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Hitmacher oder nur Hintergrund? Das Prinzip Werbespot-Song
Wild tanzende Schatten bewegen sich begeistert zu der Musik, die offenbar aus den weißen Kopfhörern kommt, die die Schatten in den Ohren tragen. Der Song, der die Jungs und Mädchen so in Ekstase versetzt, heißt "Shut Up and Let Me Go" und wird die The Ting Tings in die Charts bringen. Diesen Erfolg wird die junge britische Band dann der Firma Apple zu verdanken haben, denn "Shut Up and Let Me Go" ist der Song aus der aktuellen iPod-Werbung. Dass Reklame mit Musik untermalt wird, ist nicht neu. Dass Reklame aber Lieder zu Hits macht, schon eher. „Marken sind zu Promotion-Maschinen geworden“, stellt James McQuivey fest, der das Buch „The End of the Music Industry as We Know It“ geschrieben hat und auf den Erfolg des Songs „New Soul“ der vorher unbekannten israelischen Sängerin Yael Naim verweist. Erst als Apple einen Teil des Liedes unter die Werbung für einen Laptop legte, wurde „New Soul“ ein Hit. Ob dieser Erfolg langfristig ist, ist umstritten. Das US-Magazin Advertising Age zitiert einen Agentur-Chef, der die Werbe-Unterstützung für eine Band skeptisch sieht: „So was funktioniert vielleicht bei lächerlichen Zuckerwatte-Bands, aber nicht für solche, die langfristig ernst genommen werden wollen.“ Finde es selber raus: auf unserer Zeitreise durch die Welt der Werbe-Songs. Beginnen wir mit einem Klassiker aus der Zeit, als Jeanshintern noch schön stonewashed und hoch gezogen waren – und Billard (ähnlich wie Saxophon spielen) noch als Inbegriff sämtlicher Männlichkeiten durchging. Musikalisch setzte man sich hier noch auf sichere Bänke – zum Vorreiter in Sachen Werbemusik wurde Levi's erst später...
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... zum Beispiel mit diesem epischen Film (1994), garniert mit dem feisten Gitarrenbrecher "Inside" von Stiltskin – das Album wurde denn auch für genau ein Jahr zum Lieblingsutensil aller Kinderzimmer-Mucker und Gitarrenschüler.
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Leider gibt es auch den lästigen Fall, dass ein eigens für den Werbespot komponierter Jingle zum Ohrwurm wird. So dass man sich zum Beispiel irgendwann unter der Dusche ertappt, wie man lauthals ein Lied für Kaubonbons intoniert:
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Hier hat man sich ja vielleicht zum ersten Mal gedacht: wie lässig kann TV-Werbung denn bitteschön sein? Gut, man war jünger aber trotzdem, diese Puppe, dieses Auto, dieser langweilige Geiltyp und über allem: dieser Sound. (1999)
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Und schnell noch der vielleicht schönste Levi's-Clip überhaupt, mit einer Musikauswahl, der man dann doch Extra-Lob spendet: Georg Friedrich Händel, Sarabande, aus dem zweiten Satz des Konzertes für Oboe, Streicher und Basso continuo in g-moll HWV 287 - allerdings leicht verändert. Das dürfte das älteste Musikstück sein, dass durch die Werbung sein Comeback (sogar als Single!) erlebt hat. (2002)
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In Sachen Werbemusik darf auch die Variante von Beck's und Langnese nicht fehlen. Der Song wird dabei zum Erkennungsmerkmal und verbleibt über Jahrzehnte in den Spots. Das ewig freshe „Sail away“ der Bierwerbung ist übrigens gar nicht von Joe Cocker, sondern wurde von dem Schweinfurter Komponisten Bernie Paul erdacht und von Hans Hartz zum Welthit gesungen – dann kam’s in den Werbespot. Joe Cocker durfte es erst 1995 nachsingen und hat damit quasi den Reigen der wechselnden Interpreten eröffnet, der die Marke jung halten soll – trotz des immergleichen Songs. „Sail away“ hier von „16 Down“ :
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Bei Langnese wird noch konsequenter versucht, den 80er-Dudel „Like ice in the sunshine“ durch zeitgemäße Remixe immer neu zu beleben – BossHoss, No Angels und Faithless waren in den letzten Jahren dafür zuständig. So richtig scharf ist es aber doch nur in der Original-Version, hier in absolut traumhafter Schmerzlänge:
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Hier das Beispiel, dass der Schuss zumindest für einen der beiden Beteiligten auch nach hinten losgehen kann. Unter Zuhilfenahme von "Bohemian like you", einer astreinen Indie-Hymne, für ihre All-together-Schwurbel-Idee, hat Vodafone einen hübschen Clip gebastelt – und das Lied in sämtliche Charts gebeamt. Die Dandy Warhols haben deswegen jetzt zwar bestimmt viel bessere Drogen, aber das ist nur vielleicht der Grund, warum man seitdem so gut wie nichts mehr von der Band hört. Die Fans waren jedenfalls verstört. (2002)
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Zu einem besonderen Fall kommen wir hier. Zunächst hat der rundum wunderbare Owen Pallett, der als Final Fantasy und Geiger bei Arcade Fire allerorten verehrt wird, mal wieder einen seiner schönen Songs geschrieben, nämlich "This Is The Dream Of Win & Regine":
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Dann kommen irgendwann die Wiener Stadtwerke auf die Idee, ihre schöne Stadt in einem schönen Video zu präsentieren. Eine Werbeagentur kümmert sich darum und will auch noch schön Geigenmusik dahinter – auf Anfrage sagt Owen Pallet aber ab. Also gibt es in dem Spot ein Lied, das fast genauso klingt wie das Lied von Owen Pallett, aber nicht von ihm ist, sondern das, durchaus üblich, einfach leicht verändert und sehr billig neu eingespielt wurde. Man höre und staune:
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Kann man machen - aber nicht unbedingt in der FM4-Hauptstadt, wo es genug Ohren gibt, die die Schummelei entlarven. Nach mittlerem Plagiats-Hin-und Her zeigten sich die Wiener Stadtwerke ihrem Gutmenschen-Video würdig und einigten sich mit Owen Pallett auf konstruktive Art und Weise – sie finanzierten ihm in diesem Jahr ein Musikfestival, zu dem er seine Lieblingsbands einladen durfte. So hatten alle was davon.
Zum Schluß noch das aktuelle Werbewunder: Yael Naims Karriere als Musikerin dümpelte solange vor sich hin, bis sich Steve Jobs in ihr harmloses Liedchen mit den „possible mistakes“ verliebte – und für den neuen MacBook-Air-Spot aussuchte. Das ist bei Apple fast schon Tradition: Erst wollten alle das neue Produkt einmal sehen, danach wollten alle den Song immer wieder hören. In Zahlen ausgedrückt: Der Werbespot zählt heute bei YouTube knapp zwei Millionen Aufrufe – das Video für das Lied „New Soul“ steht schon bei acht Millionen.
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Welcher Clip fehlt? Was ist dein Lieblings-Werbesong? Und was kannst du einfach nicht mehr hören?