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Die Flüchtlings-Uni

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Markus Kressler hat sich viel vorgenommen. Er will  Tausenden Flüchtlingen in Deutschland, die in ihrem Heimatland bereits ein Studium begonnen haben oder es könnten und jahrelang warten, bis sie alle Zugangsvoraussetzungen erfüllen, zu einem Studium verhelfen.

Schon im Mai hatte Kressler, der in Berlin Psychologie und Kommunikation studiert, angekündigt, unter dem Namen „Wings University“ eine Online-Uni für Flüchtlinge und Menschen ohne Ausweisdokumente zu gründen, 2016 sollten die ersten Kurse starten. (hier im Interview mit jetzt.de) 

Nun sollen bereits im Oktober die ersten Flüchtlinge ihr Studium dort beginnen, das sich in zwei Phasen teilt: Der erste Teil wird online gelehrt, der zweite vor Ort an Partnerunis oder auch per Fernstudium. Neu ist auch der Name. „Markenrechtlich war ‚Wings University’ schwierig, weil es in den USA viele Universitäten mit ‚Wings’ im Namen gibt“, sagt Markus Kressler. Darum heißt seine Uni nun „Kiron University“ – Cheiron, eine Figur der griechischen Mythologie, gilt als weiser und gerechtester Kentaur, ein Mischwesen aus Pferd und Mensch.  

Zwar können bereits in einigen Bundesländern Asylbewerber als Gasthörer Vorlesungen besuchen, in München können sie sich wie Austauschstudenten Studienleistungen anrechnen lassen, in Niedersachsen dürfen Flüchtlinge mit guten Deutschkenntnissen und einer sehr gut bestandenen Aufnahmeprüfung auch ohne Zeugnisse studieren. Doch bis auf diese wenigen Ausnahmen gibt es für Flüchtlinge bislang kaum eine Möglichkeit, richtig zu studieren.  

15.000 Anmeldungen in einer Woche  

Wie wichtig ein Studienangebot für Flüchtlinge ist, zeigt schon alleine die erste Resonanz. Seit vergangener Woche haben sich 15.000 Flüchtlinge angemeldet. „Dabei machen wir nicht einmal Werbung dafür“, sagt Markus Kressler. Die meisten Anmeldungen kommen von syrischen Flüchtlingen, viele von afghanischen, irakischen und somalischen Asylsuchenden.    

An der Kiron University haben Studierende zwei Jahre Zeit, ihre Unterlagen einzureichen. Um sich einzuschreiben, brauchen sie nicht einmal einen Ausweis. „Man benötigt nur einen Nachweis, dass man auf der Flucht ist, den bekommen die Flüchtlinge, sobald sie in Deutschland registriert werden“, sagt Markus Kressler.  

Der erste Teil des Curriculums soll über Moocs (Massive Open Online Courses) gelehrt werden – Onlinekurse, die mit Videos, Lesematerial und Foren eine Studiensituation digital simulieren – und somit von Flüchtlingsunterkünften in ganz Deutschland abrufbar sind. Vorausgesetzt natürlich, es gibt dort Internet. Inhaltlich beginnen die Studenten mit einem Studium Generale, danach wählen sie eine Fachrichtung. Bislang stehen fünf Kurse auf Englisch zur Auswahl: Computer-, Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaften, außerdem Architektur und Intercultural Studies.

Für den zweiten Teil des Studiums sucht Markus Kressler derzeit nach Partneruniversitäten, an denen die Studenten ihre Ausbildung beenden – in Vorlesungen gehen und Prüfungen ablegen. Mit rund 30 Universitäten ist er gerade im Gespräch. „Nach zwei Jahren, oder sobald die Studenten eine bestimmte Anzahl an Leistungspunkten erreicht haben, wechseln sie an eine Partneruni. Die Uni Heilbronn und die University of Westafrica haben zum Beispiel schon zugesagt.“ Diese Unis rechnen den Studenten ihre Onlinekurse an und verleihen am Ende den Abschluss - somit wird Kresslers Kiron-Universität genau genommen keine eigene Universität, kann Flüchtlingen und Papierlosen aber den Weg zum Studienanschluss ermöglichen.   

Auch Sprachkurse und eine psychosoziale Betreuung will Markus Kressler den Flüchtlingen anbieten, Studierende ohne Computer und Internetzugang außerdem mit gebrauchten Laptops und Wlan-Sticks ausstatten. Pro Student rechnet er mit Kosten von etwa 400 Euro im Jahr. Den ersten Jahrgang will Kressler mit einer Crowdfunding-Kampagne finanzieren – 1,2 Millionen Euro hat er sich als Ziel gesetzt, in zehn Tagen hat er fast 82.000 Euro gesammelt (Stand: 15.9.2015).

Im Oktober startet die Kiron University mit 1000 Erstsemestern. Kressler kann sich vorstellen, dass irgendwann 100.000 Flüchtlinge über seine Plattform studieren. „Wir lassen erst einmal alle Anmeldungen zu. Nur wenn sich 1,5 Millionen anmelden, hätten wir ein Problem mit den Kapazitäten an den Partnerunis“, sagt Markus. In Zukunft will er zwei Drittel über Fundraising, Stiftungen und Unternehmen finanzieren, ein Drittel soll der Staat übernehmen. „Ich bin im Gespräch mit verschiedenen staatlichen Institutionen, die Resonanz ist bisher positiv.“

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Markus Kressler

Text: kathrin-hollmer - Fotos: Alexander Indra

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