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"Don't give money to Haiti!"
Tue Gutes. Aber niemals unüberlegt. Im Blog des amerikanischen Nachrichtendienstes Reuters schreibt Felix Salmon absichtlich provokant: „Don´t give money to Haiti“. Er behauptet, dass unter den vielen Problemen, die es im völlig zerstörten Haiti momentan gebe, fehlendes Geld nicht das Dringendste sei. Salmon schreibt, dass die Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“ allein in den vergangenen drei Tagen so viel Geld für ihren Einsatz auf Haiti gespendet bekommen hätte, dass es vermutlich für die nächsten zehn Jahre reichen würde. Er verweist auf die Homepage der Ärzte ohne Grenzen, auf der die Organisation ihre Spender dazu aufruft, Geldbeträge doch bitte „zweckungebunden“ zu überweisen. Dort heißt es unter anderem: „Dank Ihrer Großzügigkeit sind wir in der Lage, Menschen in Not schnell und effektiv zu helfen. Deshalb ist Ihre Spende am wirkungsvollsten, wenn sie frei verwendbar und nicht an einen bestimmten Zweck gebunden ist. Damit schenken Sie uns das Vertrauen, die Spende dort einzusetzen, wo Menschen unsere Hilfe am dringendsten benötigen. Die dadurch geschaffene Flexibilität hat es uns beispielsweise ermöglicht, auf die Katastrophe in Haiti ohne Verzug zu reagieren.“
Tatsächlich tritt bei vielen Spenden folgendes Problem auf: Bekommt eine Hilfsorganisation zum Beispiel 20 Euro unter dem Stichwort „Hilfe für Haiti“ gespendet, so darf sie das Geld auch nur für Hilfe in Haiti ausgeben. Blogger Felix Salmon verweist auf die 3,21 Milliarden Dollar, die das Rote Kreuz nach dem Tsunami von 2004 von Spendern eingesammelt hatte. Von der Summe konnten angeblich nur 83 Prozent überhaupt verwendet werden. Beim Deutschen Roten Kreuz schüttelt man darüber den Kopf. Nach Angaben von Katja Aßmann, Leiterin Marketing & Fundraising beim DRK-Generalsekretariat, lagern zumindest auf deutschen Rot Kreuz-Konten keine übrigen Tsunami-Gelder. Zudem relativiert sie Salmons Provokation: "Die Spenden müssen ja auch nicht rein in Nothilfe laufen, sondern können langfristig für die Aufbauarbeit verwendet werden." Dennoch empfiehlt Aßmann Spenden, die nicht an einen Ort gebunden sind. „Für Haiti gib es jetzt viel Unterstützung, aber wir haben viele Projekte in Asien und Afrika, die permanent an Unteraufmerksamkeit leiden.“ Von dem bisher gespendeten Geld wird in diesen Tagen auf Haiti ein großes DRK-Feldkrankenhaus errichtet. Ein Team aus 100 DRK-Helfern wird sich dort unter Zeltdächern und in aufblasbaren OP-Sälen um einen Teil der insgesamt 250.000 Erdbebenopfer kümmern können.
Katja Aßmann vom DRK
Katja Aßmann erzählt auch von vielen Freiwilligen, die sich beim Roten Kreuz als Helfer für Haiti bewerben. „Ich kann das gut verstehen,“ sagt sie, „aber Tatsache ist, dass diese Leute den professionellen Helfern eher im Weg stehen.“ Der beste Weg, Hilfe zu leisten, sei eben doch die Spende.
Eine sehr gute Liste mit den DOs and DONTs of disaster donations hat Saundra Schimmelpfennig auf ihrem Blog „Good Intentions are not enough“ verfasst. Unter anderem warnt sie davor, in Projekte zu investieren, die vordergründig sexy erscheinen. In Waisenhäuser zum Beispiel. In Indonesien zum Beispiel würde es mittlerweile so viele Waisenhäuser geben, dass Familien ihre Kinder dort freiwillig abgeben, wenn sie sie nicht mehr ernähren können. Viel sinnvoller wäre es, Spendengelder in die Verbesserung der Lebensmittelversorgung oder in so banale Dinge wie Infrastruktur zu stecken. Außerdem rät Schimmelpfennig, die Qualität einer Hilfsorganisation nicht am Prozentsatz zu messen, der von den Spenden in die Verwaltungskosten fließt. Ein oft empfohlener Trick, der aber leicht zu falschen Schlüssen führen könne. Sicherer ist die Empfehlung, die zum Beispiel die meisten deutschen Hilfsorganisationen aussprechen: Am besten an Organisationen spenden, die schon vor dem Erdbeben in Haiti aktiv waren. Das trifft in Deutschland zum Beispiel auf das Deutsche Rote Kreuz, die Welthungerhilfe und die Ärzte ohne Grenzen zu. Wer Vertrauen zu einer Hilfsorganistation hat, spendet am besten zweckungebunden.
Wer weitere vertrauenswürdige Hilfsorganistationen sucht, findet auf der Homepage des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI) eine Liste von Organisationen, die zu Spenden für die Opfer des Erdbebens aufrufen und das DZI-Spendensiegel als Zeichen besonderer Förderungswürdigkeit tragen. Viele dieser Organisationen haben sich auch im Bündnis Aktion Deutschland Hilft zusammengeschlossen. Wer will, kann aber auch sein eigenes Bündnis gründen und auf seiner Homepage Spenden unter Usern und Followern sammeln. Möglich macht das Helpedia. Die Spreeblick-Blogger haben auf diese Weise mit ihrer Aktion Rettungsanker schon knapp 25.000 Euro gesammelt.
Text: anna-kistner - Foto: dpa, oh