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Hausbesuch bei Peter Granser
Eins Das Ungewöhnliche an dem Büro von Peter Granser sind die halbgeschlossenen Rollläden. Ungewöhnlich, denn Peter Granser ist Fotograf und seine Fotos sind vor allem: hell, hell, hell. „Gestern war mir einfach zu viel Licht hier drinnen“ sagt er, ist selbst kurz darüber erstaunt und zieht die Rollläden wieder hoch. Draußen ist Stuttgart, Ortsteil Heslach. „Südliche Halbhöhenlage“ sagt Granser und meint den steil abfallenden Berg, in den sein Büro gebaut ist. Er trinkt nie Kaffee aber Tee schon, nur einen Wasserkocher hat er noch nicht. Und in dem ganzen Stress vor seiner ersten großen Werkschau, konnte er auch keinen besorgen.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Peter Granser: »No Couple« aus »Coney Island«, 2003 Zwei 120 Fotos von Peter Granser hängen jetzt in der Kunsthalle Tübingen. „Ein richtiges Museum", sagt der 35-jährige Granser „bei dem die Leute Eintritt bezahlen. Ich war gestern dort, da sind wirklich viele Leute gewesen“. Eine Ehre ist die Ausstellung, aber eigentlich kein Wunder, denn Gransers Fotoarbeiten werden seit Jahren immer wieder mit wichtigen Preisen ausgezeichnet. Zuletzt wurde er mal wieder beim World Press Photo Award geehrt und bekam den hochbegehrten Oscar-Barnack-Preis, der von der Firma Leica verliehen wird. Ausgezeichnet wurde damit sein Bilderzyklus aus dem maroden Vergnügungspark Coney Island vor New York. Granser fotografierte dort Menschen, die wie der Park selber grell und verfallen wirken, die wie die klapprigen Karussells die Zeit verlassen haben und gleichzeitig von ihr angenagt werden. Sie stehen entwurzelt vor sinnlosen Zäunen und windschiefen Schildern „ Ich war tagelang, insgesamt wochenlang, in dem Park, am Ende kannte ich jede Ecke und wusste schon, welchen Menschen ich wo fotografieren möchte. Es musste aber immer schnell gehen, die Leute hatten ja alle was anderes vor, deswegen hatte ich bei manchen nur für zwei, drei Bilder Zeit.“, sagt Peter Granser und lächelt. Diese Eile sieht man den Fotos nicht an, sie wirken allesamt, als hätte man für immer die Zeit angehalten.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Peter Granser: »Elvis Tribute Artist 01« Drei Spät hat Peter Granser angefangen zu fotografieren. Erst mit zwanzig kam er über einen Freund mit richtigen Kameras in Berührung und fing selber an, hobbymäßig zu knipsen. Eines Abends stand er dann bei einem Konzert und wurde angesprochen, ob er nicht ein Foto von dem Geschehen auf der Bühne machen könnte. Der Ansprecher war ein Lokalreporter, dessen Fotograf nicht gekommen war und Peter Granser drückte ab - und hatte sein erstes Foto für die Bild-Zeitung gemacht. „Das kam mir einfach und interessant vor und deshalb wollte ich das unbedingt richtig ausprobieren“, sagt Granser und brachte sich das richtige Fotografieren selber bei, war unterwegs als Fotograf für die Lokalzeitung und schon wenig später für Stern oder GEO. Dabei genügte es ihm von Anfang nicht, wenn seine Fotos nur abbildeten. Sie sollten erzählen, sollten die Reportagen nicht nur bunt machen, sondern tragen. Granser kaufte sich eine Hasselblad und begann selber die Geschichten zu suchen und damit nicht auf die Journalisten zu warten.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Peter Granser: »Kühe auf Parkplatz« aus »Austria« Vier Das Auto von Peter Granser ist ein alter grüner Golf und nicht aufgeräumt. „Mit Autos beschäftige ich mich überhaupt nicht, ein Auto muss nur fahren“, sagt Granser und gibt Zwischengas, um dann gemächlich durch das sonntagsleere Stuttgart zu cruisen. „Eine irgendwie verkannte Stadt, deswegen sehr gemütlich und gut zu bewohnen, außerdem gibt es hier guten Wein“, findet er, der einen österreichischen Pass hat und trotzdem in Hannover geboren wurde. Das Österreichische kommt vom Vater und veranlasste den Fotoreporter, sein ungelebtes Heimatgefühl mit der Kamera zu suchen. Er fotografierte das seltsame Nebeneinander von Tradition und Tourismus, von falscher Urigkeit und anderen seltsamen Spagaten. Das typische Granser-Motive ist ein Bild bei dem auf den ersten Blick nichts zusammenpasst und das im charakteristischen Hasselblad-Quadrat dann eben doch stimmig wirkt. Obwohl im Grunde tief verstörend, sind seine Fotos von nahezu unverschämter Harmonie - weil er die Menschen in dem Leben abbildet, das sie sich ausgesucht haben.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Peter Granser: »Bikini Queen« aus »Sun City«, 2003 Fünf „Ich wollte dann nicht mehr nur der reine Fotoreporter sein und konnte es auch nicht, meine Recherchen wurden so aufwändig und zeitraubend, dass kein Magazin sie mehr bezahlen hätte können. Außerdem gefiel mir nicht, dass die Bilder in den Layouts oft beschnitten wurden.“ Granser fing an, seine Bilder einzurahmen und Galerien unterstützen ihn dabei. Er wird in Madrid, New York und Paris vertreten und natürlich in Stuttgart. Vier seiner Bilderzyklen sind zu Fotobänden geworden, die zum Teil schon wieder vergriffen sind, es hagelte Preise, Würdigungen, Stipendien und Lob und Granser wusste, dass er auf dem richtigen Weg ist. Heute hat Peter Granser einen Praktikanten und ein Bild von ihm aus der „Coney Island“-Serie kostet etwa zweieinhalbtausend Euro. „Viel Geld, ich weiß, aber auch sehr viel Arbeit, die dahinter steckt.“ sagt Granser dazu. Allein für die Coney Island-Recherche ist er auf eigene Rechnung mehrmals in die USA gereist.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Peter Granser: »Portrait 19« aus »Alzheimer«, 2004 Sechs Mit dem Abbilden von Altern und Verfall hat Granser ein Thema gefunden, dass ihm nachhaltige Aufmerksamkeit der Gesellschaft sichert. Seine Bilder von Alzheimerpatienten in einem Stuttgarter Altenheim, wurden in den Feuilletons als wichtiger Beitrag zur Generationendebatte und zum Umgang mit alten Menschen gewertet. Fremd sehen diese Patienten auf seinen Fotos in die Welt, mit der absoluten Angst des Vergessenes in den Augen, mit der Unruhe von Menschen, denen alles entglitten ist und die nicht wissen, worauf sie eigentlich warten. Ganz anders die Senioren die Granser in Sun City fand, einer künstlichen Seniorenstadt mitten in der Wüste vor Arizona. Dort krallen sich die Alten mit amerikanischer Unerschrockenheit ans Leben. Da stehen Plastikflamingos in den Vorgärten und zahnlose Omas posieren als US-Bikingirl. Der junge Peter Granser dokumentiert mit diesen beiden Arbeiten wie zwei Gesellschaften funktionieren und schafft es bei aller sozialen und gesellschaftlichen Botschaft immer noch, ein umwerfend schönes Bild zu machen. Zu sehen in der Kunsthalle Tübingen bis 2. Juli 2006, Eintritt 3 Euro.