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Die "Titanic-Partei" im Endspurt: Ein Gespräch mit Spitzenkandidat Heinz Strunk kurz vor dem Wahltag
Herr Strunk, warum treten Sie als Spitzenkandidat der PARTEI an? Aus Solidarität mit der Satirezeitschrift TITANIC, die mich mittlerweile seit 25 Jahren begleitet. Die Titanic ist einfach ein zuverlässiger Quell des guten Humors und hat mir jahrelang viel Freude und Hoffnung gespendet. Jetzt ist es an der Zeit, ein bisschen was zurückzugeben und deshalb habe ich der Bitte von Martin Sonneborn entsprochen. Die PARTEI begreift sich als Persiflage auf den politischen Betrieb in Deutschland – die Wahlplakate und Reden werden aufs Korn genommen. Ist diese Art von politischer Satire nicht abgedroschen? Wie peinlich und bieder Politiker sein können, ist doch den Meisten klar. Das ist ein berechtigter Kritikpunkt. Ich hatte eigentlich gedacht, dass sich die PARTEI nach der letzten Bundestagswahl auflöst. Herr Sonneborn wollte die Sache in Hamburg jedoch weiterbetreiben. Das bekommt nun möglicherweise eine Konnotation in Richtung „Spaßguerilla“ und „Polit-Clown“. Ich habe aber, wie ich finde, eine sehr schöne Rede geschrieben und gehalten, die auch in der Titanic abgedruckt wird. Dafür hat es sich für mich gelohnt. Es mag Leute geben, die das Alles für beknackt und überflüssig halten. Mag sein, dass diese Leute Recht haben. Gibt es in Deutschland für Sie irgendeine wählbare Partei? Nein, für mich tatsächlich nicht. Ich wähle seit acht Jahren nicht mehr. Ich habe früher irgendwie reflexhaft die Grünen gewählt. Heute kann man das einfach nicht mehr machen. Man kann Niemanden wie Claudia Roth wählen. Warum denn nicht? Das sind einfach unfassbare, grauenhafte Spießertypen, die ich unabhängig vom Wahlprogramm für unwählbar halte. Ich sehe mich auch nicht in der Lage, jemanden wie Kurt Beck zu wählen oder Angela Merkel. Meine ersten Politerfahrungen habe in Zeiten von Willy Brandt und Helmut Schmidt gemacht. Das war damals einfach ein anderes Kaliber. Was macht den heutigen deutschen Politikertypen aus? Die Politiker verharren in einer Endlosschleife aus Versatzstücken und Nullsätzen. Ich hatte mal die Hoffnung, dass sich das ändert, aber es wird immer noch schlimmer. Ich bin in den siebziger und achtziger Jahren auf die Brockdorf-Demos gegangen - da ging es noch um etwas. Der Unterschied zwischen CDU und SPD bestand damals noch. Heute ist das ein amorpher Masse-Quatsch, der inhaltlich völlig unkenntlich geworden ist. Fehlt es also doch eher an Themen als an Politiker-Typen? Man hatte früher einfach das Gefühl, dass die Gestaltungsmöglichkeiten in der Politik größer sind. Heute hat man in Zeiten der Globalisierung das Gefühl, dass Politiker eher Rahmenbedingungen schaffen und Sonntagsreden halten. Auf irgendwelchen inszenierten außenpolitischen Treffen geben sie dann Etwas vor, das gar nicht mehr da ist. Politik verliert an Macht und Gestaltung. Sind spießig-biedere Politiker ein deutsches Problem? Es scheint mir schon so, dass ausländische Politiker glamouröser erscheinen. Wir haben einfach keine Typen wie Sarkozy, Blair oder ganz aktuell Obama. So etwas wie einen Politiker mit dem Charisma eines Obamas, der einen Effekt wie in den USA auslösen könnte, sehe ich hier nicht. Hier herrscht eine wahnsinnige Seilschaft und Lobbyarbeit. Hier kommt nach zwanzig Jahren eine Angela Merkel mit ihrer Durchsetzungsfähigkeit an die Macht. Doch so jemand begeistert doch die Leute nicht. Ist der amerikanische Wahlkampf also vorbildlich? Der Unterhaltungscharakter des amerikanischen Wahlkampfs ist natürlicher geiler, einfach mitreißender als das, was hier so abgeht. Woran liegt es denn, dass hier in Deutschland Politik so schlecht inszeniert wird? Möglicherweise ist das deutsche Gemüt nicht so geschaltet, dass es Politik und Showbusiness eng beeinander sieht. Es würde wahrscheinlich sofort der Ruf der Unseriosität über dem Wahlkampf lasten. Wahrscheinlich wird es in alle Ewigkeit hier so weitergehen. Gibt es denn gar keine politischen Lichtgestalten in Deutschland? Es gibt Politiker mit sehr großen rhetorischen Begabungen, wie heute Lafontaine und damals aus der anderen Ecke Franz-Joseph Strauß. Wen ich sehr schätze, weil er sehr fein und gebildet ist, wäre zum Beispiel Klaus von Dohnanyi.Der war für mich der letzte richtige Hamburger Bürgermeister. Ist nicht der Spitzenkandidat der Hamburger SPD, Michael Naumann, genau so ein Typ Politiker, wie Sie ihn sich wünschen? Ein Quereinsteiger und Starjournalist, das riecht doch wenigstens ein bisschen nach Glamour. Leider überhaupt nicht. Sieh doch mal, wie der inszeniert wird. Nehmen wir zum Beispiel sein Wahlkampfplakat. Der ist so unfassbar ungünstig fotografiert worden, dass er aussieht wie ein lieber Opa. Diese Rentnerhaftigkeit - wie ein lieber Onkel, der gerade Lollis verteilt. Wenn man ihn mal bewegt sieht, wirkt er viel dynamischer und beweglicher. Wo erleben Sie am Sonntag die ersten Hochrechnungen? Auf unserer Wahlparty in unserem Hamburger Politbüro. Dort werde ich mich dann gegen 18 Uhr einfinden.