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Gute Fans, bö(h)se Fans?
Nach einem Konzert am Dienstag schrieb Jennifer Rostock auf Facebook:
„Nachtrag zu Hamburg: wir wollen nie wieder Leute mit Böhse Onkelz Shirts auf unseren Konzerten sehen. Und Freiwild könnt ihr auch stecken lassen! Klar, jetzt geht hier in den Kommentaren die üble Diskussion ab, aber Grauzone ist ganz nah an Braunzone. NAZIS RAUS, den Rest kennt ihr ja.“
Die „üble Diskussion" ließ nicht lange auf sich warten. Mehr als 9.000 Fans gefällt der Post, doch in den über 5.000 Kommentaren finden sich auch andere Stimmen:
„Wie dumm kann man sein....keine Ahnung aber Fresse aufreißen...ich kannte dich bis jetzt nicht liebe Frau Rostock oder wie auch immer....aber ich glaube durch diese unwissende und dämliche Aussage hast du jetzt mehr Feinde wie Freunde....ich hoffe von Herzen, das du dich hiermit selbst kaputt gemacht hast!!!!!“ , schrieb ein Nutzer.
Und dabei handelt es sich noch um einen netten Kommentar. „Störungsmelder“, der Blog der Wochenzeitung „ZEIT“, der sich mit rechtsextremen Bewegungen in Deutschland befasst, berichtete über das Thema. Dem Artikel nach wurden die härtesten Aussagen von Facebook oder der Band bereits gelöscht. Darunter seien Nazi-Parolen und Todesdrohungen gewesen. „Von Gaskammern ist die Rede“, schreibt der "Störungsmelder".
Kurze Zeit nach dem ersten Post legte die Band einen zweiten nach:
„Wir möchten klarstellen, dass wir nicht alle Böhse-Onkelz- oder Freiwild-Fans als Nazis bezeichnen und auch niemandem vorschreiben wollen, wie er/sie sich zu kleiden hat. Aber auf unseren Konzerten möchten wir die Namen von diesen "fragwürdigen" Bands nicht lesen. Denn auch wenn Freiwild sich selbst als "unpolitisch" bezeichnen, findet ihre Musik gerade in der rechtsextremen Ecke viel Anklang, da die Texte große Identifikationsfläche für nationalistisches Gedankengut bieten.“
Dieser Post ist mittlerweile offline. Kritische Stimmen machen sich darüber lustig und gratulieren zum Sinneswandel. Doch im Interview mit jetzt.de stellt Jennifer Rostock klar: „Wir haben nichts gelöscht, weder einzelne Kommentare noch den zweiten Post“. Anscheinend hätten ihn so viele Nutzer gemeldet, dass Facebook ihn gelöscht habe. Die Band versuche gerade ihn wieder freischalten zu lassen, denn gerade mit ihm wollten sie das Ganze etwas sachlicher eklären. „Mit diesem Ausmaß an Reaktionen haben wir nicht gerechnet“, gibt Jennifer Weist, die Frontfrau der Band, zu. Aber die Musiker stehen zu ihrer Meinung und zurücknehmen würden sie nichts.
Jennifer Rostock sieht den Shitstorm gelassen.
Denn Angst haben sie nicht, obwohl es auf Facebook sogar Todesdrohungen gab: „Man weiß ja, dass die genau das wollen. Auf diese Einschüchterungsversuche darf man nicht reinfallen“, erklären die Musiker unbeeindruckt. Sie hätten zwar für die letzten beiden Konzerte ihrer Tour, am 1. und 2. Februar, das Sicherheitspersonal darauf hingewiesen, aber sie würden nicht mit Zwischenfällen rechnen. Auch die Aufrufe ihrer Gegner nach dem Motto ,Kommt, wir ziehen alle Böhse Onkelz-T-Shirts an und gehen zu dem Konzert' sehen sie gelassen. Zurecht, denn die Konzerte sind ohnehin schon seit Langem ausverkauft. „Man darf den Shitstorm auch nicht überschätzen“, sagen Jennifer Rostock, „die werden jetzt noch ein paar Tage Onkelz-Videos posten und uns Böhse Onkelz-Mützen an den Kopf photoshoppen und in einer Woche ist das eh wieder vorbei“.
Für Jennifer Rostock ist das Thema also so gut wie erledigt. Facebook-Freunde haben sie jetzt sogar noch mehr als vor dem Shitstorm. Was bleibt, ist die Frage, ob es nicht ein wenig überheblich ist, sich seine Fans aussuchen zu wollen. Die Kommentatoren, die darauf hinweisen, dass schließlich Meinungsfreiheit herrsche und jeder anziehen könne, was er will, haben nicht Unrecht. Und wie die Band auch selbst sagte: Nicht jeder Onkelz-Fan ist gleich ein Neonazi.
Einen regt diese Beschuldigung besonders auf: Stephan Weidner von den Böhsen Onkelz. In den frühen 80ern, ihren ersten Jahren, stand die Band der rechten Szene sehr nahe. Ihr erstes Album wurde als jugendgefährdend eingestuft und auf den Index verbotener Musikproduktionen gesetzt. Später distanzierten sie sich von der rechtsradikalen Szene, auch in ihrer Musik. Richtig losgeworden sind sie das rechte Image trotzdem nie. Weidner, der Frontmann der Band, die sich 2005 trennte, hat als Antwort auf das T-Shirt-Verbot auf Facebook einen öffentlichen Brief an Jennifer Rostock geschrieben, in dem er erklärt, dass die Band mit ihrer Aussage genau die falschen treffen würde:
„Ich bin mir natürlich klar darüber, dass der Fascho-Onkelzfan keine Erfindung der AntiFa ist. Aber den meint ihr nicht, der kommt nicht zu euch.“
Der Einwand scheint berechtigt. Dass Jennifer Rostock sich offen gegen Rechtsradikalismus zeigt, ist nicht zu übersehen. Ist es da nicht viel wahrscheinlicher, dass die wenigen Onkelz-Fans, die zu ihren Konzerten kommen, zwar die T-Shirts tragen, aber bestimmt keine Neonazis sind?
Die Mitglieder von Jennifer Rostock sehen das anders. Wer ein solches T-Shirt trage, der wisse um „das Signal, dass er damit sendet“. Für sie ist der Fall klar: „Mit einem Frei.wild-Shirt auf ein Jennifer Rostock-Konzert zu gehen ist so unpassend, wie mit einem Clownskostüm bei einer Beerdigung aufzutauchen. Wenn man es macht, dann als Provokation, und das muss halt nicht sein.“
Doch Stephan Weidner geht noch weiter. Er wirft der Band vor, dass ihr Engagement gegen Rechts nur für die Presse und ihr Image sei. Dass sei nicht nur scheinheilig, sondern auch gerfährlich:
„Im besten Falle seid ihr einen Fan los, im schlechtesten Falle beschert ihr einem Jungen das Schlüsselerlebnis der Ablehnung, das ihn den Braunen in die Arme treibt.“
Sich gegen Rechts zu positionieren sei nie falsch, betont der ehemalige Frontmann der „Böhsen Onkelz“, „ aber man muss es auch ernst meinen, wenn niemand mehr zuschaut. (...) Verdammt, fangt an, eure Verantwortung wahr zu nehmen.“
Seine Argumentation klinge erst einmal schlüssig, geben die Musiker von Jennifer Rostock zu. Das sei aber nicht verwunderlich, schließlich mache er seit 20 Jahren nichts anderes als sich zu rechtfertigen. Aber sein Brief führe einfach am Thema vorbei. Das, was er anspreche, sei eine ganz andere Argumentation. „Wir haben nur gesagt, dass wir keinen Bock haben, dass Leute in diesen Shirts zu unseren Konzerten kommen“, rechtfertigt sich die Band. Um die Fans, die mit dieser Einstellung nicht klar kommen, ist es ihrer Meinung nach nicht schade: „Man kann es auch Frühjahrsputz nennen. Auf die Leute, die wir dadurch verloren haben, kann man in beidseitigem Einverständnis verzichten.“
Das klingt, als gäbe es für eine Band gute und schlechte Fans. Kann man sich seine Anhänger aussuchen? Das fragen sich wahrscheinlich auch diverse Pop-Musiker, wenn wieder mal nur 14-Jährige in den ersten zehn Reihen stehen. Jennifer Rostock hat dafür eine einfach Logik: „Man gibt sich ja selbst auch die Ecken und Kanten, die man haben will, und wenn man sich als Harmlos-Pop-Produkt irgendwo hinstellt, dann muss man auch damit rechnet dass dann nur so Kiddies und Radiohörer ankommen.“ An sich gebe es keine guten oder schlechten Fans, erklärt Jennifer Weist, aber man wünsche sich natürlich, dass die Fans sich auch mit den Texten und der Musik auseinandersetzen.
Für Jennifer Rostock hat sich also durch die Aufruhr auf Facebook nichts geändert. Sie werden wie bisher ihre Meinung vertreten, aber auch nicht auf jedem Konzert mit Parolen aufwarten. Und wenn jemand im Frei.wild- oder Onkelz-Shirt kommt, wird er das auch in Zukunft ausziehen oder gehen müssen.
Text: teresa-fries - Foto: Florian Oellers