- • Startseite
- • Redaktionsblog
-
•
Die Hackerbrause
Das Örtchen Münchsteinach liegt etwa 50 Kilometer nordwestlich von Nürnberg auf dem Land, zwischen Wald und Feldern und anderen kleinen Dörfern, die Mönchsberg heißen oder Gutenstetten. In der Steigerwaldstraße 21 in Münchsteinach ruht ein Geheimnis, das ein großer Teil der Hackerszene aus den USA liebend gerne knacken würde.
Es handelt sich dabei nicht etwa um geheime Daten eines Rüstungskonzerns. Sondern um ein Rezept. Das Rezept von Club Mate, einem kohlensäure- und koffeinhaltigen Eistee-Getränk, hergestellt von der Brauerei Loscher. Seit kurzem geistert ein Blogeintrag einer Hackervereinigung aus Pittsburgh durchs Netz. Darin dokumentieren ein paar Jungs, die sich das „M-Team“ nennen – M steht dabei wohl für Mate – ihren Versuch, den Tee aus Franken nachzubrauen. Das Ganze ist als „Open Source“-Projekt angelegt. Der Begriff kommt aus dem Software Bereich und meint dort, dass der Quellcode eines Programms öffentlich gemacht wird, damit jeder ihn einsehen und selbst weiter verbessern kann. Hacker der Welt, vereinigt euch an den Kochtöpfen und braut Eistee!
Selbst braut der Hacker: Open-Source Mate
Irgendwann nach der Jahrtausendwende entdeckten Hackerkreise das Getränk als ihr liebstes Aufputschmittel und machten es zum In-Getränk der Szene. „Ich kenne sehr viele Hacker mit einer schweren Club-Mate-Abhängigkeit“, sagt Constanze Kurz vom Chaos Computer Club (CCC). Im Berliner Clubhaus des CCC steht ein Getränke-Automat mit Club Mate. „Meines Wissens muss der mehrmals wöchentlich nachgefüllt werden“, sagt Kurz. Die Hacker, die jährlich zum CCC-Weltkongress nach Berlin anreisen, werden ebenfalls mit Club Mate versorgt – 2009 wurden dort insgesamt 11.000 Flaschen geleert. Und alle zwei Jahre, wenn in der Nähe von Münchsteinach ein regionales Hacker-Camp stattfindet, bekommt die „Mate-Quelle“, wie Constanze Kurz die Brauerei Loscher nennt, Besuch von ein paar Busladungen Computermenschen. Sie schauen sich dann die Brauerei an, Firmenchef Marcus Loscher stellt auf dem alten Sportplatz ein Partyzelt auf und füllt vorsorglich einen ganzen Kühlanhänger mit Club Mate.
Der Weg des Tees aus der fränkischen Provinz in die Hacker-Kühlschränke dieser Welt ist ein erstaunlicher. Die Geschichte reicht zurück bis ins Jahr 1924, damals produzierten drei Abfüller die Limo-Version des südamerikanischen Mate-Tees unter dem Namen „Sekt-Bronte“. Zwei wurden zwischen den Weltkriegen geschlossen, übrig blieb eine kleine Brauerei im bayerischen Dietenhofen, die Bronte in den Fünfzigerjahren in Club Mate umtaufte. Bis die Brauerei Loscher 1994 die Mate-Lizenz kaufte, gab es den Tee schon wenige Kilometer außerhalb Dietenhofens nicht mehr.
Und dann kam Mate-Ralf. So nannten viele den Barmann im „Club Forschung“, einer Bar in der Nähe des Hackeschen Marktes in Berlin Mitte. Er mixte so gut wie alle seine Cocktails mit Club Mate – und die Bar ist höchstwahrscheinlich der Ort, von dem der fränkische Tee in die Hackerszene hinüberschwappte. Denn nicht weit vom Club Forschung befand sich damals das Hauptquartier des Vereins c-Base, in dem Hacker ein- und ausgingen.
Außerhalb Berlins, wo es den Eistee in jedem Spätkauf sowie in vielen Bars und Clubs gibt, ist Club Mate aber immer noch nicht leicht aufzutreiben. Einzelne Getränkemärkte haben ihn zwar im Sortiment, aber von einem flächendeckenden Verkaufsnetz ist man noch weit entfernt. Noch schwieriger wird es im Ausland: Laut Brauereichef Marcus Loscher ist Club Mate zwar mittlerweile in 24 Ländern vertreten, „aber von den ausländischen Vertriebspartnern kommt kein einziger aus der Getränkebranche“. In den USA zum Beispiel waren es die Betreiber des Hacker-Magazin’s 2600, die den Vertrieb auf eigene Faust ankurbelten. Momentan kostet ein Kasten mit 12 Flaschen im 2600-Webstore 45 Dollar - was anscheinend noch günstig ist: Gerüchten zufolge gingen auf der US-Hacker-Konferenz Defcon bereits Kästen für 200 Dollar weg. Die Nachfrage ist in jedem Fall größer als das Angebot, was wohl der Grund ist, warum einige Bildschirm und Tastatur für einige Zeit verließen und sich in die Küche stellten.
Was aber macht Club Mate eigentlich so begehrt? „Club Mate erfüllt eigentlich alle Hackeranforderungen“, sagt Constanze Kurz vom CCC. „Es enthält viel Koffein und ist daher super, wenn man sich am Rechner die Nacht um die Ohren schlägt. Und es lässt sich gut mit Alkohol mischen.“
Das ist mittlerweile auch außerhalb der Hackerszene angekommen. In vielen Berliner Clubs kann man Wodka-Mate bestellen. Meist funktioniert das so: Man bekommt die 0,5 Literflasche vom Barmann, trinkt ein paar Schlücke ab. Dann gibt man sie zurück und lässt sie mit Wodka auffüllen. Noch beliebter ist bei den Hackern aber eine Mixtur mit dem seltsamen Namen „Tschunk“, eine Art Club-Mate-Version eines Cuba Libre, die offenbar auch auf Mate-Ralf und seinen "Club Forschung" zurückreich.
Wenn man Brauereichef Marcus Loscher nach dem Hype um sein Produkt fragt, scheint er ihn sich selbst manchmal nicht richtig erklären zu können. Das sei „schon außergewöhnlich“, sagt er, und er kann nur mutmaßen, dass die koffeinbedürftigen Hacker wahrscheinlich einfach genug hatten „von den pappigen Energy-Drinks“.
Expansionspläne hegt er trotzdem nicht: „Wir sind da ganz geduldig.“