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"Du bist tot, das haben wir früher auch gesagt!"

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Während in der großen Halle nebenan gerade die Elite der deutschen Computerspieler eintrifft, ist Herr Bachem in einer Ecke der Counter-Strike-Map „Dust“ hängen geblieben. Sein Counter-Terrorist bewegt sich weder vor noch zurück. Er zuckt nur noch. Herr Bachem scheint trotzdem nicht die Geduld verloren zu haben, ebenso wenig den Spaß. Man könnte das für bemerkenswert halten, denn Herr Bachem ist 72. Die ESL, die Electronic Sports League, hat ihn und andere Pädagogen und Eltern nach Köln eingeladen zu einer LAN-Party. Zu einer „Eltern-LAN“, wie es in der Ankündigung heißt. Das Wort Party wäre zugegebenermaßen auch nicht ganz treffend gewesen, dafür liegt der Termin zu früh. Am Abend und das restliche Wochenende lang soll dafür in der großen Halle so etwas wie eine Party steigen: Die ESL Finals werden ausgetragen, in den Disziplinen /Counter-Strike/, Counter-Strike: Source, FIFA 08 und Warcraft III. Mehrere tausend Zuschauer kommen. Hinter der ESL steht die Kölner Firma Turtle Entertainment, der „Marktführer im elektronischen Sport in Europa“. Für die Eltern-LAN lässt sich die Firma von einer ganzen Reihe von Vereinen und Institutionen unterstützen, unter anderem vom Spielraum-Institut der FH Köln und dem Computerprojekt Köln e.V. Wir sind nicht unseriös, ruft die Liste der Beteiligtem dem Interessierten entgegen. Computerspiele und Eltern, das ist eine heikle Angelegenheit. Die Eltern-LAN solle „eine Brücke zwischen den Generationen“ schlagen, kann man der zugehörigen Broschüre entnehmen. Die noble Idee dahinter: Wenn die Eltern das Medium, das sie verteufeln, nur einmal kennen lernen würden, sähen sie alles gleich gelassener. Der Morgen beginnt mit einer kurzen Einführung in die Welt der Computerspiele, von Pong bis World of Warcraft, anschließend stehen ein paar Runden Trackmania forever auf dem Programm, ein einfaches Rennspiel, das man kostenlos im Internet herunterladen kann. Erstes Herantasten im Nichtschwimmerbecken, vom Kursleiter begleitet. Vor den High-End-Notebooks sitzt, zwischen den Pressevertretern der beteiligten Organisation, eine Handvoll Erziehungsberechtigter und Lehrer. Einer von ihnen weiß nicht, wie man Trackmania beendet und drückt stattdessen die Hupe, aber der Kursleiter lässt sich nicht irritieren: Er ist bereits zum nächsten Punkt der Tagesordnung übergegangen. Das große Becken. Counter-Strike. Der Shooter ist immer noch eines der beliebtesten Computerspiele überhaupt, im deutschen eSport sowieso. Um Kontaktängste abzubauen, hat man Spieler aus dem Clan Oldie Fighters gebeten, eine Runde vorzuführen: freundliche Männer, auf die Fünfzig zugehend, die Brille an einer Kette um den Hals baumelnd und einen Bauchansatz vor sich hertragend, über den sich das Polohemd von Turtle Entertainment spannt. Mit einem Schlag sind die anwesenden Spieler in den Bann ihrer Leidenschaft geraten. Es wird gelacht. Es wird gescherzt. Es wird gefachsimpelt. Die Nichtspieler stehen eher verständnislos daneben.

Bild von einer LAN-Party in Bremen. Nichtspieler? Der Vergleich der Eltern-LAN mit dem Schwimmunterricht ist nicht nur stilistisch fragwürdig, er ist auch falsch. Im Schwimmunterricht lernt man tatsächlich schwimmen. Computerspielen gehört aber, wie Flirten oder Glücklichsein, zu der Art von Tätigkeiten, die man auch nach noch so vielen Stunden an der Volkshochschule nicht besser beherrscht als vorher. Natürlich soll das auch nicht das Ziel der Eltern-LAN sein. Trotzdem ist es schwierig, dieser Tatsache ins Auge zu blicken, wenn man daran denkt, dass weder Fortschritt noch Älterwerden irgendjemanden verschonen. Die beiden machen keine Gefangenen. Irgendwann kann ein Kursangebot dann das einzige sein, was einem bleibt, möchte man den Fuß nicht ganz aus der Tür zur neuen Welt nehmen. Mittlerweile kann Herr Bachem sich wieder bewegen und schießt sich weiter den Weg frei. Neben ihm sitzt Frau Nemetz. Sie ist fast 20 Jahre jünger, aber nicht ganz so bei der Sache. Sie weiß nicht recht, was sie tun soll – Herr Bachem weiß das vielleicht auch nicht, aber er tut es mit mehr Elan. Es sei ein bisschen wie Klavierspielen, sagt er nachher. Und das Schießen, die Gewalt, zu der sich seine Nachbarin nicht überwinden konnte, wie war das? Früher, sagt Herr Bachem, habe er das auch schrecklich gefunden, wenn er davon gehört habe. Aber jetzt sieht er es eher so, dass es nichts anderes sei als Räuber und Gendarme, das sie als Kinder gespielt haben. „Du bist tot“, das hätten sie da auch gesagt. Zuhause wird er sich aber eher das Rennspiel noch einmal vornehmen. Solche Aussagen hören die Spielehersteller natürlich gerne, aber was Herr Bachem sagt, gibt den Eindruck tatsächlich ganz gut wieder, den man auf der Eltern-LAN bekommt. Die alte Rechtfertigung der Spieler, bei Counter-Strike ginge es nicht um Brutalität, sondern um Strategie, scheint zu stimmen, jedenfalls hier, für die Spieler, die den eSport ernst nehmen, als Hobby oder professionell. Ginge es nicht um Taktik, warum sollte man sich dann für Counter-Strike interessieren, ein so völlig leeres, entsemantisiertes Spiel ohne jeden anderen Reiz? Für Pong 2.0? Nils Bader ist einer der vielen Organisatoren der Eltern-LAN. Er arbeitet für die Berliner outermedia GmbH und betreut für die Bundeszentrale für politische Bildung spielbar.de, eine Internetseite, die bewertet, für welche Altersgruppen Computerspiele geeignet sind. Bader spricht etwas hektisch, aber zum Glück ohne die üblichen Pressesprecherfloskeln: „Es gibt auf der einen Seite Leute wie Professor Pfeiffer“ – den niedersächsischen Kriminologen, der sich dem Kampf gegen Killerspiele verschrieben hat – „und auf der anderen Seite die, die sagen: Wenn man nicht 30.000 Leute erschossen hat, hat man kein dreidimensionales Vorstellungsvermögen. Die Eltern-LAN soll zeigen, dass es auch noch eine Position dazwischen geben kann.“ Es seien aber auch schon Leute da gewesen, die am Anfang gesagt hätten, diese Gewalt, das würde sie abschrecken. Und die sich am Ende darüber amüsiert haben, bei San Andreas jemanden zum fünften Mal hintereinander zu überfahren. Was die Eltern-LAN aber nicht sein soll, sagt Bader, ist Werbung für die Spielehersteller. Ob es wirklich keine Werbung ist, ist schwer zu beurteilen, zwischen all den Werbebannern, die für die ESL Finals aufgestellt wurden. Im Anschluss an die praktischen Übungen gibt es ein nachbereitendes Gespräch, an dem Journalisten nicht teilnehmen dürfen. Setzt man sich dann für ein paar Minuten vor die große Bühne, hört den Moderatoren zu und schaut sich das Counter-Strike-Match an, das gerade ausgetragen wird, stellt sich das beeindruckende Gefühl ein, den Fuß selbst schon lange nicht mehr in der Tür zu haben.

Text: lars-weisbrod - Foto: ap

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