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Hochschule to go
Die Anmeldung dauert keine Minute: Mailadresse angeben, Passwort reinhacken und schwups - schon ist man Student. Abiturnote? Höchster Bildungsabschluss? Semesterbeitrag? Interessiert hier niemanden. Denn anders als Präsenzunis ist iversity.org eine Online-Bildungseinrichtung für die Massen. Seit dieser Woche werden auf der Internetplattform Massive Open Online Courses (MOOCs), also breitangelegte Online-Vorlesungen, angeboten. Das Angebot ist gratis, die Anmeldung funktioniert auch über Facebook. Auf der Plattform stellen verschiedene Unis extra erstellte Vorlesungsvideos zur Verfügung, viele sind in appettitliche Zehn-Minuten-Häppchen unterteilt. Dazu gibt es Multiple-Choice-Tests, Diskussionsforen und sämtliche Vorlesungsunterlagen. Manche Profs verlangen sogar Hausaufgaben. Alles wie in einer klassischen Uni also - nur, dass die Studenten parallel whatsappen, Döner essen und Musik hören können, ohne dass sich jemand beschwert. Hauptsache, das Quiz im Anschluss an den MOOC wird richtig beantwort.
Dass das mit den Massen beim MOOC funktioniert, zeigen die ersten Belegungszahlen: 117.000 Nutzer haben sich bis zum Semesterstart am Dienstag auf iversity angemeldet, der Kurs "The Future of Storytelling" der FH Potsam hat alleine über 30.000 Einschreibungen. Zum Vergleich: An der Fernuni Hagen gab es zum Sommersemester 2013 85.000 eingeschriebene Studenten.
Im Gegensatz zu vielen anderen gutgemeinten Initiativen für Bildungshungrige, hat iversity zusätzlichen Anreiz: In manchen Kursen kann auch eine Abschlussprüfung gemacht werden. Der Schein und die dazugehörigen ECTS-Punkte müssen laut Lissabon-Konvention von allen Unis anerkannt werden, wenn diese nicht eindeutig nachweisen können, dass der Kurs nicht mit den eigenen Angeboten gleichwertig ist. So lernt es sich doch gleich viel motivierter.
Hannes Klöpper, einer der beiden Geschäftsführer von iversity, ist selbst erst 29. In der Uni hatte er stets das Gefühl, dass die Hochschulen digitale Strukturen nicht genug nutzen. "Wenn man in der Uni auf e-learning Plattformen wie Ilias war, fühlte man sich immer wie im Museum", sagt Klöpper. Auf iversity seien hingegen gänzlich neue Standards geschaffen worden: "Zu sagen, das sei einfach eine e-learning Plattform - das ist, als vergleicht man einen Porsche mit einem Lada. Denn unsere Inhalte sind multimedial, interaktiv und vor allem können Studenten und Dozenten sich die ganze Zeit Feedback geben", sagt Klöpper. Das Prinzip des MOOCs kannte er aus den USA, wo der deutsche Professor Sebastian Thrun im Jahr 2011 an der Uni Standford für seinen ersten MOOC "Artificial Intelligence" 160.000 Menschen begeistern konnte. Thrun reduzierte daraufhin seine Professorenstelle und gründete die MOOC-Plattform udacity. Mittlerweile belegt angeblich schon jeder dritte Amerikaner Online- statt Präsenzkurse.
So etwas sollte es für Deutschland auch geben. Deshalb schrieb iversity Anfang des Jahres gemeinsam mit dem deutschen Stifterverband einen Wettbewerb aus, bei dem die zehn besten Vorschläge für MOOCs je 25.000 Euro bekamen. Manche der Sieger-Ideen gingen bereits zum Wintersemester online, im nächsten Jahr sollen insgesamt 26 Kurse frei verfügbar sein.
So sieht es aus, wenn man online bei iversity MOOCs belegt.
Negative Reaktionen auf die iversity-Idee gab es bisher selten: "Für die Dozenten ist es ja auch angenehmer, wenn sie nicht zehnmal vor einer Riesengruppe das Gleiche erzählen müssen und eh kaum jemand zuhört. So haben sie mehr Zeit für ihre Forschung. Und die Studenten haben wiederum den Vorteil, auch zehnmal den Film zurückspulen zu können, wenn sie etwas nicht verstanden haben", sagt Klöpper. Die Furcht, dass durch sein Konzept die Präsenzuni abgeschafft wird, versteht er trotzdem nicht: "Die Arbeit im Labor oder auch Seminare können ja nicht einfach ins Netz verlegt werden", sagt der Geschäftsführer. "Aber warum sollte man nicht alles digitalisieren, was man bereits digitalisieren kann?" Einzig die Fernhochschulen sollten beunruhigt sein. Denn dort kostet das Studienmaterial noch 20 Euro pro Semesterwochenstunde. Auf iversity könnte eine Vielzahl dieser Kurse zukünftig auch kostenlos zu finden sein.
Maxi Cieszinsky gehört zu denjenigen, die mit so einem Fernstudium gerade liebäugeln. Im nächsten Jahr will die 31-Jährige sich für einen Master in Kulturmanagement einschreiben, seit ihrem Magister in Geschichte und Politik ist sie allerdings Vollzeit berufstätig. Seit Dienstag nutzt sie nun iversity. Durch die Online-Universität kann sie bei Leerlaufphasen im Büro bereits Kurseinheiten machen und sich diese später für den Master anrechnen lassen. "Das dauert dann vielleicht 30 Minuten pro Einheit, weil anders als an der Uni die Vorlesung ja nicht 90 Minuten am Stück geht", erklärt Maxi. Abends arbeitet sie zusätzlich in einer Bar - kein Lebensrhythmus, wo man sonst noch die Uni unterbringen könnte. Deshalb war sie zu Beginn auch skeptisch, ob das Lernen mit iversity für sie funktioniert. "Als dann aber im ersten Video der Dozent nicht in einem riesigen Hörsaal stand, sondern ruhig im Büro saß, Blick in die Kamera - da hatte ich das Gefühl, dass er mit mir und nicht noch mit tausenden anderen Studenten spricht. So hört es sich besser zu", sagt Maxi. Auch, dass die Diskussionen alle online stattfinden, hat aus ihrer Sicht einen großen Vorteil: "In der Uni traut man sich manchmal nicht, bestimmte Fragen zu stellen. Auf iversity kann man einfach zustimmen, wenn man eine Frage besonders wichtig findet und der Dozent beantwortet sie dann zügig. Außerdem sind geschriebene Diskussionen leichter nachzuvollziehen, als mündliche."
Maxis Plan ist jetzt, bis zum Semesterende in zwei Kursen den Schein zu machen. "Für die Prüfungen muss ich dann zwar Urlaub nehmen und an die entsprechende Uni fahren, aber bei einer Fernuni wäre das ja genau so", sagt Maxi. Das sei jetzt aber auch natürlich alles nur ein erster Eindruck, betont Maxi - ob die Kurse ihre Qualität halten, könne ja noch niemand absehen.
Auf die Frage, ob es denn bei iversity ein Qualitätsmanagement gebe, bevor die Videos online gehen, muss Geschäftsführer Hannes Klöpper nur lachen: "Theoretisch behalten wir uns vor, schlechte Videos auch ablehnen zu können. Das ist aber noch nicht passiert. Denn ganz ehrlich - die meisten Dozenten sind ja auch nicht uneitel. Die wissen, wie viele da zuschauen. Und vor denen will man dann ja doch nicht schlecht dastehen."
Text: charlotte-haunhorst - Bild: Screenshot iversity.org