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Die Zukunft der Videothek: Die Redaktion schaut Filme

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Der Kunst-Gucker

„Ghost in the Shell 2“ ist ein japanischer Manga. Er spielt im Jahr 2032, in einer ziemlich heruntergekommenen Großstadt, voller Cyborgs. Zwei Polizisten recherchieren in einem Fall, bei dem Sexpuppen mehrere Morde begangen haben, weil ihr Speicherplatz noch Raum für Martial-Arts-Programme lässt und sich jemand in ihr Gehirn eingehackt hatte. Kann sein, dass ich es hier nicht schaffe, Begeisterung für diesen Film zu wecken, aber dieser Text soll ja auch kein Plädoyer für einen Film, sondern für die Videothek sein. Für die richtige Videothek: Die mit rauchendem Verleiher, der seine besten Jahre vor dem Fernseher verbracht, der in seiner Jugend kaum Sex hatte, aber dafür alles über Sex in Filmen weiß. In der man Menschen mit cremefarbenen Mopsen trifft, die sich „Dogville“ ausleihen. Bei der im Raum hinter der Theke eine Fläche dreimal so groß wie die eigentliche Videothek nur mit Pornos ist und man sich zum 47. Mal die Frage stellen kann, wer all diese bizarren Vorlieben hat. Die man betritt und nach fünf Minuten vergessen hat, dass man sich „Clerks“ ausleihen wollte, weil man inzwischen „Stille Tage in Clichy“, „Night on Earth“ und „Außer Atem“ entdeckt hat. Bei der man sich nach dem Verlassen die Frage stellt, wann man sich eigentlich die ganzen Filme ansehen soll. Die Videothek ist das gehobene Restaurant im Gegensatz zu all den Imbissbuden, Fertiggerichten und Bringdiensten. Man muss dafür aus dem Haus in die Kälte gehen, man muss wühlen und auf keinen Fall darf man vergessen, den Film zurückzubringen. Doch wer richtiges Vergnügen will, muss es sich erkämpfen. Genuss ist kein Instant-Gemisch, das man vor die Tür gestellt bekommt. Wahrer Genuss hat immer mit Arbeit zu tun. „Ghost in the Shell 2“ übrigens auch. Man kapiert den Film einfach nicht beim ersten Mal ansehen. Frühestens beim zweiten Mal erkennt man seine philosophische Dimension: Es geht darum, ob Roboter Menschen sein können und was eigentlich eine Seele ist. Ich habe lange darüber nach gedacht. Leider habe ich vor lauter Nachdenken eine Woche lang vergessen, ihn zurückzubringen. Aber der Film war das wert. Wirklich. philipp-mattheis Auf der nächsten Seite: der Videoabend-Veranstalter


Der Videoabend-Veranstalter Ich bin mit Videothek-Ausweisen aus vier Städten Deutschlands ausgerüstet. Trotzdem haben gute Videos leider keinen konstanten Platz in meinem Leben. Ursache dafür ist die fest in meinem Gehirn verankerte Annahme, dass es sich beim Ausleihen eines Films um die Einleitung eines sozial-interaktiven Aktes handelt. Wenn ich ein Video ausleihe, dann muss dem ein gemeinsamer Abend mit Freunden folgen – und die müssen ja auch alle erstmal Zeit haben. Ein einsamer Videoabend ist wie lauwarme Pepsi-Cola ohne Kohlensäure oder wie der harte, dunkelbraune Bodensatz aus Maiskörnern in der Popcorntüte – total spaßbefreit. An Videoabenden kommt jedoch der Perfektionist in mir durch. Bereits die Auswahl des Filmes in der Videothek wird zelebriert. Allerdings bringe ich dafür einen Video-Event paradoxerweise die denkbar schlechtesten Voraussetzungen mit: Ich besitze nicht mal einen DVD-Player. Doch das nehme ich dann als sportive Herausforderung. Die gigantische Leinwand bildet bei mir der 12-Zoll-Bildschirm meines Laptops. Über die haargenaue Ausrichtung des Bildschirmneigungswinkels kann der Sehgenuss noch optimiert werden, die genaue Ausrichtung der Zimmerlampe vermeidet störende Spiegelungen auf dem Bildschirm. Anschließend wird eine bequeme Bettwurst aus der Decke geformt, um optimalen Sitzkomfort auf dem Bett bieten zu können. Prollige Surround-Sound-Systeme ersetze ich durch eine Kabel-Verbindung mit der altersschwachen Kompaktanlage, die in den frühen Neunzigern sicher mal schwer in Mode war. Die mangelnde technische Ausstattung kompensiere ich durch die Bereitstellung von reichlich Kohlehydraten und Fett: Ich kann sowieso keinen Film ausleihen, ohne nicht im gleichen Zug auch Kartoffelchips, Cola und Bier zu kaufen. Das gehört für mich, genau wie meine Freunde, einfach untrennbar zusammen. Warum ich Videoabende so zelebriere? Vielleicht hat meine Jugend ohne Privatfernsehen zur heutigen Eventisierung des Videoabends geführt. Ganz abgesehen davon bezweifle ich aber den Mehrwert von DVDs. Ich würde mir nie welche kaufen. Das Allerschlimmste sind sowieso Filme, die man mal aus gutem Willen oder aus Einfallslosigkeit geschenkt bekommen hat: Die verstauben im Zimmer, nehmen Platz weg – und man bringt es doch nicht übers Herz, sie wegzuschmeißen. johannes-graupner Auf der nächsten Seite: der Online-Besteller
Der Online-Besteller Obwohl sonst nicht übermäßig innovativ gelaunt, habe ich schon vor einem Jahr mit dem Amazon-Ausleih-System begonnen. Davor musste ich bei Parties immer aufs Klo gehen, wenn über aktuelle Filme geredet wurde - ich kam mit Kino und Videothek einfach nicht mehr hinterher. Das liegt daran, dass ich mich allgemein nach 21 Uhr nur sehr schwer motivieren kann, das Haus zu verlassen. Und in Videotheken bekomme ich zudem immer Schluckauf. Die DVDs aus dem Briefkasten zu holen und sie so lange neben dem Fernseher liegen lassen zu können, bis man wirklich in Film-Stimmung ist, schien mir da sehr brauchbar. Amazon bucht mir im Monat sieben Euro irgendwo ab und dafür gibt es zwei Filme, geschickt, mit frankiertem Rückumschlag. Immer, wenn ich einen zurückschicke, kommt der andere. Natürlich rechneten mir gleich vier Seppl vor, dass das ja ganz schön teuer wäre, aber das ist eben der Preis der Gemütlichkeit. Ich holte erstmal alle 2006er-Blockbuster nach, und dann noch die Filme, die ich schon längst mal sehen wollte. Dabei ist mir aufgefallen, dass man sich dazu rechtzeitig Notizen machen sollte. Jetzt sitze ich nämlich stundenlang vor Amazon und denke über den Titel nach, den dieser italienische Film tragen könnte, wo am Schluss alle so an der Küste ein Bankett abhalten und jemand kommt mit einem Auto... . Kennt den wen? Die Auswahl ist groß, schließlich steht theoretisch das ganze Amazon-Programm zu Verfügung. Sehr theoretisch leider, denn sobald man die cineastischen Nebenstraßen verlässt und auf die Trampelpfade kommt, heißt es meistens „Dieser Film ist nicht ausleihbar“. Nach einem Jahr nun steigt die Zahl der nicht ausleihbaren Filme auf meiner Wunschliste merklich an, so dass die Zufriedenheit mit dem System nachlässt. Der fehlende Zeitdruck aber ist nach wie vor glorios. Bis vor einigen Jahren war ich auch ein fleißiger DVD- und VHS-Käufer. Wie so viele, dachte ich, dass ich Lieblingsfilme unbedingt immer verfügbar haben muss. Eigentlich ist das aber Quatsch, zumindest bei mir. „Gosford Park“, „Starship Troopers“ und Co., stehen überwiegend noch eingeschweißt im Regal, nie habe ich Lust, einen davon auszupacken und einfach so noch mal anzusehen. Aber vielleicht im Alter? Was ich mit dem VHS-Kram machen soll, weiß ich allerdings gar nicht. Nimmt so viel Platz weg und ich habe gar keinen Videorekorder mehr. Einfach wegschmeißen? Flohmarkt? Tss, meine Lieblingsfilme doch nicht! max-scharnigg Auf der nächsten Seite: die DVD-Käuferin
Die DVD-Käuferin Aus drei Gründen kaufe ich meine DVDs: erstens bin ich ein geiziger, aber gleichzeitig zur Selbsttäuschung neigender Mensch und daher Schnäppchen schnell verfallen. Wenn nun also ein Drogerie-Markt mir Serien-Staffeln für 19 Euro und Spitzenfilme für sieben Euro hinterher schmeißt, dann greif ich zu, ist ja klar. Weil: so billig kommen wir nicht mehr zusammen. Zumindest dachte ich das so lange, bis ich einmal den Wert meiner DVD-Sammlung Pi mal Daumen ausgerechnet habe und auf einen dann doch nicht unbeträchtlichen Betrag gekommen bin. Aber wenn ich Fan bin, muss ich einen Film besitzen. Einfach nur zu wissen, dass ich ihn gesehen habe, reicht mir da nicht. Zum Glück wiegt der andere Grund noch ein bisschen schwerer und hat mit Geld nichts zu tun. Das Tollste an DVDs ist meiner Meinung nach selten der Film, sondern die Extras. Ich habe eine Schwäche für „Making Of’s“, für Regisseure, die den ganzen Film über klug kommentieren und jede Nichtigkeit aus den Dreharbeiten erzählen. Ich will wissen, was sich die Macher dabei gedacht hat und ich will den Schauspielern zuschauen, wie sie ein und denselben Satz auch beim vierzehnten Take nicht hinkriegen. Extras aber, habe ich mir sagen lassen, kommen bei Verleih-DVDs fast nie mit und das finde ich schäbig. Extras schauen ist das Salz auf der Heimkino-Suppe. Nur so komme ich mir nicht nur unterhalten, sondern klug vor und bisweilen bin ich davon sogar besser unterhalten, als vom Original. Ein dritter Grund ist, dass ich an einer Mischung aus Faulheit und Angst vor Menschen leide. Die Aussicht, mir einen Ausweis bei einer Videothek zu besorgen, immer dann, wenn ich Lust auf Kino habe, dorthin latschen zu müssen und mir möglicherweise von Hipster-Verkäufern einen schlechten Geschmack bescheinigen zu lassen, nur weil ich gerade nichts Schwereres als eine Romantische Komödie vertrage, macht mich schwach und ängstlich zugleich. Deshalb wandere ich lieber nach der Arbeit durch die DVD-Abteilung und ergänze meine Sammlung um weitere potentielle Film-Juwelen. Und ohne Extras kommt mir sowieso kein Film in den Einkaufskorb. Und wenn die DVD-Sammlung mal wieder aus den Nähten platzt, sortiere ich einfach die nicht aufhebenswerten aus und verschenke sie an Menschen, die sich mehr daraus machen. christina-waechter Welcher Typus bist du? Kaufst du? Leihst du? Online oder in echt?

Text: dirk-vongehlen - Illustrationen: katharina-bitzl

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