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Hooters in Berlin: Kindergeburtstag mit Brüsten
Die Straße des 17. Juni, die Sonne scheint noch ein bisschen, aber ein Gewitter ist im Anmarsch, als ich mich zu Recherchezwecken ins neue Berliner Hooters-Restaurant setze. In den ersten zwei Wochen standen hier Besucherschlangen vor der Tür – heute kommt mir eine amerikanische Kleinfamilie aus dem Restaurant entgegen. Cola für die Kids, Salat für Mama und Titten für Dad – ein Konzept, das in den USA funktioniert und jetzt mit einer weiteren Filiale in Berlin auch in Deutschland auf seine Funktionalität getestet wird.
Eine junge Frau in einem engen Top, in orangefarbenen Hotpants, Turnschuhen und braunen Strumpfhosen stellt sich mir freundlichst vor, schreibt ihren Namen samt einem Smiley auf einen Bierdeckel und nimmt meine Bestellung auf. Kurze Zeit später, mein Burger steht bereits auf dem Tisch, sehe ich sie zusammen mit ein paar anderen Bedienungen eine „Choreo“ zu einem Gloria-Estefan-Song tanzen.
Die amerikanische Fast-Food-Kette Hooters ist nach den Metropolen Neunkirchen, Bochum, Düsseldorf nun auch in Berlin angekommen. Mitten drin im geschäftigen Treiben sitzen die beiden Geschäftsführer der Filiale, Andreas Reinecke, 35, und Uwe Günther, 30, und versuchen, mir das Konzept von Hooters näher zu erklären und zu beschreiben. Warum hat das alles nichts mit Sexismus zu tun, sondern einzig und alleine mit „Spaß“. Uwe Günther erklärt: „Das hier ist Erlebnis-Gastronomie. Diese Sexismus-Vorwürfe kommen fast nur in Europa auf. In den Staaten ist Hooters völlig etabliert. Da treffen sich Jung und Alt, da werden vom Kindergeburtstag, über Junggesellenabschiede bis hin zu Familienfeiern alle Feste, die man sich nur vorstellen kann, gefeiert.“
Am Tisch gegenüber sitzen zwei BWL-Studenten mit angeklatschten Haaren, in blauen Hemden mit hochgeschlagenem weißem Hemdkragen. Chicken Wings auf dem Teller und nervöse Blicke, wenn ein Hooters-Girl vorbeizischt. Einen Tisch weiter ein Ersti-Tisch (die TU ist nicht weit), deren Anführer ein Foto mit einem der Girls haben möchte und die Bitte nach einem Wasserglas-Balancier-Wettrennen auch gewährt bekommt.
Das mit dem Kindergeburtstag stimmt schon. Hooters ist wie ein Kindergeburtstag, nur mit Titten, wobei die Brüste der Kellnerinnen nicht expliziter zu sehen sind als in einer sommerlichen Fußgängerzone. Wer will, kann sagen, das sei ein billiger Verkaufstrick, aber verrucht sieht doch anders aus. Dennoch: Das Konzept „Knapp bekleidete Girls servieren Dir einen Burger“ lebt viel vom Kopfkino der Gäste.
Dass dieses Kopfkino nicht auch Auswirkungen in der Realität hat, dafür sorgt die laut Andreas Reinecke weltweit geltende „Policy“. „Wer grabscht, muss gehen. Wer den Mädels in den Ausschnitt fotografiert oder auf die Pos, fliegt raus.“ Und wer nur guckt, bleibt drin und isst. „Überhaupt: Die Kleidung der Bedienungen ist eine reine Cheerleader-Uniform. Die Choreos sind mit Hilfe einer Trainerin aus den USA einstudiert und Cheerleading etabliert sich doch auch gerade in Deutschland. Vor jeder Sportveranstaltung sieht man die mittlerweile.“
Unter einem Straßenschild mit der Aufschrift „Caution Blondes Thinking“ sitzt ein Bodybuilder im rosa Herrenhemd. Ihm gegenüber sitzt seine blonde Freundin und denkt, während Kid Rock sein „Sweet Home Alabama“-Cover durch die Boxen singt. „No Smoking! Our Chicks Are Allergic“ klärt ein anderes Schild auf.
Die Frauen, die hier arbeiten, werden laut Uwe Günther nach Tarif bezahlt, verdienen aber wesentlich besser als Bedienungen in anderen Restaurants, weil die Trinkgelder weit höher ausfallen als anderswo. Beide Geschäftsführer hätten „keine Probleme, hier selbst zu bedienen“, wenn sie denn Frauen wären. „Und wenn wir irgendwann Töchter hätten, die bei Hooters arbeiten möchten, dann wäre das absolut okay für uns. Das sind doch alles nur blöde Gerüchte, dass hier nach Körbchengröße eingestellt wird. Hier muss sich niemand beim Vorstellungsgespräch in eine Hooters-Uniform zwängen und dann vorm Schreibtisch auf und ab hopsen. Das ist völliger Quatsch.“
Hooters als ein eine Art Disney-Version der „Coyote Ugly“-Läden und Ballermann-Partys. Gucken, Gaffen und Glubschen sind in Ordnung, alles, was darüber hinausgeht, wird sanktioniert. Der Burger hat geschmeckt und die Kindergeburtstagsspiele im Hintergrund stören auch nicht weiter.
Gerade betritt eine Fraktion der Mitte-Ironie, ausgestattet mit Riesenhornbrillen, Mittehaarfrisuren und Chucks die Hooters-Filiale und wird freundlich von einem Chor Bedienungen begrüßt. Ist es möglich, diesen Laden einfach nicht so ernst zu sehen, wie man ihn sehen könnte? Kann es sein, dass die Frauen, die hier arbeiten, wirklich Spaß bei der Arbeit haben und sich zusätzlich über die guten Trinkgelder freuen, wie es mir ein paar der Bedienungen auch gerne erzählen? Oder beuten sie sich selbst aus und lassen sich von der Gesellschaft ausbeuten, indem sie während der Arbeitszeit eine Cheerleader-Uniform tragen, die ihre sekundären Geschlechtsmerkmale hervorhebt und betont?
Nach dem Gespräch steht für Uwe Günther und Matthias Reinecke wieder Arbeit an. „Eigentlich ist das hier ein Traumjob, aber gerade jetzt in der Anfangsphase arbeiten wir locker 60 Stunden die Woche.“ Der vordere Teil des Restaurants hat sich mit hübschen Frauen gefüllt, deren Kleidungsstil teilweise gewagter erscheint als jede Cheerleader-Uniform. Um 18 Uhr steht ein Casting an. „Und dabei kommt es vor allem darauf an, dass die Frauen wissen, was die Marke Hooters ausmacht, ob Gastronomie- und Tanz- oder Cheerleading-Erfahrungen vorliegen und die Chemie stimmt“, erklärt Uwe Günther. Wenn dazu dann noch große Brüste kommen, ist das bestimmt kein Nachteil, aber laut Geschäftsführer Reinecke „absolut nicht ausschlaggebend für eine Anstellung bei Hooters.“
Text: florian-lamp - Bild: Autor