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Der Marsch zu den Institutionen
Subcomandante Marcos am Neujahrstag in San Christobal Er war einmal das Maskottchen der Linken – seine Botschaften schafften es auf das Album „Radio Bemba“ von Manu Chao und in den Bücherschrank vieler WGs, sein Konterfei war geheimnisvoll, seine Forderungen sprachen vielen aus den Herzen. Er nannte sich Subcomandante Marcos, Erster unter Gleichen der EZLN, der „Zapatistischen Armee zur Nationalen Befreiung“ aus Chiapas, dem armen Süden Mexikos. Und er hatte eine Traum. Democracia. Libertad. Justicia. Para todos todo. Es ist ein alter Traum. Dieser Traum von einer besseren Welt hat die EZLN und ihren immer Pfeife rauchenden, immer mit einer Maske vermummten Subcomandante 1994 nach San Cristobal de las Casas gebracht. Das war dann gleich ein berühmter Aufstand: Die EZLN wollte auf Mexiko-Stadt marschieren, doch dann einigten sich die Regierung und die aufständischen Zapatisten auf einen Waffenstillstand, der bis heute hält. Die EZLN, die als Guerrilla-Armee begann, entsagte der Gewalt und wandelte sich zu einer vor allem politisch aktiven Bewegung der Indeginas, der ursprünglichen Bewohner Mexikos – und zu einem Fokus der Linken der Welt. Die EZLN verbesserte die Situation der Indeginas, setzte in Teilen der Provinz Chiapas de facto eine Autonomie durch, forderte ein Gegenmodell zur Globalisierung. Sie veranstaltete „Intergalaktische Treffen gegen Neoliberalismus und für Menschlichkeit“, entwickelte Pläne, die Welt basisdemokratisch, radikal und gerecht zu verändern, wurde als Speerspitze einer weltweiten Bewegung verstanden. Das letzte Mal in den Nachrichten war Subcomandante Marcos im vergangenen Sommer: Es wurde bekannt, dass die EZLN die Fußballmannschaft von Inter Mailand zu einem Freundschaftsspiel herausgefordert hatte. Inter Mailand sagte zu. Manche sagten, die EZLN habe einen neuen, großen Weg beschritten, sei Leitstern für andere Bewegungen, die sich revolutionär nennen, und außerdem Vorbild für eine bessere Welt. Manche sagten, die EZLN habe nun endgültig ihre Ideale verraten, sei so etwas wie Inter Mailand geworden, eine 1A-Marke, die mehr dem Erfolg und dem Geschäft zugeneigt sei als der eigentlichen Idee. Andere sagten, die EZLN sei nichts weiter als ein Traum. Ein schlimmer, ein falscher, ein richtiger Traum, ganz egal – aber ein Traum. Gestern, heute, morgen. Jetzt hat sich die EZLN auf den Weg gemacht. Schon wieder, wieder einmal oder endlich wieder. Je nachdem. Sie hat die Otra Campaña ausgerufen, in Abgrenzung zum gerade laufenden Präsidentschaftswahlkampf in Mexiko. Sie wolle, so hatte sie vergangenen Sommer in einer Erklärung bekannt gegeben, mit allen linken Kräften in Mexiko „eine Alternative zur neoliberalen Zerstörung“ entwickeln. Deswegen wird Subcomandante Marcos ab heute ein halbes Jahr durch ganz Mexiko reisen. Aus dem Lakadonischen Regenwald, wo die EZLN ihre Basis hat, ist er inzwischen in San Cristobal de las Casas eingetroffen. Zu seinem nächsten Marsch zu den Institutionen. (Bild: afp)