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Dunkelgrüner Oma-Schock: Unterwegs mit Harry, dem Bestattungswagen

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Der Einzige, der uns ein anerkennendes Lächeln schenkt, ist ein breitbeiniges Rocker-Urgestein mit Harley-Davidson-T-Shirt. „Dass die Reaktionen der Leute so krass ausfallen, hätte ich mir nicht gedacht. Für mich ist das einfach ein schönes altes Auto, ein Kombi. Sehr praktisch.“ Ruths kürzlich erworbener Beitrag zur Klimaerwärmung erhitzt die Gemüter: Es ist ein 35 Jahre alter italienischer Leichenwagen von Mercedes-Benz, genannt „Harry the Hearse“. Zwei Sitzplätze, die Sargschienen sind mit Sperrholz überbaut, das will sie noch ändern, ebenso wie die Farbe. Dunkelgrün mit der Firmenaufschrift „Pezzini“ – das ist doch ein wenig nahe an der ursprünglichen Verwendung.

jetzt-Mitarbeiterin Eva mit Harry Ruth nimmt mich mit. Durch die Stadt, dann an den See. Nach den ersten hundert Metern möchte ich mich im wonnig tiefen Fußraum verstecken, denn es nicht nur so, dass uns sämtliche Passanten unter 60 erstaunt und alle über 60 mit blankem Horror in den Augen begaffen, sondern zusätzlich zur schockierenden Optik des Gefährts ist es auch noch laut wie die Hölle. Der uralte Motor hat zwar seit einer Woche TÜV, röhrt und rattert aber wie ein Unimog. „Naja, ich tanke Normal, aber ab und zu muss man noch einen Zusatz reintun. Blei.“ Ruth lacht und rutscht die Sonnenbrille zurecht. Sie ist glücklich, denn sie spart sogar Benzin: Ihr alter 260 SE ,"das Schiff“, brauchte stolze 12 Liter. Die „Leiche“, wie sie unter Freunden morbider Schlitten gerufen wird, liegt immerhin zwei Liter darunter. Ansonsten ist das Beifahrergefühl recht angenehm: Mir kommt überhaupt nie der Gedanke, dass da schräg hinter mir mal ganz schlimme Sachen unterwegs waren. Harrys Sargraum lässt sich nur unter akuter Gefahr des Extremitätenabhackens öffnen, aber man kann darin ein gemütliches Sit-In veranstalten. „Hab ich eigentlich für den Hund gekauft.“ OK, der Hund ist eine Dogge und wiegt 80 Kilo, das mag tatsächlich ein Grund sein. Die brüchigen Ledersitze vibrieren über die Autobahn. Rechts und links – vor allem links – starren aus dem Urlaub heimkehrende Familien. Sie sind bestimmt neidisch auf unseren Sargraum, denn ihre Kofferräume platzen fast. Der See ist nahe. Als ich mein Schamgefühl langsam überwunden habe und beginne, den Takt des Motorenknatterns auf dem sonnigen Kurbelfenster nachzuklopfen, verfahren wir uns auf dem Weg zum Ufer und kommen laut röhrend an drei Altenheimen in Folge vorbei. Die Greise, die gerade eben noch wohlgelaunt im Garten saßen, halten die Luft an und beginnen, vor Schreck still vom Hocker zu rutschen. Mist. Aber man könnte sich dran gewöhnen.

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