Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Eine Braune Armee Fraktion?

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Holger Schmidt, langjähriger Terrorexperte der ARD, hinterfragt in seinem Blog „Terror in Deutschland“ ob im Zusammenhang mit der „Zwickauer Zelle“ und den „Döner-Morden“ wirklich von einem neuen Rechtsterrorismus gesprochen werden sollte: 

 



 „Wir stehen zugleich ratlos vor einem Phänomen, das heute die ersten Politiker vorschnell als neuen Rechtsterrorismus bezeichnen. Schon ist nicht mehr nur von der „Zwickauer Zelle“ die Rede, es wird bereits eine „Braune Armee Fraktion“ herbeigeredet. Das ist unbedacht und hilft in der Sache nicht weiter (...).
Der Schwerpunkt der Taten, die dem Trio aus Zwickau zugeschrieben werden, liegt zwischen den Jahren 2000 und 2007 (...).
Damit wir uns nicht missverstehen: Ich möchte keine dieser furchtbaren Taten relativieren. Aber die Frage ist doch, warum sich erst im Jahr 2011 herausstellt, dass hinter all dem offenbar eine rechte Terrorzelle steckt (...).
Für die Ermittlungsbehörden – insbesondere für den Verfassungsschutz Thüringens – wird sich der Fall noch zu einer großen Bankrotterklärung ausweiten, lautet meine Prophezeiung. Es wäre unverzeihlich, wenn man das aktenkundige Trio seit Ende der 1990er Jahre einfach so aus den Augen verloren hätte (...).
Nein, wer von einem neuen Rechtsterrorismus spricht, der riskiert, sich der Verharmlosung der Pannen und der Verschleierung verdächtig zu machen. Und im Übrigen sind drei Personen noch keine braune Armee. Die Frage der Stunde ist deshalb: Was lief in den letzten zehn Jahren schief – und was sind die Motive der Täter.“    


Kritik an Familienministerin Schröder

Auch Patrick Gensing, Betreiber des NPD Info-Blogs Publikative.org fragt kritisch,  ob der Verfassungsschutz den drohenden Rechtsextremismus früher hätte erkennen müssen:  

"Die Erkenntnisse zu der rechtsextremen Terrorgruppe überraschten Politiker und Sicherheitsbehörden offenbar vollkommen. Die Opposition warf der Regierung vor, die rechtsextreme Gefahr zu verharmlosen und zu ignorieren. Zunehmend ins Zentrum der Kritik gerät Familienministerin Schröder, die zivilgesellschaftliches Engagement für Demokratie und gegen Rechtsextremismus durch eine Extremismus-Klausel behindert. Verfassungsschützer sprachen indes von einem Rechtsterrorismus. Eine späte Erkenntnis. Aufgabe der Verfassungsschützer ist es, solche Tendenzen frühzeitig zu erkennen und die Öffentlichkeit zu warnen."  


  Der deutsche Staat - auf dem rechten Auge blind?

Unter der Überschrift „Überraschung: Nazis in Deutschland!“ rechnet Spreeblick-Blogger Johnny Haeusler mit den Versäumnissen der deutschen Politik ab, wobei er auch auf ein mögliches NPD-Verbot eingeht:  

"Als Blogger schlage ich mich, wie viele andere, seit nunmehr einem knappen Jahrzehnt mit einem nimmermüden Pack von Islamophobikern und Rassisten in unseren Kommentaren herum (...).
Und seit ebenso vielen Jahren beschäftigen sich unzählige Blogs und Foren wie auch „größere“ Medien mit denjenigen Websites, die man getrost als Nähr- und Erziehungsboden für ewiggestrige Kleingeister bezeichnen kann (...) – anscheinend ohne, dass dies dem Verfassungsschutz bisher einen näheren Blick wert gewesen wäre (...). 

(...) Die nun wieder aufkeimende Debatte um ein NPD-Verbot bleibt PR, denn jeder Politiker weiß, dass dieses Verbot eine selbstverschuldete Unmöglichkeit bleiben wird, und sie deutet an, dass die nächsten Tage wahrscheinlich ähnlich verlaufen werden, wie sie es immer tun, wenn Gewalt von Rechts bekannt wird: Hier und da ein paar Rufe nach Partei- oder Gruppen-Verboten, und dann wieder schnell zurück zur Tagesordnung. Die Unterstellung, der deutsche Staat sei auf dem rechten Auge blind, ist mindestens so alt wie ich. Meine Hoffnung, dass sich dies irgendwann mal ändern wird, ist daher leider klein."

Letzte Ausfahrt: “NPD Verbot”

Auch auf einschlägigen Anti-Nazi-Blogs wie "Laut gegen Nazis" wird ein NPD-Verbot als Konsequenz der Mordserie kritisch betrachtet:

"Hilflosigkeit macht sich mal wieder breit und schon geht die Forderung eines NPD-Verbotes über die Lippen der offiziellen Vertreter demokratischer Parteien. In der Substanz kann ein solches Verbot nichts ändern. Die drei rechtsextremen Straftäter aus Zwickau standen der NPD nicht besonders nahe. Nun klar, die NPD hat zwar einen Einfluss auf die Szene, aber selbst wenn es sie nicht gäbe, hätten wir ein Problem. Illegalität schürt Gewalt. Die rechtsextremen Gewalttäter werden wohl kaum aufhören aktiv zu sein, wenn die NPD verboten würde. Ganz im Gegenteil. Das muss Politik endlich begreifen. Prävention durch Bildung und Aufklärung wäre der richtige Weg. Die Vermeidung dessen, dass Menschen sich von menschenverachtenden Ideologien fangen lassen. Damit verbinden wir auch die Forderung den Rechtsextremismus im Schulunterricht endlich in den Kontext mit der deutschen Geschichte zu stellen und die Gefahren dieser Ideologie im Lehrplan zu berücksichtigen."

Und die rechte Szene?

Auch wenn keine bedauernden Worte für die Opfer fallen - auf NPD nahen Blogs möchte dann doch niemand mit den Thüringer Neonazis in Verbindung gebracht werden. Stattdessen ergeht man sich in Verschwörungstheorien und bedauert die damit einhergehende angebliche Kriminalisierung der NPD. taz-Autor Paul Wrusch fasst zusammen:

"Auch in den Kommentaren ist man sich einig. Hier sollten "unpolitische Verbrecher zu Nationalisten gemacht werden", heißt es etwa. Der Verfassungsschutz wolle dem Volk eine rechte Terrorgefahr vorgaukeln. Es werde "mit drei Verbrechern systematisch und skrupellos gegen Rechts gehetzt". Im Neonazi-Forum thiazi.net wird seit vergangenem Donnerstag ebenfalls rege diskutiert. "Man kann sich sicher sein, dass die drei keinen Kontakt mehr zur ,rechten Szene' hatten", schreibt ein Kommentator. Auch hier wird der Verfassungsschutz als Drahtzieher gesehen, der dem Trio die Morde angelastet hat.
Auch an der Selbstmordtheorie zweifeln viele. "Es riecht verdammt nach Geheimdienst. Vielleicht aus dem Ruder gelaufene V-Leute", mutmaßt ein Kommentator, ein anderer stellt fest, dass alles "konstruiert und platziert" sei."  

Text: charlotte-haunhorst - Foto: dpa

  • teilen
  • schließen