- • Startseite
- • Redaktionsblog
-
•
Dienstag, 15. April: Entschlüsselung des Erbguts
Das menschliche Erbgut ist entschlüsselt - das haben wir doch schon mal gelesen, denkt man. Ja, haben wir auch. Trotzdem haben gestern Regierungschefs und Forscher aus sechs Ländern (USA, Großbritannien, Japan, Frankreich, China und Deutschland) die Botschaft erneut verkündet. Der Unterschied zu früheren Meldungen ist nun: Das Erbgut ist wirklich entschlüsselt. Jedenfalls soweit, wie es mit der heute verfügbaren Technik möglich ist. 99 Prozent der verfügbaren menschlichen Gene kennen die Wissenschaftler nun - und zwar "mit einer Genauigkeit von weniger als einem Fehler auf 10.000 Gen-Bausteine, die durch die Buchstaben A, C, G und T symbolisiert werden", schreibt Holger Wormer heute in der Süddeutschen Zeitung. Ist das nun eine frohe Botschaft? Können wir nun bald alle Krankheiten heilen? Werden Menschen unendlich alt? Kennen wir nun das Leben? Haben die Forscher ihre Meldung mit Absicht in der Osterwoche verkündet, kurz bevor wir die Wiederauferstehung Jesu feiern? Es bleibt abzuwarten, ob die Menschen mit ihrem Wissen um ihre Gene nun Gutes oder Böses tun werden. Und wir müssen vorsichtig sein, was die Mächtigen dieser Welt mit ihrem Wissen anstellen werden. Leicht zu missbrauchen ist der Forscherwille allemal: In Island startete vor fünf Jahren ein Projekt der Firma DeCODE Genetics, mit dem Ziel alle Gendaten der isländischen Bevölkerung zu speichern. Kári Stefánsson heißt der Chef der Firma. Und der konnte damals seinen alten Schulfreunden David Oddsson zu dem Projekt überreden. Oddsson ist nämlich zufällig Regierungschef in Island. Warum Stefánsson überhaupt alle Daten speichern wollte: Die Inselbevölkerung Islands ist relativ isoliert, homogen und lebt schon seit Jahrhunderten zusammen auf der Insel. Kurz gesagt: Auf Island gab es in den vergangenen Jahrhunderten weniger Genmix als anderswo. Daher kann man wohl mit isländischen Gendaten gut forschen - und gut Geld verdienen. Große Pharmakonzerne gehören zu den Kunden von Stefánssons Firma. Und was ist mit dem Datenschutz? Ja, das fragen sich inzwischen auch manche Isländer und kritisieren die Gendatenbank. Und zum Glück inzwischen auch manche Großkonzerne der Pharmaindustrie. So hat sich zum Beispiel Roche angeblich von der Biodatenbank distanziert.