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Die dunkle Seite von Airbnb - freigegeben, bitte Seite 2 nochmal anschauen
Die Nachricht ihrer Airbnb-Gäste erreichte sie im Urlaub: „Das Bett ist gekracht, was sollen wir jetzt machen?“ Viel tun konnte Marie-Luise Meyer zu dem Zeitpunkt nicht – sie war gerade selbst im Urlaub. Die Kunststudentin aus Stuttgart nennt sich selbst einen „großen Verfechter von Airbnb“. Seit Beginn ihres Studiums vermietet sie ihre kleine Zweizimmer-Wohnung über die Plattform. „Bis zu 300 Euro im Monat verdiene ich, indem ich ein paar Nächte außer Haus schlafe “, sagt die 29-Jährige.
Als sie zurückkam, konnte sie nicht mit Sicherheit sagen, was vorgefallen war: Hatten die Gäste das Bett zerstört? Oder war es schon vorher lädiert gewesen? Die Besucher jedenfalls wollten sich an den Kosten für die Reparatur nicht beteiligen. Ein Fall für Airbnb, könnte man meinen. Immerhin lief die Buchung ganz regulär über die Plattform. Doch: weit gefehlt. Airbnb versteht sich selbst nur als Vermittlungsplattform – als Ort, an dem Anbieter und Suchende zusammentreffen. Die Haftung für Rechtsstreitigkeiten will das Portal nicht übernehmen. Und liegt damit in einer Linie mit der Mentalität vieler Silicon-Valley-Startups: „Build it first, mend it later.“ Soll heißen: Erst, wenn wirklich etwas schiefgeht, werden die Geschäftsbedingungen geändert. Die Verantwortung schieben die Pioniere der sogenannten Sharing Economy zunächst einmal weit von sich.
Im Fall von Airbnb ist das ganz offensichtlich. 2011 führte die Plattform, auf der nach eigenen Angaben bereits mehr als 60 Millionen Menschen eine Übernachtung gebucht haben, eine „Gastgeber-Garantie“ über 50.000 US-Dollar (rund 47.000 Euro) ein – nachdem eine Airbnb-Gastgeberin aus San Francisco ihre untervermietete Wohnung komplett verwüstet vorfand. Airbnb weigerte sich damals zunächst, Verantwortung zu übernehmen. Erst als der Druck von außen immer größer wurde, kam die Plattform für die Schäden auf. Dem amerikanischen Wirtschaftsmagazin Fortune sagte CEO Brian Chesky, der Vorfall sei zu wichtig gewesen, als dass das Unternehmen tatenlos hätte bleiben können. Inzwischen hat Airbnb die Summe sogar auf eine Million US-Dollar (800.000 Euro) erhöht.
Die Garantie, so die Betreiber, sei ein „weiteres Beispiel dafür, dass Airbnb sich für eine sichere und vertrauenswürdige Gemeinschaft auf der ganzen Welt einsetzt“. Was erst mal total super klingt. Wer sich jetzt aber darauf verlässt, dass Airbnb im Fall der Fälle hilft, wird enttäuscht. In der Realität dürften nur die wenigsten geschädigten Airbnb-Gastgeber auch nur einen Teil der Versicherung erhalten: Bevor Geld fließt, müssen sie den Schaden erst einmal mit Originalrechnungen, Polizeibelegen sowie Vorher-nachher-Bildern beweisen. Das dürfte bei einem zehn Jahre alten Sofa oder dem von Oma geerbten Klavier schwierig bis unmöglich werden. Marie-Luise hat deshalb noch nicht einmal versucht, Airbnb wegen des kaputten Betts zu kontaktieren: Die Originalrechnung hat sie – wie vermutlich die meisten Leute – schon längst nicht mehr.
Wohl auch deshalb legt Airbnb seinen Nutzern nah, eine Kaution zu erheben. Sie soll Gastgeber schnell und unkompliziert davor schützen, für die Missgeschicke ihrer Gäste aufkommen zu müssen. Zum Beispiel, wenn diese Wein auf dem Teppich verschüttet, eine Fensterscheibe zerbrochen oder einen Schlüssel nicht zurückgegeben haben. In solch einem Fall hat der Gastgeber 48 Stunden Zeit, um die auf einem Airbnb-Konto zwischengelagerte Kaution einzufordern – mit einer Beschreibung des Vorfalls oder der Schäden, mit Bildern und Belegen. Marie-Luise wusste von dieser Option. Und hat doch keine Kaution erhoben. „Ich hatte den Eindruck, dass sie die Leute abschreckt“, sagt sie. „Anfangs hatte ich nämlich eine – aber dann sind die Buchungen zurückgegangen.“ Da die Studentin auf die Airbnb-Einkünfte angewiesen ist, verzichtet sie seitdem auf die zusätzliche Sicherheit, vertraut gezwungenermaßen auf die Ehrlichkeit der Gäste.
Ein kaputtes Bett ist ja noch ganz verkraftbar. Doch was, wenn Schlimmeres passiert? Aus rechtlicher Sicht stellt Airbnb tatsächlich nur eine Vermittlungsplattform dar, die Gäste und Gastgeber zusammenbringt. Bei Streitigkeiten zwischen den beiden Parteien ist sie – zumindest in Deutschland – grundsätzlich nicht beteiligt, sagt Dr. Markus Pfügl, Rechtsanwalt für Miet- und Vertragsrecht in München. Dr. Pflügl hat sich bereits mehrmals mit Airbnb beschäftigt. „Das Unternehmen tritt als reiner Vermittler und nicht als Veranstalter auf“, sagt er und verweist auf Hotelsuchmaschinen wie HRS und Trivago, die ebenso wenig wie Airbnb für die Streitfälle zwischen Hotelgästen und Hotelbetreibern – haften. In den Allgemeinen Vertragsbedingungen weist Airbnb zudem ausdrücklich darauf hin, dass keine eigenen Qualitätskontrollen vor Ort vorgenommen werden und jeder Gastgeber für seine Angaben sowie den ordnungsgemäßen Zustand der vermieteten Wohnung haftet. Die Sicherheitsstandards der auf seiner Webseite angebotenen Unterkünfte muss Airbnb dementsprechend selbst nicht kontrollieren.
Zum Verhängnis geworden ist das einer kanadischen Touristin. Sie starb 2013 in ihrer Airbnb-Unterkunft in Taiwan an einer Kohlenmonoxidvergiftung. Einen Rauchmelder, der das Unglück hätte verhindern können, gab es dort nicht. Auf seiner Webseite weist Airbnb seither auf einige Sicherheitsmaßnahmen hin, die Gastgeber ergreifen können, und übernimmt die Kosten für neue Rauchmelder. Verpflichtend sind diese aber nicht. Aufsehen erregte zudem ein weiterer Todesfall, der laxen Sicherheitsvorkehrungen geschuldet sein mag: Im November 2013 verunglückte der Vater des Journalisten Zak Stone im Garten einer Airbnb-Unterkunft in Texas. Als er sich auf eine Schaukel setzte, die an einem Baum hing, krachte dieser über ihm zusammen. Das Geäst erschlug ihn. Warnschilder oder dergleichen hatten die Gastgeber an dem morschen Baum nicht angebracht. Kritik an Airbnb übt Stone nun vor allem deshalb, weil das Unternehmen immer wieder Fotografen zu einzelnen Unterkünften schickt, um das Angebot auf der eigenen Homepage aufzuhübschen. Kontrolleure, die die Sicherheit der untervermieteten Häuser und Wohnungen regelmäßig überprüfen, dagegen nicht. „Welche Verantwortung hat die Firma denen gegenüber, die ihnen ihr Geld und ihr Vertrauen geben?“, fragt Stone in dem Matter-Artikel „Living and Dying on Airbnb“.
Dem Grunde nach nur eine geringe Verantwortung, sagt Rechtsanwalt Dr. Pflügl. Eine mögliche Haftung schließt Airbnb in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen weitreichend aus. Sollte ein Gast also, wie Zak Stones Vater, wegen mangelnden Sicherheitsstandards zu Schaden kommen, haftet zunächst einmal der Gastgeber. Rechtsstreitigkeiten können aber auch Dritte involvieren: Wenn etwa ein Gast auf der schneebedeckten Einfahrt oder der steilen Treppe stürzt und sich verletzt, haftet zunächst der Eigentümer des Anwesens – der ja nicht unbedingt der Gastgeber sein muss. „Er muss ein verkehrssicheres Gelangen zu der Wohnung bieten“, sagt Dr. Pflügl. Diese sogenannten Verkehrssicherungspflichten können allerdings auch übertragen werden – zum Beispiel an den Gastgeber oder an ein Dienstleistungsunternehmen. Wer die Verantwortung letztlich trägt, muss für jeden Einzelfall ermittelt und überprüft werden. Wirkt eine Unterkunft schon auf den ersten Blick unsicher, ist sie unhygienisch oder fehlt ein Teil der angegebenen Ausstattung, können Gäste mittels einer Rückerstattungspolice kurzfristig von der Buchung zurücktreten. Viel mehr Unterstützung bietet Airbnb in diesem Fall nicht.
Hat der Gastgeber den Schaden (zum Beispiel bei Sachbeschädigungen, Diebstahl oder Vandalismus), hat er seine Ansprüche gleichermaßen primär gegen den Gast geltend zu machen – nicht gegen die Vermittlungsplattform, auf der er seine Wohnung anbietet. Dr. Pflügl empfiehlt daher, eine entsprechende Versicherung abzuschließen, die auch bei Untervermietungen für Schäden aufkommt. Oder, wenn möglich, von vornherein eine Kaution zu verlangen. Droht eine Auseinandersetzung mit der Polizei – beispielsweise weil der Gast zu laut Musik gehört hat – richten sich die Konsequenzen nur gegen den Lärmenden. „Wer sich gesetzeswidrig verhält, muss die Folgen selbst tragen“, sagt Dr. Pflügl.
Dessen sollte man sich bewusst sein, bevor man eine Airbnb-Unterkunft bucht oder die eigene Wohnung vermietet. Die Pioniere der sogenannten Sharing Economy teilen eben nicht nur den Profit. Sondern auch die Risiken. Nach Vorfällen wie den oben genannten passen die Plattform ihre Regeln zwar oft an. Wenn tatsächlich etwas passiert, sind die Nutzer rechtlich aber erst einmal auf sich allein gestellt. Und das kann unter Umständen ganz schön böse ausgehen – ein kaputtes Bett ist wohl noch das geringste Übel.
Auf was man bei der Vermietung der eigenen Wohnung achten muss
Text: melanie-maier - Cover: daniela-rudolf