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Das waren meine X! Eine Biografie entlang des gekreuzten Buchstabens
1. X-Men und Mr. X - die Actionhelden meiner Kindheit
Schon in meiner Kindheit wurde ich mit dem zwielichtigen Buchstaben bombardiert. Professor X gründete die Comic-Mutanten X-Men und im Brettspiel Scotland Yard jage ich mit Spielkameraden endlose Nachmittage den Bösewicht Mr. X. Ich lerne: die spannendsten Dinge passieren immer kurz vor Schluss. In diesem Fall vor dem Schluss des Alphabets.
2. X-Large - die erste Begegnung mit Popkultur
Durch das österreichische Fernsehen lerne ich schon früh die Grundzüge der Popularkultur kennen. Ich verstehe wenig und der exzentrische Falco stößt mich eher ab. Trotzdem sehe ich fasziniert zu, wie Musikvideos über den Bildschirm flackern und Arabella Kiesbauer exzessiv mit Superlativen um sich wirft. Späteren Neuauflagen wie Tracks (Arte) kann ich wenig abgewinnen. Vielleicht liegt’s am fehlenden X im Titel?
3. X-Files - die Vorbereitung auf mein Leben
Kaum darf ich endlich länger aufbleiben und fernsehen, da übe ich schon das für meine Generation typische Serien-Gucken ein. Der Witz der Sendung Akte X: Es gibt jede Menge Verwicklungen und Andeutungen, aber letztendlich passiert nie wirklich was. Vielleicht die beste Vorbereitung auf ein mitteleuropäisches Mittelschichtsleben.
4. Auf Ex - die Mannwerdung in der Provinz
Männlichwerden in der Provinz ist eine ziemlich anstrengende, bisweilen befremdliche Angelegenheit, die sich in diverse Tätigkeiten mit X splittet: Extrovertiertsein, extreme Coolness zeigen, Heterosexualität. Ich verlege mich auf das, was mir am einfachsten scheint: allwochenendliches Kampfsaufen in Provinzdiskos mit Namen wie „Xanadu“, „Exxotic“ oder „Traxx“ – immer auf Ex!
5. X-Box, Komplexe und XXX - die faulen Jungmann-Jahre
Das Privileg junger Männer ist es, sich für eine gewisse Zeit folgenlos aus der Welt zurückziehen zu dürfen. Kiffen, Aggressivsein, penetrante Melancholie, dilettantisches Gitarrengeklampfe, mystische Literatur, Versiffen in der ranzigen Butze und endlose Zeitverschwendung mit X-Box und XXX-Pornos steht man jungen Männern in der „Selbstfindungsphase“ zu. Bis sie schließlich selbst finden, dass man auf diese Beine kein Leben stellen kann.
6. Xerox - der druckende Dauerbegleiter
Etwa viertausend Quadratkilometer Regenwald müssen für das Papier draufgegangen sein, das ich während meines Studiums verkopiert habe. Die Zeit, die ich am Fotokopierer verbringe und in der das grüne Leuchten des Scanners mich bestrahlt, ersetzt Sonnenbankbesuche für die nächsten 40 Jahre.
7. Xing - der Blick in meine Zukunft .
Jetzt soll man auch noch Karriere machen! Nach einer 10-minütigen Testphase in der Job-Community Xing melde ich mich wieder ab. Diese plumpe Extroversion ist eigentlich nicht mein Ding. Aber wie lange werde ich meine Verweigerung durchhalten? Bisher hat mich noch jedes X eingeholt.
Text: sebastian-mraczny - Illustrationen: Judith Urban