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Der Samstag gehört mir!
Oh nein, schon wieder Samstag und eine lauwarme Sommernacht! Die meisten meiner Freunde gehen heute Abend weg und ich soll/muss/will natürlich mit.
Eigentlich wäre nach der stressigen Woche ein gemütlicher Abend genau das Richtige. Das einzige, das heute vielleicht noch Action beinhalten dürfte, ist eine DVD. Doch es passiert immer wieder: Da gibt es dann diese eine angesagte Party, die heute in einem der angesagten Clubs steigt und auf der alle angesagten Leute erscheinen werden. Was soll ich also alleine zuhause? Mittlerweile komme ich mir schon komisch vor, wenn ich am Wochenende einmal nichts trinken gehe. Dann sitze ich unruhig daheim mit dem unangenehmen Gefühl, draußen in der Welt sei etwas Aufregendes im Gange, auf das ich nicht freiwillig verzichten sollte. Ich bekomme richtig Druck, etwas zu unternehmen. Und so kämpfe ich mit der Ausgehpflicht am Samstagabend. Es muss doch möglich sein, einen entspannten Abend zuhause zu verbringen, während die Freunde um die Häuser ziehen. Ohne sich ausgeschlossen zu fühlen. Oder langweilig. Bisher habe ich mir die Zeit nicht genommen, weil ich immer daran dachte, was mir in einer Nacht alles entgehen könnte. Aber jetzt ist die Sehnsucht danach, samstagabends statt ins kleine Schwarze einfach in meine heißgeliebte XXL-Jogginghose zu klettern ins unermessliche gestiegen. Lasst mich doch alle in Frieden mit eueren ewigen Exzessen! Was haben diese Leute in meinem Alter nur gegen ein bisschen Ruhe? Dabei gibt es doch nichts Schöneres als ein paar Tage der Desozialisierung. In meinem für gewöhnlich überdurchschnittlich artikulierten Leben muss auch mal Funkstille sein. Ich will ungeschminkt und mit wirren Haaren, eine Pizza im Ofen, endlich das Buch lesen, das schon so lange herumliegt, oder einen Blockbuster im Fernsehen gucken. Ich bleibe zuhause. Ich weigere mich. Zumindest heute. Ausgehen ist normalerweise schon am Mittwoch das meistdiskutierte Thema. Alles beginnt damit, dass im Laufe der Woche auf dem Schulgelände Partyflyer verteilt werden. Das ist der Startschuss für die Diskussionen unter meinen Freunden, was es sich am Wochenende am meisten zu unternehmen lohnt. Jedesmal tun sie sich diesen Stress an. Neben den Clubpartys gibt es noch die Alternativen, selbst etwas auf die Beine zu stellen oder von jemandem eingeladen zu werden, der selbst etwas auf die Beine stellt. Am Ende stellt sich ein Event als besonders vielversprechend heraus und dort gilt es aufzuschlagen. Ich teile diese Begeisterung für Wochenendunternehmungen nicht mehr. Mittlerweile erscheint mir diese Dauerparty albern und ich habe schon gar keine Lust mehr auf Samstagabende. Ich brauche eine Pause vom Remmi-Demmi. Eine Auszeit von DJs, Dancefloors, pappsüßen Alkoholmixgetränken und anstrengendem Smalltalk. Ich habe keine Angst mehr, die Welt könnte sich in dieser einen Nacht komplett auf den Kopf stellen. Nach jeder durchzechten Nacht gibt es eine Hand voll Skandale, so wird es auch heute sein. Zum Beispiel wird Tom zu viel trinken und mit seinem Fahrrad im Ammersee landen. Lisa wird wieder total nuttig angezogen sein und vielleicht trotzdem den gut aussehenden Blonden aus dem Spanischkurs abschleppen. Die Schüchternen werden plötzlich voll aus sich rausgehen und die Selbstbewussten jede Hemmungen verlieren. Wenn ich am nächsten Tag die Schnappschüsse davon im Internet sehe mit Bildunterschriften wie „Geiler Abend, Leute!“, bin ich für gewöhnlich neidisch, weil ich nicht dabei war, als das alles passierte. Aber ich war schon so oft dabei, dass ich weiß wie es eigentlich läuft. In Wirklichkeit wird Tom dann nur missmutig und pitschnass frühzeitig vom Ammersee nachhause waten, Lisa wird doch nur wieder den komischen Strebertypen aus der Unterstufe abbekommen und überhaupt wird die Vielzahl der Ereignisse so beschämend sein, dass alle sich Mühe geben werden, sie bis zum nächsten Wochenende zu verdrängen. Das muss ich nicht haben. Stattdessen bin ich damit beschäftigt, meine Seele baumeln zu lassen. Insofern man damit aktiv beschäftigt sein kann. Aber das ist ja gerade das schön. Ich möchte überhaupt nicht beschäftigt sein. Ich will überhaupt nichts tun. Ich bin fast schon stolz auf mich wie ich, statt nachts um vier betrunken zur Haustür hereinzustolpern, um elf Uhr bereits vom Sofa in Bett gekrochen bin. Denn ich habe mich durchgesetzt gegen den verdammten Druck, immer auf Achse sein zu müssen. Ich überlege mir, was ich sagen werde, wenn wir uns am Montag über das Wochenende austauschen: „Ihr glaubt nicht wie angenehm diese Sofakissen sind. Da habt ihr echt was verpasst!“. Klingt doch gar nicht übel. Friedlich schlafe ich beim Nichts-Tun ein. Am nächsten Vormittag ruft meine Freundin Julia an und ich höre interessiert zu, was sie über die nächtlichen Strapazen zu erzählen hat. Ich bin nicht neidisch. Die Welt hat sich in dieser Nacht nicht auf den Kopf gestellt. „Das nächste Mal bist du aber wieder dabei, oder?“, fragt sie. „Mal sehen“, sage ich fröhlich. Die Autorin Sophie Mathiesen ist 17 Jahre alt und macht gerade ein Schülerpraktikum in der jetzt.de-Redaktion.