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Dunkle Wälder, Pop-Hymnen und eine Rock-Abfahrt

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Jede Woche stellen wir an dieser Stelle einige CDs vor, die diese Woche erscheinen. Nicht unbedingt die besten, nicht unbedingt die schlechtesten - sondern einfach die, die wir erwähnenswert finden.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Foto: www.saint.etienne.net Saint Etienne – Tales From Turnpike House (Sancutary) Malcolm Middleton – Into The Woods (Chemikal Underground) Mayday – Bushido Karaoke (Saddle Creek) The Cribs – The New Fellas (Wichita) Carsten Meyer – Keil Stouncil à Paris ( Staatsakt) Jetzt wollen sie’s aber noch mal wissen, die Plattenfirmen. Von Sommerloch keine Spur und die Krise der Musikindustrie kann auch nicht so schlimm sein. Die Auswahl aus dem riesigen CD-Stapel fällt diese Woche denn auch ziemlich schwer. Zuerst die sonnigste Platte: „Tales from Turnpike House“ von Saint Etienne. Musik für das Sonntagmorgen-Frühstück auf dem Balkon, für eine After Work-Party mit Menschen, die mit einem „lalala“ auf den Lippen tanzen. Das trifft es zwar, aber mit diesen Klischees tut man Saint Etienne unrecht. Die drei Engländer gehören zu den Guten. Sie zeigen, wie schön Pop sein kann und erzählen gerade nicht von den Wallpaper-Coolen und den Nachtschwärmern der Londoner Clubs. Sie schreiben Elektro-Pop-Dramen, in denen Geschichten vom Leben in einer Hochhaussiedlung in East London erzählt werden. In Milch aufgeweichte Cornflakes und das allmorgendliche Rennen nach dem Bus in die Stadt. „Das nennst du Leben“, singt Sarah Cracknell in „Relocate“. Eine Platte darüber, dass wir auf Vieles in unserem Leben keinen Einfluss mehr haben. Mit Disco-Hymnen, auf die Kylie Minogue neidisch wäre, mit Pop-Hits, die so vollkommen klingen, dass es einem vor lauter glatter Fassade manchmal unheimlich wird. Aber da gibt es ja noch was dahinter. Auch bei Malcolm Middleton versteckt sich hinter der eher fröhlichen Fassade der Songs etwas ganz anderes: selbstzerstörerische, emotionale Abgründe. Malcolm Middleton ist eine Hälfte der Langsamband Arab Strap und zwar die, die sich lange hinter der Gitarre versteckt hat und versucht hat, unsichtbar zu sein. Vor 3 Jahren hat er seine Schüchternheit überwunden und ein düsteres Solo-Album aufgenommen mit dem unmöglichen Titel „5:14 fluoxytine seagull alcohol john nicotine“. Er sang über Einsamkeit, Liebe, Einsamkeit, Selbstzweifel und noch mal Einsamkeit und dichtete Zeilen wie diese: “I’m so lonely, I’m gonna crash my car into company.” Bei den Texten hat sich nicht viel geändert („Woke up again today, realized I hate myself, my face is a disease“), doch die Musik ist poppiger geworden. Die Platte soll Spaß machen, kein vertonter Albtraum sein, so Middleton. Es ist "Indie at its best" geworden. Himmlisch schön, mit Gitarren-Geschrammel, Geigen und Piano und trotz aller Düsternis eine sehr tröstliche, dem Gemüt wohltuende Platte. Von Todessehnsucht nun zu einem Album, das sich gleich ganz für romantische Balladen aus dem Jenseits entschieden hat: "Bushido Karaoke“ von Mayday. „Bushido“ ist der Ehrenkodex des japanischen Militäradels und Karaoke, na ja, das kennen wir ja alle, und heißt eigentlich leeres Orchester. Was dieses japanische Kulturgut mit der Musik von Tod Stevens, dem Kopf des Musikerkollektivs aus Omaha, Nebraska, zu tun hat, bleibt einem allerdings rätselhaft. Die Stücke klingen eher ur-amerikanisch: nach Blues, Country, American Old-Time Music und den bekannten Saddle-Creek-Hymnen mit Texten über Tod, Zerstückelung, Drogen und Gier. Über Country heißt es: „wenn man eine Country-Platte rückwärts hört, kommt erst der Hund, dann das Haus und zum Schluss die Frau wieder zurück.“ Mit solch diesseitigen Problemen gibt sich Tod Stevens erst gar nicht ab. Er steht an den Pforten der Hölle, in den Höhlen der Vergangenheit oder liegt auf dem Schafott. Ziemlich mythologisch, morbid und obsessiv das Ganze also, was manchmal ein bisschen nervt, aber oft auch sehr beschwingt und fröhlich daherkommt mit Pauken und Trompeten und mehrstimmigem Gesang. Nach Depression und Jenseits, jetzt mal wieder was Lebensbejahendes: „The New Fellas“, das zweite Album von The Cribs. The Cribs zählen auch zu jenem nicht mehr gerade kleinen Kreis von Bands, die als Franz Ferdinand-Erben gehandelt werden. Aber im Gegensatz zu manch anderer Band, wurden die Gebrüder Jarman nicht schon nach der ersten Single gehypt, sondern erspielten sich ihre Bekanntheit mit 300 Konzerten pro Jahr (siehe Interview auf der jetzt.de-Zeitungsseite). Und irgendwie bilde ich mir ein, man könnte das hören auf ihrem zweiten Album, auf dem sie elf in Tempo, Stimmung und Musikstil variierende Hits versammelt haben. Es ist nicht nur die reine Rock-Abfahrt, die einem hier geboten wird, sondern mehr: manchmal mischt sich eine Prise Melancholie in die Unbeschwertheit, mal taucht ein Klavier auf und führt einen in eine verrauchte Bar in den Sechzigern. Vorgetragen von Ryan Jarman mit so wunderbar nölender Stimme, wie man es lange nicht mehr gehört hat und mit schönen „OhOhOh“- und „Wowoh-Chören, die einfach nur super sind (keine Ahnung warum eigentlich, aber es hört sich nett an). Auch sehr sommertauglich diese Platte. Für Träumereien zu jeder Jahreszeit eignet sich das neuste Werk von Carsten Meyer alias Erobique alias Ein Drittel von International Pony. Man schreckt angesichts des Covers und der Songtitel erst kurz zurück: starke „Der kleine Prinz“-Ästhetik mit einem gezeichneten Quartier Latin und darüber schwebend ein Bettchen mit dem Protagonisten der Platte: der kleine, süße Keil Stouncil, der sich in 17 skizzenhaften Etappen durch seine Welt träumt, die Titel tragen wie „Mit Lupus durch den Wald“, „Treffpunkt Bruxelles-Midi“ oder „Aufgewacht in Miniatur-Europa“. „Die fabelhafte Welt der Amélie“ lässt grüßen (Yann Tiersens neue Platte „Les Retrouvailles“ erscheint übrigens auch heute). Musikalisch erinnert „Keil Stouncil à Paris“ aber mehr an Ennio Morricone, Brian Eno und an die Beach Boys als an den Franzosen. Eine sehr unaufdringliche Instrumentalplatte, die Ruhe, Gelassenheit und Zufriedenheit verbreitet. So was wie der Soundtrack zu einem perfekten Tag. Außerdem erscheinen diese Woche: The Robocop Kraus – They think they are the Robocop Kraus (L’Age D’Or) “You don’t have to shout”, singen die fünf Peter Kraus-Fans aus Franken auf ihrem vierten Album und man möchte ihnen entgegen schreien: von wegen! Man muss diesen Refrain einfach mitsingen. Die Anzüge haben sie zwar ausgezogen und gegen casual wear eingetauscht, die Mischung aus Punk-Gitarren, Mitsing-Refrains und Synthie-Sounds haben sie aber beibehalten und perfektioniert. Manchmal klingt es aber etwas zu ambitioniert, da wäre mir die Gerade-Heraus-Rocknummer fast lieber. Produziert wurde das Album übrigens von Pelle Gunnerfeld (The Hives). Ida – Heart like a river (Polyvinyl Record) Über zehn Jahre und sechs Alben alt sind Ida aus New York schon, aber sie standen immer ein wenig im Schatten ihrer befreundeten Kollegen Low. Schade eigentlich, denn der Folk-Country mit den warmen Stimmen, dem schlichten Gesang und den simplen Harmonien ist wirklich schön. Bantu feat. Ayuba - Fuji Satisfaction (Piranha Musik) Ein neues Werk des Deutsch-Nigerianers und „Brothers Keepers“-Rapper Adé Bantu, der mit seiner Band „Weep not Child“ zu den HipHop-Pionieren in Deutschland zählte. Eine Mischung aus Nigerianischen Sounds und Rhythmen mit westlichen Gitarren und Rap, die Weltmusik-Klischees weit hinter sich lässt. Laura Cantrell - Humming By The Flowered Vine (Matador) Urbaner Neo-Country zwischen Eleni Mandell und Lucinda Williams. Schön, aber irgendwie auch ein bisschen sehr glatt. The Smart Club – Indie Disco Galore! (Panatomic) Eine Compilation, die alles, was in Sachen Indie-Gitarren-Musik Rang und Namen hat, auf einer Platte vereint. Bloc Party, Mando Diao, The Cribs, Ian Brown, Timid Tiger u.v.a. Billy Corgan – The Future Embrace (Warner) The Tears – Here come the tears (V2) Jamiroquai – Dynamite (SonyBMG) 2raumwohnung – Melancholisch schön (SonyBMG)

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