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Ein Hoch auf die Webshops! Oder: Mein Bankrott im Internet
Einkaufen ist mir lieber als Yoga. Es schärft die Konzentration (wühlen nach dem besten Teil), belebt das Gedächtnis (mitrechnen, Rabattprozente abziehen), kann entspannend sein (Weingeschäft), aber auch richtig auslaugen (Ikea), und hinterher bin ich meistens so glücklich oder zumindest so müde, als wäre ich durchs Engadin gewandert.
Das Glück des Einkaufens rührt daher, dass langweiliges Geld in schöne Sachen umgetauscht wird. Die kann ich heim tragen, auspacken und neu haben. Ich bin mir dann selber etwas wert gewesen und der private Besitztumsschatz, den ich manisch anhäufe, ist wieder um ein Gelöt größer geworden. Toll! Ich kaufe also sehr gerne ein und zwar in allen Bereichen. Supermarkt stimuliert mich genauso wie Flohmarkt und Baumarkt, Schuhoutlet genauso wie Hemdenabteilung und Metzger. Kaufsüchtig, würden Fachärzte dazu sagen. Aber zu denen gehe ich nicht, denn die haben keine Schaufenster. Die drei großen Probleme bei so einer ambitionierten Kaufsucht sind Geld, Ort und Zeit. Von allen drei habe ich zu wenig. Ersteres ist ein persönliches Problem, für das es keine einfachen und zugleich legalen Lösungen gibt. Für die anderen beiden aber, hat das Internet Horizonte eröffnet, die ich mit meiner Kreditkarte abreite seit mein 14.4.-er Modem gegen DSL getauscht wurde. Seit die Webshop-Kultur so richtig floriert, komme ich mir damit zunehmend vor, wie ein Alkoholiker, der den Schlüsselbund für die Warenlager von !Jaques Weindepot" gefunden hat. War meine Shop-Revier davor doch weitgehend auf die Stadt und dort auf die mir bekannten Adressen beschränkt, bummle ich nun unbegrenzt, zwischen Sydney und Stockholm. Das ist, Globalisierung hin oder her, ziemlich toll. Zum Einkaufen in eine andere Metropole zu fliegen, war einst Spielerfrauen und Investmentbankern vorbehalten. Jetzt kann auch der kaufsüchtige Kleinredakteur von nebenan erst durch Harrods London und dann durch Saks Fifth Avenue spazieren und dort in den Sale-Angeboten wühlen. Das reicht mir völlig. Ich kaufe, nebenbei gesagt, bei diesen Adressen so gut wie nie etwas, denn es ist ja immer noch ein Batzen teurer, so ein Paket, wenn es über den Atlantik muss. Aber es beruhigt mich ungemein, dass ich es könnte! Dass ich den großen Sommer-Sale da wie dort nicht verpasst habe. Das andere örtliche Manko der echten Welt bestand immer darin, dass es viele Sachen einfach nicht gab. Die Jeansmarke, von der die schwedische Austauschstudentin schwärmt, dieser eine, bestimmte Teufel-Lautsprecher, der beim Kumpel immer so gut klingt, oder die Zillidjan-Schlagzeugsticks… . Früher, ja wie hätte man das früher gemacht? In den Gelben Seiten geblättert, um herauszufinden, dass es im Gewerbegebiet Nord einen HiFi-Spezialisten gibt, der vielleicht auch Teufel-Boxen hat? Mit viermal Umsteigen zu „Drums Alex“ gefahren, um dann festzustellen, dass er gerade Mittagspause macht? Man musste jedenfalls entweder Mühe auf sich oder mit Einschränkungen Vorlieb nehmen. Heute brauche ich für beide Einkäufe zehn Minuten, kriege aus Flensburg die Schlagzeugsticks in den Briefkasten und irgendwo aus Thüringen die Boxen vor die Tür gestellt, die ich vorher noch durch den Preisvergleich laufen ließ – ob das jetzt seelenlos ist oder nicht: es ist gutes Einkaufen und es macht mir leider genauso viel Spaß, wie bei „Drums Alex“.( Mit dem man ja auch nicht so viel Mitleid haben muss. Wenn er einigermaßen auf Zack ist, hat er einen kleinen Webshop und schickt Schlagzeugsticks zu einem Kaufsüchtigen nach Flensburg). Damit sind wir schon beim Faktor Zeit – um so vielfältig einzukaufen, wie es das Web zulässt, sowohl was die Preise als auch die Produkte angeht, bräuchte ich ein Jahr lang (bezahlten!) Urlaub. Überhaupt wäre ich dank der Tatsache, dass ich durchschnittlich um sieben Uhr Abends meinen Arbeitsplatz verlasse, morgens den Check-Out aus dem Bett bis aufs Äußerste ausreize und das Wochenende für Kassenschlangen zu schade finde, ohne Webshops ein ziemlich schlechter Konsument. Die Ladenschlusszeiten in Bayern lassen mir, und in meiner Wahrnehmung ziemlich vielen anderen, nur eine hektische halbe Stunde im Supermarkt, die das Überleben sichert, bei der die Lust am Geldausgeben aber zu kurz kommt. Und wie genussvoll ist dagegen Shop-Surfen um kurz nach Mitternacht, im Zuge dessen ich sogar einmal einen monströsen Gasherd mittles Mausklick und ohne Bänderdehnung in den Einkaufskorb hievte. Er stand eine Woche später mit einem LKW vor der Tür, wurde mir in die Küche geschleppt und – es war gut. Der Kauf war exklusiv, einfach und effizient. Natürlich haben auch Leute recht, die den Kauf von Mensch zu Mensch, das gute Beratungsgespräch und den sofortige Warenempfang höher schätzen. Sollen sie. Ich habe mir das längst abgewöhnt, habe maximale Kauflust mit Komfort und Kitzel im Internet. Ich kaufe weiterhin bei kleinen Geschäften und unterstützenswerten Initiativen ein – nur eben nicht mehr ausschließlich bei denen in meiner Nachbarschaft. Und weil ich beim Kaufen sitzen und ein Bier trinken kann, in Ruhe vergleiche und stundenlang entscheide, gebe ich eher mehr Geld aus, als in einer klassischen „Kann ich Ihnen helfen?“- Ladensituation. Außerdem kriege ich gerne Pakte. Damit sind wir beim nächsten: Plastiktüten kriege ich nämlich überhaupt nicht gerne. Ich finde es hässlich, wenn ich mit welchen durch die Stadt rennen muss. Wofür zieht man sich irgendwie an, denkt über Taschen und andere Anhänger nach, um sich dann doch mit bunten PVC-Planen eindecken zu lassen? Ist man ein Spezialmensch mit Ladefläche? Nein! Außerdem schlackern Plastiktüten, schneiden in die Hand und Zuhause sind sie zu klein, um als Mülltüte zu dienen, machen ebendiese aber im Gegenzug gleich wieder voll. Was gleich zu mir ins Haus geliefert wird, schmeichelt mir, denn das ist dann wie früher und ein wenig Luxus. Allerdings nur, wenn es klappt. Mir sind Leute bekannt, die seit vier Woche versuchen, ein Päckchen in Empfang zu nehmen, das sie wegen Berufstätigkeit immer wieder verfehlt hatte und schließlich bei einer grausam entlegenen Postfiliale eingelagert wurde, deren Öffnungszeiten abermals mit der Vollbeschäftigung des Adressaten kollidierten und schließlich dazu führten, dass das Päckchen zurück und der Nicht-Empfänger in die Therapie geliefert wurden. Mit den Webshops ist also auch die Versand-Kultur wieder enorm aufgefrischt worden (die hatte gemeinsam mit den Quelle-Katalogen etwas Staub angesetzt). Erster Nutznießer ist die Post und an ihr ist es jetzt auch, Lösungen für die glückliche Empfängnis anzubieten. Die Packstations sind dabei sicher noch nicht die letzte Weisheit. Versand muss billiger und reibungsloser werden, dann steht der Herrschaft der Webshops nichts mehr im Wege. Und meinem persönlichen Bankrott auch nicht. Für Nachahmer: Hier ein paar meiner Lieblingsshops