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Der Nazi im Computer - der Aufstieg rechter Computerspiele
Geschichtsklitterung am Bildschirm: In Spielen wie Call of Duty kämpfen rechte Clans die Schlachten des zweiten Weltkriegs aufs Neue. (Bild: AP) Der Geschäftsführer der Gesellschaft Demokratische Kultur, Bernd Wagner, äußerte sich im August 2007 in einem Radiointerview zu der gestiegenen Zahl von so genannten rechten „Hassvideos“ auf Videoportalen wie YouTube. Dabei stellte er heraus, dass rechtsextreme Kreise sich gerne der neuen Medien bedienten, wenn es um die Verbreitung ihrer ideologischen Inhalte gehe. Mit dieser Meinung steht Wagner nicht alleine da. Auch der Journalist Burkhard Schröder, der die Distribution rechtsradikaler Musik beobachtet, teilt diese Auffassung. Das Internet scheint – kulturpessimistisch betrachtet – zu einer braunen Spielwiese zu verkommen. Wen wundert es da, dass auch die Video- und Computerspielindustrie unliebsamen Besuch von rechts außen bekommen? First-Person-Shooter stellen als Genre und Phänomen kultureller Durchdringung einer ganzen Generation von Spielern eine Erfolgsgeschichte dar. 1992 kann als Schlüsseljahr in der Entwicklung des Genres der First-Person-Shooter gelten. Hatten zuvor nur PC-Simulationen und Weltraum-Actiontitel von 3D-Modellen Gebrauch gemacht, so waren es die Texaner der Software-Firma Id Software, welche das stilbildende „Wolfenstein 3D“ für den heimischen Computer veröffentlichten. Erstmals konnte aus den Augen des Protagonisten agiert werden. Den endgültigen Durchbruch des Genres jedoch schaffte ein anderer Titel von Id Software 1996: „Quake“. Hatte man es bisher lediglich mit zweidimensionalen Arrangements samt unterschiedlichen Höheebenen zu tun, gab es nun echte 3D-Modelle von Figuren und Umgebung zu bestaunen. Die zweite Fortsetzung des Titels, „Quake 3 Arena“ richtete sich bereits komplett auf das Onlinespiel aus. „KZ-Manager“ auf dem Schulhof Kommende First-Person-Shooter, wie etwa „Call of Duty 4“ werden ohne Online-Modi nicht mehr ausgeliefert werden. Durch die Tradition des Onlinespielens hat sich mittlerweile eine sehr vielfältige Spielkultur entwickelt, die sich so genannten „Clans“ organisiert. Diese Clans treten in Spielen gegeneinander an, welche in privater Runde, aber auch in Form von E-Sports-Turnieren stattfinden. Eines der dominanten Spielmotive vieler aktueller First-Person-Shooter bildet der Zweite Weltkrieg. Clans und deren Spieler können in vielen der Kriegsspiele, in etwa bei „Medal of Honor: Allied Assault“, virtuell gegeneinander in die Schlacht ziehen, sich jedoch zuvor für eine militärische Seite des Konflikts entscheiden. Zur Wahl stehen häufig die Alliierten oder die faschistischen Achsenmächte. Was zunächst wie eine einfache Wahlmöglichkeit aussieht, lohnt einen zweiten Blick, denn gerade First-Person-Shooter-Clans sind nicht selten, beabsichtigt oder nicht, Träger rechtsextremer Ideologie. Während zu C-64 Zeiten auf dem Schulhof in kleinen Auflagen verbotene Schundsoftware vom Schlage eines „KZ-Manager“ die Runde machte, stellen sich heute ganz andere Herausforderungen und Probleme. Man kann, grob gesprochen, von zwei nazistischen Bedrohungsfronten ausgehen. Zum einen lädt das Internet als globaler und einfach zu bedienender Distributionskanal immer häufiger rechte Kreise dazu ein, kleine, mit braunem Gedankengut aufgeladene Flashspiele zum Download bereit zu stellen. Eine einheitliche Rechtsprechung fehlt, und die Server sind meist im Ausland angesiedelt. Die andere Front bildet selbst einen fundamentalen Anwenderteil der heutigen First-Person-Shooter-Landschaft. Aktuelle PC-Titel erlauben es, Modifizierungen am Spiel vorzunehmen und diese weltweit zu tauschen. Das bedeutet, das Aussehen der Spielfiguren oder der Sound können von den Spielern verändert werden. Oftmals wird diese Möglichkeit der spielerischen Freiheit aber missbraucht, um rechtsextremen Positionen und faschistischer Digitalhuldigung Tür und Tor zu öffnen. Mehr als nur die Farbe der Uniform In seinem äußerst fundierten Artikel „Nazi-Clans und Militär-Fanatiker im virtuellen Stahlgewitter“ nimmt sich der Sozialwissenschaftler Hartmut Gieselmann einige der First-Person-Shooter-Clans vor – sein Ergebnis ist erschreckend: Schon die Clannamen zeigen oftmals, welcher Wind hier weht. Da findet man etwa den Clan „Das Reich SS“ (in Anlehnung an die 2. SS-Panzerdivision „Das Reich“) oder die Spielergruppe „1st SS LAH“ (Vorbild: 1. SS-Panzergrenadier-Division „Leibstandarte Adolf Hitler“). Gieselmann arbeitet heraus, in welch völlig entpolitisierten und enthistorifizierten Zusammenhang diese Clannamen stehen. Zwar beteuern die Betreiber dieser Seiten, ihr Auftritt habe nichts mit einer Bewunderung des Nationalsozialismus, dem Reichskanzler Adolf Hitler sowie der Waffen-SS zu tun, aber oft genügt schon das Anklicken eines einzigen Links auf der Clanseite, um zu aussagekräftigen, anderen Webseiten zu gelangen, die weniger Hehl daraus machen, wie sehr die nationalsozialistische Ideologie im Zentrum ihres Denkens und Handelns steht. Der Zweite Weltkrieg und die Rolle, die Deutsche Wehrmacht und SS in diesem spielten, entwickeln sich in diesem Klima zu einem Zerrbild aus diffusen Überzeugungen, Halbwissen und clever gestrickter Propaganda. In den zu den Webseiten der Clans gehörenden Diskussionsforen häufen sich hanebüchene Geschichtsklitterungen. Die Aufnahme von noch jungen Spielern in Shooter-Clans bietet für rechtsradikale Kreise eine Möglichkeit, neue Mitglieder für die Szene zu rekrutieren. Denen ist oft nicht klar, dass es durchaus mehr Unterschiede zwischen dem Totenkopf-SS-Mann und dem amerikanischen GI gab als die Farbe der Uniform.