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Falscher Wet-T-Shirt-Feminismus
Werden momentan als neue Feministinnen gefeiert: Charlize Theron (links) im neuen Mad-Max-Film und Taylor Swift im Videoclip zu "Bad Blood"
Szene 1: Eine Frau mit einem Roboterarm und schwarzem Ruß im Gesicht steuert einen Truck durch die Wüste. Hinten drin versteckt: fünf junge Frauen in weißen Gewändern. Sie sind auf der Flucht vor einer Horde Männer, die mit ihrer rohen Gewalttätigkeit ihre Welt zugrunde gerichtet haben. Die Frau mit dem Roboterarm ist kampfbereit. In den kommenden 110 Minuten wird sie zahlreiche Typen vermöbeln, den Truck (der mit Muttermilch gefüllt ist!) reparieren und den einzigen netten Mann in dieser Wüste nicht küssen. Und das ist, wenn man zumindest zahlreichen Filmkritikern glaubt, Feminismus in seiner reinsten Form. Feminismus, wie man ihn im Jahr 2015 abfeiert und damit auch den Film, "Mad Max: Fury Road", und Charlize Theron, die Roboterarmfrau.
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Szene 2: Taylor Swift steht in einem Latex-Kostüm in einem Büro und prügelt sich. Erst mit Männern, dann mit einer schwarzhaarigen Frau. Allerdings fällt sie dabei aus dem Fenster, woraufhin sie gemeinsam mit ihren Amazonen-Kolleginnen noch härter trainiert. Die tragen übrigens auch enge Latexkostüme, bis auf Lena Dunham, die nur an einer sehr großen Zigarre zieht. Was ist das? Auch Feminismus, rufen die Kritiker. Schließlich ist Lena Dunham dabei. Und sowieso – Taylor Swift, die von der Maxim jetzt zur heißesten Frau des Jahres gewählt wurde und das, nach Aussage des Magazins, auch weil sie klug ist. Superfeministin!
An dieser Stelle möchte ich unironisch festhalten: Ich bin Taylor-Swift-Fan. Der gerade erschienene Song "Bad Blood" mit besagtem Video? Knallt! Pop in Reinform. Auch Charlize Theron finde ich toll. Aber es Überrascht mich, wie leicht heute etwas, das irgendwie badass oder einfach nur das Gegenteil von Geschlechter-Klischee ist, automatisch als frauenpolitisches Statement durchgeht.
Denn bei dem Hype um Swift und Theron feiern die Kritiker nicht den Feminismus. Der Begriff steht für Gleichberechtigung, Selbstbestimmung und das Ende von Sexismus – und damit des männlich bestimmten Blicks auf die Frau. Aber genau das tun die Kritiker: Sie feiern, dass Frauen "Männerdinge" tun: Sich prügeln, Trucks reparieren und Waffen abfeuern.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Gleichzeitig ignorieren sie dabei völlig, dass Swift, Theron und ihre Entourage für ein männliches Publikum inszeniert wurden: Im Taylor-Swift-Clip (der von einem Mann gedreht wurde) treten fast alle Frauen halbnackt auf. Das machen sie lustvoll und selbstbewusst - eine politische Message steckt aber nicht dahinter. Kendrick Lamar, der in dem Video als einziger Mann vorkommt, der nicht verhauen wird, darf übrigens angezogen bleiben.
Für den versierten Filmkritiker mag das ironisch sein, für den gewöhnlichen männlichen Kinobesucher sind es - Titten.
Und auch Mad Max bleibt pseudo-feministisch: So schlau die Botschaft von der Überlegenheit des weiblichen Prinzips auch sein mag, rein oberflächlich ist der Film eine Testosteron-Schlacht, garniert mit sexy Leckerbissen. Was machen die fünf geflohenen Grazien in ihrer ersten Szene? Sie spritzen ihre weißen Gewänder mit einem Wasserschlauch ab, was sie, jep, durchsichtig macht. Das mag für den versierten Filmkritiker ironisch sein, für den gewöhnlichen männlichen Kinobesucher sind es - Titten.
Woher kommt es also, dass momentan jede starke Frau direkt den "Sie ist übrigens auch Feministin"-Orden verliehen bekommt? Die Videos und Filme wären ja nicht schlechter, würde man sie einfach als gutgemachte Popkultur einordnen.
Vielleicht steckt dahinter ganz einfach Angst. Angst der Ordenverleiher davor, dass der Feminismus in Vergessenheit gerät, wenn man ihn nicht verjüngt. Und dass eine supercoole Feministin, halb Typ, halb Latexkostüm, das Thema auch wieder für junge Menschen (auch Männer) attraktiv macht. Nach dem Motto „Schaut her, als Feministin müsst ihr gar keine lila Latzhosen tragen und verbittert sein“.
Aber mit dieser Haltung unterschätzen all die hysterischen Hurra-Rufer die jüngere Generation. Wir sind gar nicht so doof. Wir wissen sehr genau, dass unsere jetzige Gesellschaft für Frauen nicht immer fair ist und es an uns liegt, etwas dagegen zu tun. Dafür brauchen wir keine Taylor Swift als Identifikationsfigur und müssen auch keinen Tank mit Muttermilch durch die Wüste fahren. Wobei - würde eine Frau sich jetzt tatsächlich an der feministischen Taylor Swift ein Beispiel nehmen und bei der nächsten Gehaltsverhandlung im Latexanzug auf den Tisch des Chefs springen - da würde ich schon gerne zusehen.