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Industrie und Klimaschutz: Greenwashing und leerer Aktionismus
Im Dezember letzten Jahres wurde es richtig heiß in Deutschland. Schuld war der Klimawandel – oder zumindest die Diskussionen über ihn. Die Bali-Konferenz war der Höhepunkt der großen Klimaschutz-Debatte, die überall präsent war – Klimawandel war wie Fußball, Managergehälter und das Wetter: Jeder konnte irgendwie mitreden und hielt sich für halbwegs informiert. „Einmal gepinkelt, schon Urologe“, formulierte es ein deutscher Zeitungs-Korrespondent im Rückblick auf die Bali-Konferenz. Trotzdem hatten die Popularisierung und der Hype um den drohenden Klimawandel eine äußerst sinnvolle Funktion – Die Öffentlichkeit war für die Klima-Problematik sensibilisiert und die Konzerne zu einer Reaktion gezwungen.
Leider beschränkt sich die Initiative der Konzerne in den meisten Fällen auf Worthülsen-Rhetorik, geschönte Statistiken und bunte Bilder, wie die aktuellen Kampagnen zeigen. Aus dem kommunikativen Desaster im Rahmen der Bali-Konferenz scheinen die Konzerne also nicht viel gelernt zu haben. Schon Ende letzten Jahres waren die PR-Abteilungen der Konzerne überfordert: Ihr Diskurs-Monitoring und „Issue Management“ hatte das Ausmaß der öffentlichen Klimadiskussion im Vorfeld stark unterschätzt, die Eigendynamik der öffentlichen Empörung kam für die Wirtschaft sehr überraschend. Diese Einschätzung teilt auch Toralf Staud, 35, freier Journalist und verantwortlich für das Blog "Klima-Lügendetektor": „Ich habe mit einigen Leuten in großen Unternehmen und den verantwortlichen Agenturen gesprochen, die sind von der Entwicklung des Themas tatsächlich überrumpelt worden. Zwar haben die Konzerne um das prinzipielle Problem gewusst, aber doch gehofft, sie könnten das Thema aus dem öffentlichen Diskurs irgendwie herausdrücken.“ Doch in der Klima-Debatte war plötzlich das Firmen-Image in akuter Gefahr – und damit auch politischer Einfluss und finanzieller Gewinn. Ein Handeln seitens der Firmen wurde damit unumgänglich. Dieses „Handeln“ der Konzerne kann aber nicht als reuiges Einlenken verstanden werden, vielmehr hat sich die Taktik in der Öffentlichkeitsarbeit geändert. „Der Klimawandel wird öffentlich nicht mehr bezweifelt. Stattdessen schieben die Konzerne ihre sehr begrenzten Investitionen bei den Erneuerbaren Energien in den Vordergrund“, so Staud. Mit neuen und teuren Kampagnen versuchen die großen Firmen nun, sich gegen weitere Image-Schäden zu wappnen und die erlittenen Image-Kratzer aufzupolieren. Dafür übt sich die Industrie in blumiger Rhetorik, Aktionismus und dem so genannten „Greenwashing“. Greenwashing ist die Bezeichnung für den Versuch von Unternehmen, ihren Aktivitäten mit gezielten PR- und Werbe-Maßnahmen einen grünen Anstrich zu verleihen. Die Ankündigungen und Maßnahmen stehen dabei aber in keinem Verhältnis zu den verursachten Schäden. Wie klein und vertrocknet dieses PR-Feigenblatt des Klimaschutzes ist, dokumentiert seit Anfang dieses Jahres nun der Klima-Lügendetektor. Das Blog ist ein Projekt des Greenpeace Magazins in Kooperation mit wir-klimaretter.de. Großes Vorbild für die Idee war BILDblog. Ziel der Autoren ist es, die Greenwashing-Aktivitäten von Konzernen aufzuzeigen und ihre Arbeitsweisen zu entlarven: „Als Journalist bekommt man täglich einen Stapel Presseerklärungen mit Lügen und Tatsachen-Verdrehungen auf dem Tisch. Irgendwann geht einem dann der Hut hoch und man beschließt, mal konkret nachzufragen“, erklärt Staud die grundlegende Idee des Blogs. Oft seien die PR-Abteilungen von großen Konzernen völlig überrascht, wenn ein Journalist die Pressemitteilungen des Konzerns wirklich kritisch hinterfrage. Gerade das sei aus journalistischer Sicht natürlich besonders bitter, aber nicht jede Redaktion habe nun mal die Zeit und die nötigen Fachleute, um genauer nachzuhaken. Ein Gezeiten-Kraftwerk wird zerpflückt Ein besonders schönes Beispiel von Greenwashing ist der bekannte Eon-Werbespot zu einem Gezeiten-Kraftwerk, das mit der Meeresströmung Strom erzeugen soll. Der barfüßige Mann mittleren Alters erklärt dort mit charmant-sonorer Synchronsprecherstimme, wie Eon sich innovativ im Bereich der Erneuerbaren Energien einsetzt. Der Spot ist im Nachhinein von der ZEIT auf seinen Wahrheitsgehalt überprüft und gekonnt zerpflückt worden. Geht man allein nach der Selbstdarstellung der Konzerne, dann hat so ziemlich jeder Großkonzern in Deutschland mittlerweile das holde Antlitz einer grünen Waldelfe – Insbesondere Energie- und Automobilkonzerne inszenieren sich als nachhaltige Welt- und Klimaretter. Allerdings wird auch weiterhin an ganz anderen Stellen Lobbying betrieben: „Die Konzerne machen zwar grüne PR und Werbung, sie kämpfen aber weiterhin gegen klimapolitische Beschränkungen. Zugeständnisse kommen nur langsam. Sie haben die Hoffnung nicht aufgegeben, dass sie die politischen Rahmenbedingungen nochmal kippen können“, erklärt Staud.
Image-Plakat des Deutschen Atomforums Große Hoffnung habe insbesondere die Energiewirtschaft auf eine neue, konservative Bundesregierung ab dem Jahr 2009 gesetzt – und damit auf die Rücknahme des Atomausstieges. Die deutsche Atom-Lobby, organisiert im „Deutschen Atomforum“, wurde 2007 mit dem "Worst EU-Greenwash-Award" ausgezeichnet. Die Organisation hatte sich die Internet-Domain "klimaschuetzer.de" gesichert und eine breite Image-Kampagne gestartet. Preisträger im „Worst EU Lobbying“ waren auch die deutschen Autohersteller BMW, Daimler und Porsche.
In einigen Berliner U-Bahn-Stationen wurden die Plakate von Unbekannten aus stummem Protest mit dem dreiäugigen Fisch aus den "Simpsons" beklebt, der in der Serie im Wasser am Atomkraftwerk lebt.
Greenwashing ist auch ein Forschungsgebiet des Kölner Vereins LobbyControl. Im November 2007 hat er eine aufschlussreiche Studie mit Fallbeispielen veröffentlicht, in dem besonders anschauliche Fälle des Greenwashings aufgelistet und dessen PR-Instrumente analysiert werden.
Auch wenn der knuffige Klimabotschafter Knut mittlerweile schmuddelgrau und fast erwachsen geworden ist – das Thema Klimaschutz wird nicht mehr vollständig aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwinden.
„Es wird Höhen und Tiefen in der Berichterstattung geben, aber ich bin sicher, dass wir in den nächsten Jahren noch viel über das Klima diskutieren werden“, urteilt Staud. Darum gehe auch das Greenwashing weiter, nicht noch einmal wollten die Konzerne ein klimatisches Kommunikationsdesaster erleben. „Aber wenn man ihre grüne, leere PR durchkreuzt, kann man die Konzerne vielleicht doch zu einem ehrlichen Engagement in den Erneuerbaren Energien bewegen.“
Text: johannes-graupner - Illustration: christoph-ohanian / Plakat-Motiv: klimaschuetzer.de / Plakat-Foto mit Fisch: Bauke Drees