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Eva Herman im Indie-Look
Auf den ersten Blick sieht „Der letzte Kuss“ richtig nett aus. Zach Braff spielt darin die Hauptrolle, der Autor, Regisseur und Hauptdarsteller des Indie-Erfolgs „Garden State“. Das Drehbuch ist von Paul Haggis, der auch schon „Million Dollar Baby“ und „L.A. Crash“ geschrieben hat. Außerdem spielen mit: Jacinda Barrett, Casey Affleck und Rachel Bilson aus der TV-Serie „The O.C.“.
Die Jungs in der Krise kurz vor dem Dreißigsten Es geht um eine Gruppe junger Männer (und deren Freundinnen) um die Dreißig, die gerade so ein bisschen durchhängen im Leben und nicht genau wissen, wo es lang gehen soll. Im Mittelpunkt des Films steht Michael (Braff). Eigentlich ist bei Michael alle sehr nett: eine nette Freundin namens Jenna (Barrett),ein nettes kleines Haus. Dann wird Jenna schwanger. Und Michael bekommt Angst, dass sein ganzes Leben jetzt schon durchgeplant ist und ihn keine Überraschungen mehr erwarten. Da lernt er die ebenfalls sehr nette und jüngere Kim kennen, die auch noch eindeutig Interesse an ihm zeigt. Ein gutes Thema, schwach umgesetzt Die Angst vor dem Erwachsenwerden, das Gefühl, das Leben hat so viel zu bieten und man kann es gar nicht alles nutzen: eigentlich genau das Thema, das die heutige Jugend, die Generation Praktikum oder wie immer man sie nennen will, anspricht. Wenn man sich „Der letzte Kuss“ aber etwas genauer ansieht, scheint das eben beschriebene Gefühl den Männern vorbehalten. Konzentriert man sich auf die Frauenrollen, trifft der Film eher das Lebensgefühl unserer Mütter oder sogar Großmütter.
Michael und Jenna, bevor alles hässlich wird „Der letzte Kuss“ lässt sich nämlich auch so zusammenfassen: Frauen sind bindungsfixiert und familienorientiert, auch die, die anfänglich behaupten, nur ihren Spaß zu wollen. Sie haben Angst, verlassen zu werden und ihre Gedanken kreisen um Mutterschaft und Ehe. In Krisensituationen reagieren sie irrational und hysterisch, dann schreien sie und weinen und knallen mit den Türen. Als Jenna erfährt, dass Michael Kim kennen gelernt hat, schreit und weint sie, lässt ihn nicht zu Wort kommen, sondern setzt ihn vor die Tür. Als Michael dann, viel später im Film, doch noch zu Wort kommt und Jenna von seinen Ängsten erzählt und sie nach ihren fragt, kommt von ihr: Natürlich habe ich auch Angst. Angst, eine schlechte Mutter zu sein und keine gute Freundin, Angst, dass ich fett werde, dir irgendwann nicht mehr gefalle, dass du mich verlässt. Das ist hart. Aber das Härteste ist: Alle Frauen in diesem Film reagieren in ähnlichen Situationen genau so wie Jenna. Kim, Lisa und Danielle, sie alle sind so, so dass es am Ende scheint, all diese Frauenfiguren existierten nur, um dieses eine Klischee von der hysterischen, bindungsfixierten Frau zu untermauern. Frauen sind eben so, sagt das Klischee Klar, sagen viele Männer, wenn sie „Der letzte Kuss“ sehen: Frauen sind ja auch so. Und dann erzählen sie die ein oder andere Geschichte von ihren Exfreundinnen. Mist, denken sich viele Frauen, denken an ihre Freundinnen und deren Liebesleben und erinnern sich an diesen einen Abend, an dem die IKEA-Vase zu Bruch ging. Frauen sind so. Manchmal. Aber die meisten Frauen sind die meiste Zeit ganz anders. Immer mit der Ruhe, kann man jetzt sagen, der Film ist aus Michaels, also der Männerperspektive erzählt, ist doch klar, dass die Frauen da klischeehaft dargestellt werden. Aber warum verdammt noch mal muss es ausgerechnet dieses blöde, altmodische, ausgelutschte Klischees sein? Und warum muss es wirklich jede einzelne Frau in diesem Film verkörpern?
Michael und Kim, bevor es auch mit Kim noch hässlich wird Da ist Schluss mit immer mit der Ruhe. Vor allem, weil uns dieses Frauenbild von anderer Seite in letzter Zeit ja immer wieder mal präsentiert wurde: von so genannten Familienexperten, von Politikern und geltungssüchtigen Ex-Tagesschausprecherinnen. Jetzt wird es auch noch von einem coolen und jungen Hollywoodfilm mit gutem Soundtrack für die jüngere und mittlere, popkulturell interessierte Zielgruppe ins Land geschleppt. Und wenn wir uns so eine Frauenrolle nicht von einer blöden Eva Herman aufs Auge drücken lassen, dann auch nicht von einem hippen Film im Indie-Kostüm. Bilder: UIP