor der Schriftsteller“; erhält 1964 den „Georg-Büchner-Preis“ und 1968 den „Großen Österreichischen Staatspreis“. Ingeborg Bachmann vertritt in den 1960er-Jahren äußerst erfolgreich den Typus der engagierten und feministischen Intellektuellen. Es war Mord Ab 1963 arbeitet sie am Projekt „Todesarten“, das sich schließlich zur Trilogie auswächst. Als erster Teil wird der Roman „Malina“ (1971) veröffentlicht, der 1990 mit Isabelle Huppert verfilmt wird, das Drehbuch schreibt Elfriede Jelinek. In „Malina“ erzählt eine weibliche Ich-Erzählerin, die zwischen den Männern Ivan und Malina steht, vom Scheitern ihrer Bemühungen, innerhalb der Ordnungsmuster einer von Männern beherrschten Welt eine eigene Identität zu entwickeln. Am Ende heißt es: „Ich muß aufpassen, daß ich mit dem Gesicht nicht auf die Herdplatte falle, mich selber verstümmle, verbrenne, denn Malina müßte sonst die Polizei und die Rettung anrufen, er müßte die Fahrlässigkeit eingestehen, ihm sei da eine Frau halb verbrannt. Ich richte mich auf, glühend im Gesicht von der rotglühenden Platte, auf der ich nachts so oft Fetzen von Papier angezündet habe, nicht etwa um etwas Geschriebenes zu verbrennen, sondern um Feuer zu bekommen für eine letzte und allerletzte Zigarette.“ Der letzte Satz des Buches, den seine Ich-Erzählerin nicht überlebt, lautet: „Es war Mord.“ In der Nacht vom 25. auf den 26. September 1973 schläft Ingeborg Bachmann in Rom beim Rauchen im Bett ein. An den Folgen ihrer Brandverletzungen stirbt sie am 17. Oktober 1973 im Krankenhaus – Bachmann war seit einiger Zeit von Schlafmitteln abhängig, die sie oft in Verbindung mit Alkohol nahm. Die Entzugserscheinungen und Schocks während des Krankenhausaufenthaltes führen zu ihrem Tod, sie wird in Klagenfurt begraben. Eine andere Bedeutung erhält nun der Satz: „Mit meiner verbrannten Hand schreibe ich von der Natur des Feuers.“ Ingeborg Bachmann wurde 47 Jahre alt. Bild: ddp