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Das Online-Geschäft mit dem Tod
Vor knapp fünf Jahren erschien das Buch „P.S. Ich liebe dich“ von Cecelia Ahern, das kurze Zeit später mit Gerard Butler und Hilary Swank in den Hauptrollene auch erfolgreich verfilmt wurde. Darin geht es um das Ehepaar Holly und Gerry, das in New York glücklich zusammenlebt, bis Gerry ganz unerwartet an den Folgen eines Gehirntumors stirbt. Holly ist am Boden zerstört – bis sie plötzlich Briefe von Gerry bekommt. Diese hat er im Wissen seines bevorstehenden Todes noch rechtzeitig verfassen können. Aber wer hat sie versandt?
In Buch und Film bleibt die Frage unbeantwortet, schließlich ist dieses Geheimnis ein essentieller Bestandteil des Zaubers hinter dieser dem Tod trotzenden Liebeserklärung. Dabei ist die Antwort vermutlich sehr viel einfacher und unromantischer, als die zu Tränen rührende Umsetzung auf den ersten Blick vermuten lässt: Wahrscheinlich hat der arme Gerry einfach einen der vielen neuen Online-Dienste genutzt, die sich mittlerweile um die (vorwiegend digitale) Nachrichtenüberbringung und Nachlassverwaltung Verstorbener kümmern.
In Gerrys Fall mag es der Service des britischen Anbieters lastpost.com gewesen sein, mit dessen Hilfe man Briefe oder E-Mails post mortem versenden kann. Dieser Dienst ermöglicht den Dahingeschiedenen das Zustellen einer letzten persönlichen Nachricht, für die zu Lebzeiten keine Zeit, keine Gelegenheit oder schlicht und ergreifend kein Mut vorhanden war.
Ein ähnliches Geschäftsmodell hat auch ein Unternehmen in der Schweiz entwickelt. Unter dem schwarzhumorigen Namen Finalpopup wird Kunden angeboten, E-Mails, SMS oder Videobotschaften an Freunde, Verwandte und Bekannte zu versenden, sobald man nicht mehr unter den Lebenden weilt. Mit schmissigem Logo, dem leicht unpassend wirkenden Firmenslogan „Don’t Miss It“ und einem Begrüßungszitat von John Maynard Keynes auf der Startseite der Website („Langfristig sind wir alle tot“) fühlt man sich als potenzieller Kunde jedoch irgendwie nicht ganz ernst genommen. Wer sagt denn überhaupt, dass sämtliche Vereinbarungen nach dem Ableben auch eingehalten werden? Eine „Auftrag erfüllt“-SMS ins Jenseits kann man sich nämlich leider nicht schicken lassen.
„Das Schaffen einer Vertrauensbasis ist leider sehr schwierig“, erklärt daher auch AssetLock-Chef Collin Harris. AssetLock kümmert sich zwar vorwiegend um die virtuelle Nachlassverwaltung Verstorbener - wie der Löschung von Facebook-Profilen oder dem Weitergeben von Passwörtern zu E-Mail-Konten -, doch das Problem bleibt dasselbe: Wie kann man sicher gehen, dass sämtliche Vereinbarungen nach dem eigenen Tode auch umgesetzt werden? Woher weiß man, dass kein Schindluder mit seinen Daten getrieben wird? Und woher wissen die Firmen überhaupt, dass man tot ist?
Auf jede einzelne dieser Fragen haben die Firmen ihre eigenen Antworten gefunden. Jeder Anbieter tut sein Bestmögliches, um potenziellen Kunden eine professionelle Ausführung ihrer in Anspruch genommenen Dienstleistung zu garantieren. So sind die Zugänge der meisten User-Konten ähnlich sicher verschlüsselt wie Online-Banken, sodass Unbefugten der Zugriff auf Zugangsdaten und Kontoinformationen von außen zumindest sehr schwer gemacht wird. Das aus einem universitären Abschlussprojekt entstandene Unternehmen mywebwill.com ist zudem an das amtliche Melderegister im Gründerland Schweden angeschlossen, über das der jeweilige Tod dem Webwill-System unverzüglich mitgeteilt wird. Andere Dienste wie Deathswitch oder der Last Message Club verlangen in regelmäßigen Abständen eine Bestätigung, um die eigene Lebendigkeit unter Beweis zu stellen – andernfalls wird nach diversen Kontaktversuchen vom Tod des Kunden ausgegangen, und die vorgefertigten Nachrichten werden an ihre Empfänger verschickt.
Ganz billig sind all diese Dienste freilich nicht. Je nach Tarif, Lebensdauer und der Umsetzung individueller Extrawünsche erreicht man locker einen mittleren dreistelligen Betrag, auch wenn die günstigsten Varianten bereits ab zehn Euro zu haben sind. Denn wie heißt es doch so schön: Nur der Tod ist umsonst.
Ob man sein virtuelles Vermächtnis tatsächlich professionell über die genannten Online-Dienste regeln, rührselige Todesgrüße aus dem Jenseits ausrichten oder eine Trauerfeier zum eigenen Angedenken bei „World Of Warcraft“ veranlassen möchte, muss am Ende wohl jeder für sich selbst entscheiden. Über den Nutzen und die Notwendigkeit einer solchen Dienstleistung lässt sich sicherlich streiten.
Was die Ausführung der vereinbarten Dienstleistungen nach dem eigenen Tod anbelangt, bleibt einem jedoch wohl nichts anderes übrig, als das Beste zu hoffen. Denn die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.
Text: daniel-schieferdecker - Foto: dpa