- • Startseite
- • Redaktionsblog
-
•
Demokratiebaustelle Internet: Was ist dran an der E-Partizipation?
Wenn es heutzutage ein Medium gibt, in dem die oftmals verwünschten Grenzen zwischen Sender und Empfänger gefallen sind, dann ist es wohl das Internet. Kürzlich hat das British Council Germany in Kooperation mit politik-digital.de die Seite e-participation.net gelauncht, die einen Eindruck darüber gibt, wie vielseitig das Internet für politische Partizipation genutzt werden kann: Von Bürgern, die über den Haushalt und städteplanerische Fragen mitdiskutieren bis zu Bauern, die den Agrarminister von ihren Ansichten zu EU-Subventionen überzeugen möchten, ist beinahe alles zu finden. Auch in der Parteienlandschaft hat sich dieser Trend zu E-Partizipation herumgesprochen. Man setzt auf Online-Foren, Wikis und andere Tools, um die Ideen und Meinungen der Bürger in den innerparteilichen Willensbildungsprozess aufzunehmen. Ganz aktuell: Die SPD lässt Internetnutzer in einer eigens eingerichteten Online-Programmwerkstatt an ihrem Grundsatzprogramm mitfeilen, der Koalitionspartner CDU fordert dazu auf, „10 Zeilen für Deutschland“ und für das Parteiprogramm zu schicken.
Screenshots von SPD und CDU Trotz diesen mannigfaltigen Möglichkeiten scheint die große Euphorie, die aufkam, als vor der Bundestagswahl 2005 politische Blogs wie Unkraut aus dem Web-Boden schossen, wieder verschwunden zu sein. Man hat nicht wirklich den Eindruck, politische Kommunikation im Internet hätte dem wütenden Monster Politikverdrossenheit endlich ein Bein gestellt und Volk und Führungseliten zu einem neuen Dialog zusammengeführt. Auch bei den Online-Unternehmungen der Parteien bleibt der Verdacht, es geht ihnen eher darum, den Web 2.0-Zeiten nicht großmütterlich hinterherzuhinken, sondern in der öffentlichen Wahrnehmung möglichst modern zu erscheinen. Die Meinungen hierzu sind aber durchaus verschieden. Professor Vowe, Kommunikationswissenschaftler aus Düsseldorf, macht die Ernsthaftigkeit der Onlineangebote vor allem an daran fest, dass der betriebene Aufwand in diesen Bereichen sich in einem stetigen Wachstum befindet. Die Budgets für Online-Kommunikation schwellen ebenso an wie die dafür zuständigen Abteilungen in Wahlkampfteams der Parteien. Und die Bemühungen scheinen Früchte zu tragen: SPD und CDU sind mit der Resonanz ihrer Angebote sehr zufrieden, und eine Studie Vowes zu diesem Thema hat ergeben, dass bei Partizipationsmöglichkeiten im Netz die Hemmschwelle, sich an Politik zu beteiligen, niedriger liegt. Irgendwie logisch: Eine E-Mail ist wesentlich schneller an den Abgeordneten oder die Partei gebracht als ein Brief. Die wohl interessanteste Erkenntnis liegt jedoch darin, dass vor allem jüngere Leute zwischen 16 und 29 – also genau diejenigen, denen Politikverdrossenheit am häufigsten nachgesagt wird – sich wieder politisch engagieren. Auch wenn sie nicht auf Demos gehen oder zu Bürgerentscheiden ins Rathaus laufen, zwischen Flugbuchen und Musik-Downloads im dritten Tab durch die politischen Online-Angebote Surfen und den Parteien sagen, wo’s in Zukunft langgehen soll, ist durchaus drin. Bei campact.de, einer Plattform, die sich mit schnellen E-Mail-Aktionen oder Online-Demos in anstehende Entscheidungen einmischt, melden sich jeden Monat 1000 neue Mitglieder an. Insgesamt sind dort bereits 23.000 User registiert.
Aber lassen die Parteien sich überhaupt reinreden? Inwieweit die auf Seiten wie „Programmwerkstatt“ und „Grundsätze für Deutschland“ geposteten Ideen tatsächlich in die innerparteiliche Debatte einfließen, bleibt zunächst ungewiss. Genau das, so Christoph Dowe, Geschäftsführer von politik-digital.de, sei aber eine der wichtigsten Grundregeln für erfolgreiche E-Partizipation: Dem Nutzer offen und sofort einsehbar mitteilen, was mit den Beiträgen passiert, wie sie ausgewertet und bearbeitet werden. So kann er sofort entscheiden, ob sich der Aufwand lohnt, und wie hoch sein Einfluss tatsächlich ist. Außerdem vermisst Dowe eine generelle, in der politischen Kultur Deutschlands zu wenig verbreitete Experimentierfreude. Die Briten und die Niederländer seien hier viel weiter. „Während bei uns der typische Perfektionismus vorherrscht, wird zum Beispiel in der Downing Street in wenigen Wochen eine Betaversion aus dem Boden gestampft, in Betrieb genommen und weiterentwickelt.“ Aus dem Konrad-Adenauer-Haus ist zur Frage nach der Ergebnisverwertung zu hören, dass die „10 Zeilen für Deutschland“, die übrigens auch Nicht-Mitglieder senden können, gelesen, inhaltlich ausgewertet und an den mit dem jeweiligen Thema befassten Arbeitskreis weitergegeben werden. Ähnlich bei der SPD: Auch hier werden die geposteten Thesen, die auf der Seite von registrierten Nutzern nach Vorbild des Digg-Prinzips auch beurteilt werden können, ausgewertet und weiterkommuniziert. Was allerdings völlig fehlt, ist eine Diskussion, in der die interaktiven Möglichkeiten des Internets voll ausgenutzt werden, und Bürger und Politiker fühlbar in Kontakt treten können, wie es auf Abgeordnetenwatch.de der Fall ist. Hier werden Abgeordneten Fragen gestellt, deren Antworten öffentlich einsehbar sind, ebenso wie eine Statistik, aus der ersichtlich wird, wenn die befragten Parlamentarier sich vor einer Antwort drücken. Gruppenzwang 2.0. Klar, es ist völlig unmöglich, jedes Thema im Internet mit den Volksvertretern oder Parteidelegierten zu diskutieren. Das kann auch gar nicht das Ziel sein, schließlich ist ein Abgeordneter gewählt und für die Zeit seiner Legislaturperiode bekanntlich nur seinem Gewissen verantwortlich. Außerdem hat sich gezeigt, dass es offeneren Foren oder Wikis oft an Zielstrebigkeit mangelt. Sie ufern aus oder verlaufen sich gerade bei emotional geladenen politischen Themen in aggressiven Streits. Eine heilsbringende Optimallösung hat sich im politischen Teil der Internetwelt also noch nicht herauskristallisiert.