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Her mit meinem Kindergeld!
Liebe Eltern, meine Forderung klingt erst einmal undankbar und nach verwöhntem Gör. Aber ehrlich: Spätestens wenn wir ausziehen steht euch das Kindergeld für uns nicht mehr zu. Schließlich kosten wir euch dann nichts mehr. Wohnung, Essen, Klamotten, Handy, oft auch die Fahrkarte, mit der wir euch besuchen kommen - das geht dann alles von unserem Konto ab. Stundenlanges Warmduschen, offene Kühlschranktüren oder glühende Heizkörper bei offenem Fenster sind nicht länger euer Problem. Die Quittung für unser Fehlverhalten zahlen wir nach dem Auszug selbst. Irgendwie logisch, dass wir dann auch das Geld dafür brauchen, oder? Auf der Website des Familienministeriums steht: Das Kindergeld wird an die Person ausgezahlt, in deren Obhut sich das Kind befindet. Wir befinden uns nach dem Auszug in unserer eigenen Obhut. Deshalb sollte das Geld auch an uns ausgezahlt werden. Der nordrhein-westfälische Innovationsminister Andreas Pinkwart von der FDP forderte schon 2009 eine direkte Auszahlung des Kindergeldes an Studenten. Zurecht!
Her mit den Mäusen!
Liebe Eltern: Überweist uns das Geld freiwillig! Nicht weil wir euch die 184 bis 215 Euro pro Monat nicht gönnen würden. Aber wir brauchen sie einfach selbst. Für die Monatsmiete, für die Studiengebühren. Ein Rechenbeispiel: Ich könnte damit die Studiengebühren zahlen, die während zwei Semestern an einer bayerischen Hochschule anfallen. Und trotzdem blieben mir für jeden Monat 100 Euro übrig. Für diese 100 Euro kann ich mir 33 Bar-Biere, 25 Döner auf dem Heimweg oder einen Flug nach Paris kaufen. Ihr seht also: Mit der Kohle würde sich das bisschen Leben, das zwischen Vorlesungen, Praktika, Lernen und Nebenjobs bleibt, um einiges lebenswerter gestalten lassen.
Abgesehen davon kosten wir euch jetzt nicht nur kein Geld mehr, sondern auch weniger Nerven. Schließlich bekommt ihr nicht mehr eins zu eins mit, was wir treiben und mit wem. Ob wir spät nach Hause kommen, betrunken, mit einem Typen im Schlepptau, mit einem schrottreifen Auto oder vielleicht auch gar nicht – ihr erfahrt nichts davon. Diese finanzielle und seelische Entlastung sollte doch belohnt werden, oder? Gebt euch einen Ruck. Richtet den Dauerauftrag ein. Dann kommen wir euch vielleicht auch wieder häufiger besuchen. Schließlich hätten wir dann auch das Geld dafür.
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Kann man denn von den Eltern das Kindergeld verlangen? Ein Interview mit Werner Rodenkirchen. Er leitet in der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg den Bereich Recht und Verfahren bei der Direktion der Familienkasse.
jetzt.de: Herr Rodenkirchen, bis zu welchem Alter bekommt man Kindergeld?
Rodenkirchen: Kindergeld gibt es grundsätzlich für Kinder bis 18 Jahre. Für arbeitslose Kinder bekommen Eltern bis zum 21. Lebensjahr Kindergeld, für Kinder in Ausbildung bis zum 25. Lebensjahr.
Und wie hoch ist der Betrag pro Kind?
Für das erste und zweite Kind beträgt der monatliche Betrag 184 Euro, für das dritte Kind monatlich 190 Euro und für das vierte und jedes weitere Kind monatlich 215 Euro. Wichtig ist auch: Die Höhe des Kindergeldes ist unabhängig vom Einkommen der Eltern.
Steht das Kindergeld nicht eigentlich mir zu - und nicht meinen Eltern?
Nein. Das Kind ist zwar der Grund für die Zahlung von Kindergeld, Berechtigte sind aber grundsätzlich immer die Eltern beziehungsweise die Personen, bei denen das Kind lebt, die also das Kind unterhalten.
Wenn ich jetzt aber nicht mehr bei meinen Eltern lebe – gibt es dann nicht die Möglichkeit, mir das Kindergeld direkt auszahlen zu lassen?
Wenn die Eltern ihrer Unterhaltspflicht nicht nachkommen wollen oder können, weil sie beispielsweise nicht die Mittel dazu haben, dann kann das Kind einen Antrag für eine direkte Auszahlung, eine sogenannte Abzweigung an die Familienkasse stellen.
Und wenn die Eltern nicht einverstanden sind?
Die Familienkasse prüft den Antrag des Kindes. Kommt sie zu dem Schluss, dass der Antrag gerechtfertigt ist, wird das Kindergeld direkt an das Kind überwiesen. Auf das Einverständnis der Eltern kommt es nicht an.
Und wenn die Familienkasse den Antrag abweist?
Dann kann das Kind diese Entscheidung überprüfen lassen und den Rechtsweg beschreiten, also Einspruch einlegen und gegebenenfalls anschließend Klage einreichen.
Ist das schon einmal vorgekommen?
Sicherlich. Zahlen hierzu werden aber nicht gesondert erfasst.
Text: klara-jaeger - Illustration: Katharina Bitzl