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Hilfe, die Heten kommen!

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Es gibt zwei Sorten von Homo-Clubs. Die einen werden von Heten kaum besucht, wegen Darkroom oder zu viel Plüsch oder beidem. Den anderen rennen party- und szenewütige Heten die Bude ein, wie Möbel Olfe oder Berghain in Berlin, in München der Candy Club – schwul oder queer gestartete Orte, in die die Homos zum feiern gingen – und jetzt immer mehr Heten. Kann man ja auch verstehen: Die Musik ist gut, die Leute entspannt, die Party lang. Nur: Wenn zu viele von euch kommen, kanns auch kompliziert werden.

Das musste meine alte Freundin Karla neulich erleben, die mit ihrem Freund nicht auf die schwullesbisch-türkische Party „Gayhane“ im Berliner SO36 gelassen wurde. „Unglaublich!“, schimpfte sie später mir gegenüber, „wir wollten da einfach bloß tanzen. Das ist doch Diskriminierung, wenn wir da nicht reingelassen werden“, warb sie bei mir um Zustimmung. Naja, sagte ich, ich hätte dich sicherlich reingelassen, als Freundin von mir. Aber sonst ist das auch eine verständliche Entscheidung, eine Homo-Party nicht zu sehr heterosexuell werden zu lassen. Denn: klar hat sie Recht. Als Einzelperson und durchaus homo-offener Mensch hätte sie nicht den schwullesbischen Charakter der Party geändert. Aber als offenbar heterosexuelles Pärchen dann schon. Es hat ja seinen Hintergrund und Sinn, dass Schwule und Lesben ihre (auch jeweils) eigenen Partys veranstalten. Nicht, weil Heten nicht so gut feiern könnten (auch wenn das auch manchmal zu vermuten wäre). Sondern weil es einfach anstrengend genug ist, den ganzen Tag im täglichen Leben von einem heterosexuellen Mainstream umgeben zu sein. Das öffentliche Leben atmet Heterosexualität, was einem nur auffällt, wenn man nicht davon betroffen ist: Zeitschriftentitel. Werbung. Filme. Fernsehclips. Da will man auch mal „unter sich“ sein, was sich etwas doof anhört, aber hey: Star Wars-Fans treffen sich auch zu eigenen Abenden, es gibt Banker-After-Work-Partys oder Heavy-Metal-Kneipen, wo ich auch nicht unbedingt hingehen muss. Okay, sexuelle Orientierung ist auch keine Musikrichtung. Aber wie es nicht laufen sollte, zeigt genau die Gayhane-Party, auf die meine Freundin gehen wollte. Die wurde irgendwann Anfang der 90er gegründet, als erste schwullesbische Party mit türkischer Musik (oder: türkische Party für Schwule und Lesben). Der Abend wurde schnell sehr beliebt unter Schwulen und Lesben, dann kamen irgendwann viele heterosexuelle türkische Frauen, die es toll fanden, einfach nur tanzen zu gehen, ohne ständig von anstrengenden Typen angegraben zu werden. Das wiederum sprach sich dann bei den Typen rum, so dass auf einmal immer mehr Heten die Gayhane-Abende stürmten. Und dann war es keine Homo-Party mehr. Vorübergehend. Bis die Türsteherinnen und Türsteher am Einlass rigoroser durchgriffen. Also: etwas ist okay, zu viel bitte nicht. Oder man macht es wie mein alter Freund Philipp. Der ist bekennend heterosexuell, trotzdem traf ich ihn neulich im SchwuZ (stand mal für „SchwulenZentrum“) auf einer Indie-Party. Überall um uns rum waren Indie-Boys und –Girls mit Myspace-Frisuren und H&M-Klamotten, nur er trug einen weißen Anzug mit Hut. „Ich habe ein Date“, raunte er mir zu. „Mit einer Frau. Ich hab sie gestern auf ner Party kennen gelernt. Meinst du, es ist ein schlechtes Zeichen, dass wir zum ersten Date ins Schwuz gehen?“ Da platzte sie in unsere Unterhaltung, mit zwei Bieren in der Hand und in dem gleichen weißen Anzug wie er. Mit Hut. Philipp sah meinen Blick und erklärte: „Wir dachten, das ist der beste Ort, um mal diese weißen Anzüge auszuprobieren.“ Nett. Kommen jetzt die Heten in die Homo-Szene, wenn sie etwas Freakiges an- oder ausprobieren wollen? A la „auf den Homo-Partys laufen eh alle wie die Clowns rum, da fällt das nicht auf“? Naja, falsch gedacht. Aber schlimm fand ichs erst recht nicht. Wenn der Indie-Konsens mal durch ein paar abgedrehte Heten durchbrochen wird: Gern. Also, liebe Heten: Ist okay, wenn Ihr zu unseren Partys kommt. Aber bitte nicht alle auf einmal. Verhaltet euch ruhig. Und zieht eure lustigsten Anzüge an, damit wir euch erkennen.

Text: malte-goebel - Illustration: dominik-pain

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