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Der die Sache ins Rollen brachte
Der Anblick eines Skaters, der an ein paar Treppenstufen in der Stadt einen Ollie oder einen Boardslide übt, verwundert heute niemanden mehr. Skaten ist zu einem allgegenwärtigen Bestandteil der urbanen Jugendkultur geworden. Es ist einfach da, und man macht sich selten viele Gedanken darüber, wo es hergekommen ist und wie es eigentlich zu einem globalen Sport- und Lebensstil-Phänomen geworden ist. Diese Woche ist Larry Stevenson im Alter von 81 Jahren gestorben. Wäre er nicht gewesen, wäre Skateboarden heute vielleicht nicht, was es ist.
Stevenson war ein Pionier des Skatens, seine Einfälle, Erfindungen und sein Unternehmungsgeist haben den Sport geprägt. 1969 erfand er das sogenannte Kicktail, die Aufbiegung am hinteren Ende des Bretts. Vorher waren die Bretter flach, man fuhr vor allem Slalomkurse, surfte auf dem Asphalt der hügeligen Straßen Kaliforniens bergab oder machte Freestyle-Figuren – Handstände und andere, fast schon ballett- oder voltigierartige Tricks auf dem flachen Asphalt. Mit dem Kicktail bekam das Skaten plötzlich eine neue Dimension. Sprünge waren plötzlich sehr viel einfacher, das Skateboard war nicht länger an die Straße gefesselt, wurde zum Flugobjekt. Das Street- und Halfpipe-Skaten, wie man es heute kennt, mit meterhohen Airs und komplexen Sprung- und Grindkombinationen wurde durch Stevensons Einfall erst möglich. „Ohne die Erfindung des Kicktails hätte es 99 Prozent der Tricks, die man heute macht, nie gegeben“, sagt Holger von Krosigk, ehemaliger Skateprofi und Herausgeber des Place Skateboard Magazins.
Als das Kicktail den Sport veränderte, hatte das Skateboarden schon eine erste Hochphase hinter sich. Und auch daran hatte Stevenson maßgeblichen Anteil. Michael Brooke, Autor eines Klassikers der Skateboard-Geschichte, bezeichnete Stevenson in der Huffington Post als „Godfather“ der Skate-Kultur. „Vor ihm waren Skateboards nur Spielzeuge.“
Larry Stevenson
Larry Stevenson, 1930 geboren, arbeitete nach seiner Rückkehr aus dem Koreakrieg als Rettungsschwimmer in Venice Beach in Kalifornien. Von seinem Hochsitz aus überwachte er die Badenden, hatte aber auch immer wieder Zeit, sich anzuschauen, was auf der Strandpromenade hinter ihm passierte. Als er dort Anfang der 60er-Jahre Kinder und Jugendliche mit meist selbstgebauten Boards herumfahren sah, hatte er eine „Eingebung“, wie er später mal in einem Interview sagte. Wenn es bessere Skateboards gäbe als diese Klapperkisten, so dachte er, könnte man den Boom, den das Wellenreiten zu dieser Zeit gerade erlebte, auch an Land tragen. Und genau das tat er: In seiner Garage begann er Boards zu designen, deren Form an Surfbretter angelehnt war und die mit besseren Rollen und Achsen ausgestattet waren. Er gründete die Firma Makaha Skateboards und gab seine Bretter den Top-Surfern der damaligen Zeit, ließ sie damit skaten und publizierte Geschichten darüber im Surf Guide, einem Surfmagazin, das er selbst herausgab. Mit Makaha gründete er das erste Skateboardteam und sponserte den ersten Skateboard-Contest. Zwei Jahre später verkaufte Stevenson mehr als 2000 Boards pro Tag. „Seine Marke Makaha hat Skateboarding auf der Produktseite sehr geprägt“, sagt Holger von Krosigk heute. Der Evolutionsschritt war getan. Das Asphaltsurfen war populär.
http://www.youtube.com/watch?v=O4IIuU5XSMQ
Eine Beileidsbekundung in Videoform, zusammengestellt vom Poweredge Magazine, das Stevenson Mitte der Achtzigerjahre gründete.
Der Erfolg konnte aber nicht verhindern, dass Skaten nach diesem Anfangsboom erst mal den Bach herunterzugehen schien. Wegen der Verletzungsgefahr wurde das Skaten Mitte der Sechziger zum Teil verboten, ein Cover des Life Magazine warnte vor der neuen „Bedrohung". Viele junge Skateboardhersteller mussten ihre Fabriken wieder schließen, auch Stevenson hatte zu kämpfen und nahm wieder auf seinem Rettungsschwimmer-Hochsitz Platz. Aber sein Erfindergeist verließ ihn nicht, er hörte nicht auf, sich darüber Gedanken zu machen, wie man das Skateboard noch weiter verbessern könnte.
Das hat er geschafft. Und dafür kann man ihm dankbar sein, wenn man das nächste Mal im Vorbeigehen einen Skater einen Trick an einer Treppe üben sieht.
Text: christian-helten - Fotos: afp, Screenshot