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Glücklich: Wie der Gebührenboykott Hamburger Studenten beflügelt

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An der HfbK erhalten dieser Tage 359 Nichtzahler (bei 452 gebührenpflichtigen Studenten) Mahnbriefe der Hochschule, in denen die Aufforderung steht, die Gebühren bis spätestens 9. Juli 2007 zu überweisen. Andernfalls drohe die Exmatrikulation. Die Rechts-AG der HfbK hingegen hält die Drohung nach der Beratung durch zwei Anwälte für rechtlich unbegründet: Die Exmatrikulationsregeln der HfbK sähen vor, dass die Hochschule nur dem HfbK-Studenten den Status als immatrikulierter Student entziehen darf, der „bis zum Ablauf der Rückmeldefrist zu entrichtende fällige Beiträge oder Gebühren nicht gezahlt hat“. „Da die Rückmeldefrist für das laufende Sommersemester im April war und die Bescheide für die Studiengebühren erst im Mai verschickt wurden“, schlussfolgert die Rechts-AG auf der Internetseite des HfbK-Boykotts, „ist die Verweigerung der Gebühr in diesem Semester kein Exmatrikulationsgrund.“

Kunstloses Brot: Protest kreativ in Hamburg. Angesichts dieser Rechtslücke zwischen dem Hamburger Hochschulgesetz und den Exmatrikulationsregeln äußern sich die HfbK-Studenten enttäuscht über ihren Präsidenten Martin Köttering. Er stellt sich öffentlich als in erster Linie dem Hochschulgesetz verpflichtet dar und ist nicht gewillt, im Schulterschluss mit den Studenten die Breite der Rechtslücke zu erproben. Benjamin Renter, 25, ist einer der Organisatoren des Protests und schlägt im Gespräch mit jetzt.de vor, Köttering könne immerhin von seinem Recht Gebrauch machen, einzelne Studenten von der Gebührenpflicht zu befreien. „Herr Köttering scheint sehr schlechte Berater zu haben“, sagt der Student der Visuellen Kommunikation an der HfbK. „Andernfalls hätte er die Chance erkannt, seine, unsere Hochschule aus der Mittelmäßigkeit herauszuheben: Eine Kunsthochschule, die sich den Gebühren verweigert und erfolgreich abschafft. Und das mit der geschlossenen Unterstützung aller Studierenden und Lehrenden.“ Als Martin Köttering etwa die Professoren anwies, die jeweils zwei besten Schüler in ihrer Klasse auszuwählen, um diese von den Gebühren zu befreien, empfanden die Studenten das als Versuch der Spaltung der Solidarität unter den Studenten. „Dadurch sollte ein Konkurrenzverhalten unter den Studenten entstehen“, sagt Benjamin. „Dabei ist Elitenbildung und Leistungsbewertung im künstlerischen Kontext so was von überholt.“ Am Ende sprachen die Studenten einfach mit den Professoren ab, dass diejenigen das Stipendium bekämen, die das Geld am dringendsten brauchen.

Überhaupt scheint das Professoren-Kollegium an der HfbK Partei für die Studenten zu ergreifen. 26 Profs, zu denen unter anderem der Filmregisseur Wim Wenders gehört, richteten einen Brief an den Wissenschaftssenator, in dem sie „in brennender Sorge“ eine Gefahr der aktuellen Situation beschreiben: „Wenn unsere Hochschule 80 Prozent ihrer Studierenden exmatrikuliert, wird es für viele Jahre keinen künstlerischen Nachwuchs in Hamburg geben. Damit würde für die Hansestadt ein großer kultureller Verlust entstehen.“ Eine andere Konsequenz einer Massenexmatrikulation könnte die Besetzung der HfbK sein. „Es gibt Überlegungen, eine freie Hochschule zu gründen“, erzählt Benjamin, „einige unserer Professoren würden uns weiterhin unterrichten. Und die Räume der HfbK sind schließlich öffentlich zugänglich.“ Derzeit denken die boykottierenden Studenten intensiv über das weitere Vorgehen nach. In der eigens für den Boykott gegründeten Angst-AG können alle Zahlungsverweigerer ihre mit dem Boykott verbundenen Bedenken melden – so soll der Zusammenhalt der Gruppe unterstützt und das gemeinsame Maß an Risikobereitschaft gefunden werden. Für die meisten der 359 Nichtzahler allerdings wiegt die Gelegenheit, mit dem Boykott gesellschaftsrelevant zu handeln weit mehr als die Angst, exmatrikuliert zu werden. „Studiengebühren sind sozial selektiv, deshalb wollen wir sie abschaffen“, sagt Benjamin. Nachdem bisher an fast 40 deutschen Hochschulen Boykottversuche aufgrund zu geringer Beteiligung abgebrochen wurden, sind die an der HfbK Aktiven „sehr glücklich“, gemeinsam mit den Nichtzahlern von der TAH den Protest gegen Studiengebühren aufrecht erhalten zu können. Die Studenten wollen ihre Kontakte zu anderen Boykottgruppen ausbauen, denn „da passiert etwas in ganz Deutschland“, so Renter. Der bisher teilnehmerstärkste Boykottversuch wurde vor zwei Wochen gestoppt. 6.000 Studenten hatten die Gebührenzahlung verweigert. Die Organisatoren sind nun noch motivierter und wollen im kommenden Semester mindestens 10.000 Nichtzahler zusammenzubringen. Ihr Erfolg wird wohl auch von dem der jetzigen Boykotts abhängen. Wissenschaftssenator Dräger hat zu den jüngsten Ereignissen noch nicht öffentlich Stellung bezogen.

Text: friederike-knuepling - Fotos: oh

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