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Easy Blogging: Eindrücke von der Bloggerkonferenz „Re:Publica“

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Easy. Alles wirkt so easy. Die Leute. Die Technik. Die Veranstaltungen. Die Atmosphäre. Okay, die Sonne scheint, es ist warm, der Frühling hat endlich auch Berlin erreicht. Das macht vieles leichter, aber nicht alles. Denn dass in den Konferenzräumen, in die die Sonne nur hier und da vordringt, eine andere Art von Frühling zu spüren ist, liegt an Re:Publica selbst. An den Bloggern, über 700 sollen es nach Auskunft der Veranstalter sein. Und an den zahlreichen Referenten und Podiumsdikutanten, seien sie nun Abgesandte eines Schwarms des Social Networking oder einfach nur Einzelkämpfer-Blogger. Themen. Hier wird alles diskutiert, was im Netz interessiert. Eine Veranstaltung zur „Zukunft von Wikipedia “ füllt den Hauptsaal genauso wie Fragen nach drohenden juristischen Problemen beim Bloggen oder eine Debatte zur „Medien(r)evolution“. Auch die kleineren Säle sind voll, egal ob es um „Web 2.0. im Unternehmenseinsatz“ oder um Felix Schwenzels Online-Bilderparade geht, um Bilder aus dem Netz also, denen die Besucher passende Titel verpassen sollen. Die Debatten sind intensiv, aber nicht verbissen, leidenschaftlich, aber undogmatisch. Es gibt viele Nachfragen. Spezialistentum trifft auf Allgemeinverstand und umgekehrt. Doch die Vermittlung klappt. Alles easy eben.

Meike Richter Bloggerin. Meike Richter, Betreiberin von Commonspage.net hat einen Vortrag über „freie Filme“ gehalten, wäre aber auch ohne diese Einladung gekommen. „Leute treffen, gute Gespräche führen, was lernen“, gibt sie als Gründe an. - „Was nimmst du vom Kongress mit?“ – „Interessant fand ich vor allem die Debatten über Blogger-Ethik. Darüber werde ich nun nachdenken. Auch die Diskussion über die Vermarktung von und Werbung in Blogs war spannend. Wobei ich solche Begriffe wie ,Ausverkauf’ ziemlich aufgeblasen finde.“ Es sind deutlich mehr Männer als Frauen zum Kongress gekommen, das Verhältnis liegt bei etwa zwei Dritteln zu einem Drittel. Live. Hohes Tempo hier. Veranstaltung folgt auf Veranstaltung. Jeder vierte Konferenzteilnehmer hat seinen Laptop dabei. Und wiederum jeder Vierte von ihnen bloggt live. Udo Vetter, Düsseldorfer Rechtsanwalt und Betreiber des Law Blog , referiert auf dem Podium über den Urheberschutz. Zwei Minuten später stehen die Kernaussagen seiner Ausführungen in einem der abertausenden deutschsprachigen Weblogs. Manche schaffen die Wiedergabe auch in 30 Sekunden. Die klassischen Medien können nicht mithalten. Was der Reporter einer gedruckten Zeitung heute schreibt, wird erst morgen gedruckt. Dann ist es schon längst alter Käse. Selbst die Onlinemedien haben Probleme mitzuhalten. Live-Blogging. Schreib schneller als dein Schatten. Momentaufnahmen. Aktualitätsfetzen. Irres und Banales. Zumindest das Banale liest morgen kein Mensch mehr. Dann kommen doch wieder die konventionellen Medien ins Spiel.

Markus Beckedahl Macher. Markus Beckedahl, Kongress-Mitveranstalter, Blogger auf Netzpolitik.org und ehemaliger Blogstipendiat von jetzt.de, hatte in seinen „optimistischsten Träumen“ mit maximal 400 Teilnehmern gerechnet. Nun sind es fast doppelt so viele, „die sich auch mal offline kennen lernen und vernetzen“. In nur vier Monaten Vorbereitungszeit haben im engeren Kreis 15 bis 20, im weiteren Kreis rund 60 Leute „Re:Publica“ organisiert. – „Was begeistert dich besonders?“ – „Vor allem die Atmosphäre, nach dem ganzen Vorbereitungsstress ist das hier Entspannung pur.“ Technik. Klar: WLAN. Natürlich: Alles vernetzt. Selbstverständlich: freier Zugang zu diversen Terminals. Dazu auch sichere Verbindungen. Unterstützt von Sun, Google, IBM u.a. Was soll da schief gehen? Ein Journalist am Nachbarrechner stutzt. Gestern hat er was in die Zwischenablage kopiert, heute ist es immer noch da. „Das hätte sich ja jeder ansehen können“, sagt er und füllt die Zwischenablage mit Müll, der seinen Text verschwinden lässt. Sicherheitsprobleme sehen anders aus: „Was ich hier in den paar Stunden bereits an POP3-Passwörtern aus dem Netz gefischt habe ist unglaublich“, schreibt Tom Pritlove in der Konferenz-Zeitung. Ist das jetzt ernst oder ironisch gemeint? Bei Bloggern weiß man ja nie. Multimedia. Im Hauptsaal beeindruckt die SMS-Wand. Du schickst eine Kurznachricht und Sekunden später ist sie dort sichtbar: Die Betreiber des Hauptstadtblogs wollen sich in der Mittagspause mit dem Würzblogger treffen, es gibt SMS-Kurzdiskussionen über E-Identität und Wahlcomputer, kommerzielle Anbieter klinken sich ein und werben für ihre Mobile-Dienste, ein Veranstalter smst, dass sie das lassen sollen oder zur Kasse gebeten werden. Und natürlich lassen auch jene nicht auf sich warten, die ansonsten Blogs und Foren überschwemmen – die Trolle . Auch sie können ja smsen.

Holm Friebe Harmonie 2.0 Holm Friebe, Autor des Buches „Wir nennen es Arbeit“ und Blogger bei Riesenmaschine.de, hatte erwartet „zu sehen, dass es bestimmte Leute real gibt und nicht nur im Netz“. – „Was verbindest du mit Re:Publica?“ - „Das Gefühl, dass es auch in Deutschland mit dem Bloggen endlich so richtig losgeht“. Andere Länder seien viel weiter, bei der Konferenz handele es sich um „einen Kick off, an den man sich später erinnern wird. Man wird dann sagen: ,Weißt du noch, damals waren nur 700 Leute da.’“ – „Wurden deine Erwartungen erfüllt?“ – „Übererfüllt, kaum etwas stört hier, alles ist sehr familiär mit einer fast schon erdrückenden Harmonie. Aber wohl dosiert lässt sich das gut aushalten.“ Re:Publica. Das war „Re:Publica“. Die Konferenz geht zu Ende, man muss noch aufräumen, ein paar Partys stehen noch aus. Blogger sind nicht nur kommunikativ, sondern auch trinkfest, wie man hier oft hört. Alle wirken zufrieden, entspannt, immer noch ist alles easy. Man hat was gelernt, man hat sich gut unterhalten, man hat mit Menschen gesprochen statt mit Avataren, man hat gemerkt, dass es offline eigentlich auch recht schön sein kann. „Nächstes Jahr soll es eine „Re:Publica 08“ geben“, sagt Markus Beckedahl. Fehlt noch was? Ja, viel. Aber das findet sich alles in den Blogs selbst, nur ein paar Klicks entfernt, in der Blogosphäre. Fotos: Maik Söhler

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