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Das kostet einen Euro – oder ein Selfie!
Eigentlich ist es rührselig: heißt die aktuelle Vor-Valentinstag-Kampagne von McDonald's in den USA. In dem Spot dazu sagen Eltern ihren Kindern zwischen Fritten und Happy-Meal-Geburtstagfeier, wie sehr sie sie lieben. Die Idee dahinter: McDonald's akzeptiert Liebe als Währung, wer mal wieder seine Mama anruft oder ihr ein Selfie schickt, bekommt das Essen umsonst. Total selbstlos von McDonald's, möchte man sagen. Ist es aber natürlich nicht.
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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Denn die ganze Aktion ist Teil eines Trends, den sich immer mehr Firmen zunutze machen: Dem freiwilligen Tausch von persönlichen Daten gegen einen monetären Gegenwert. Im Fall von McDonald's teilen viele Nutzer freiwillig unter dem Hashtag #paywithlovin Bilder von der Aktion in sozialen Netzwerken. McDonald's erfährt so sehr genau, wer ihre Kunden sind und kann dieses Wissen für seine Marketingstrategien und personalisierte Werbung einsetzen. Und das alles zum Preis eines Cheeseburgers.
Dass unsere Daten Unternehmen etwas wert sind, ist bekannt. Dass wir sie selbst auch zu Geld machen oder gegen materielle Güter tauschen können, ist neu. Eine Hand voll Startups versucht sich momentan in Deutschland an diesem Konzept. „Pay with a tweet“ ist eines von ihnen, bei dem man digitale Güter, wie zum Beispiel E-Books, mit einem Werbetweet bezahlen kann. Oder das Hamburger Startup „Payorshare“, das Anfang dieses Jahres von Fiona Brandes, 28, und Max Fielker, 27, auf den Markt gebracht wurde. Fiona erklärt das Konzept so: „Payorshare bietet Usern im Netz eine Bezahlalternative bei digitalen Inhalten, das können Texte, Videos, Musik oder Games sein. Sie können entscheiden, ob sie entweder per Micropayment direkt bezahlen oder stattdessen einen Post zu dem Portal in ihren sozialen Netzwerken teilen.“ Eine Alternative zu Bezahlservices wie Paypal also. Eine andere Variante bei Payorshare ist der Erhalt von Coupons für das Posten eines Empfehlungslinks. Im Falle eine Carsharing-Firma erhält der Nutzer dann zum Beispiel Freikilometer, auch Rabatte in Online-Shops wären möglich.
Der gepostete Link wird dabei natürlich von der beworbenen Firma festgelegt, der Nutzer kann ihn allerdings frei kommentieren. Um zu vermeiden, dass die Käufer die Firma dabei negativ bewerten, wir der Post mit einer Blacklist an Worten abgeglichen, die nicht darin vorkommen sollten – sonst wird der Post nicht gesendet.
Aus Sicht von Max und Fiona haben beide Seiten etwas von diesem Deal: Das Unternehmen erhält kostenlose Werbung in privaten Timelines, die deshalb auch nicht durch einen Adblocker beseitigt werden kann. Zusätzlich erhält es genaue Informationen über seine Kunden auf Basis von deren Profilen in sozialen Netzwerken. Es kann Menschen belohnen, die für eine besondere Reichweite der Werbebotschaft sorgen, oder seine Marketingstrategie anpassen, wenn die Käufer ganz anders sind als bisher gedacht. Der Nutzer wiederum erhält zum ersten Mal überhaupt etwas: einen Gegenwert für seine Daten.
Denn bereits jetzt hinterlässt jeder gratis Spuren im Internet. Wer aktuell auf das Facebook-Profil eines Unternehmens geht und es vielleicht sogar liket, gibt dem Unternehmen Informationen über das Gerät, mit dem man die Seite aufruft (iPhone, Android-Handy, Computer?) und, je nach Ausführlichkeit des Profils und Privatssphäreeinstellungen, auch über Alter, Geschlecht, Wohnort, Bildung und Beziehungsstatus. Ein Traum für Zielgruppenforscher. Dafür muss man allerdings möglichst viele Kunden auf die Seite locken. Das geht einfacher, wenn diese potenziellen Kunden die Seite von Freunden empfohlen bekommen – und die Empfehlenden dann dafür auch eine Belohnung bekommen. „Wenn die Leute ein Gefühl dafür entwicklen würden, was sie für ihre Daten eigentlich verlangen können, wäre das keine schlechte Entwicklung. Die Infos auf Facebook-Profilen sind für andere viel wert und diesen Wert kann man nutzen. Bisher verkaufen sich da viele Nutzer zu billig“, sagt Max.
Wenn man für Posts Geld bekommen kann, wer macht das dann überhaupt noch gratis?
Prof. Rainer Böhme ist Wirtschaftsinformatiker an der Uni Münster und forscht über die Ökonomie von personenbezogenen Daten. Für ihn ist der Belohnungstrend beim Handel mit Daten eine logische Entwicklung: „Schon vor Social Media gab es bei Zeitungen 'Leser werben Leser'-Aktionen. Dabei wollte man herausfinden, wer wen kennt und dieser Person so ein möglichst passendes Angebot machen, für den werbenden Leser gab es noch eine Prämie obendrauf.“ Die Digitalisierung und vor allem der Boom von digitalen Zahlungsmöglichkeiten habe dieses Prinzip nur verfeinert und automatisiert.Aus seiner Sicht hat das nicht automatisch negative Folgen: „Positiv wäre es, aus Sicht von Verbraucher- und Datenschützern, wenn die Menschen wegen dieser Entwicklung auf einmal vorsichtiger mit ihren Daten umgingen, weil ihnen bewusst wird, dass diese tatsächlich Geld wert sind. Eine negative Folge daraus könnte allerdings sein, dass Unternehmen sich dann immer hinterlistigere Tricks ausdenken, um trotzdem noch günstig an die Daten der Nutzer zu kommen.“ Bereits jetzt sind bei vielen digitalen Gewinnspielen oder Mitmachaktionen Klauseln in den AGB versteckt, die die Nutzer beispielsweise ihre Bildrechte abtreten oder die Weiterverarbeitung der persönlichen Daten legitimieren lassen.
Und noch eine andere Sache sieht Böhme durch die Entwicklung bedroht: den Altruismus. „Bisher beteiligen sich die meisten Menschen gratis an Online-Diskussionen, meistens zum Nutzen aller Beteiligten. Wenn Menschen allerdings glauben, dass ihr Tweet auch etwas wert sein könnte, werden diese Debatten vielleicht gehemmt.“
An diesen Altruismus haben Fiona und Max allerdings noch nie geglaubt. "Wenn man heute etwas teilt, geschieht dies häufig, weil man das positive Image der Marke oder der Nachrichtenseite auf sich selbst übertragen möchte“, sagt Fiona. Dementsprechend würden Nutzer auch eher Links zu coolen Produkten teilen als zu Trash, ergänzt Max. Wem ein Produkt zu peinlich zum Teilen ist, der entscheide sich dann halt fürs Zahlen des vollen Preises.
Also können wir in Deutschland bald auch unser Eis mit einem Selfie bezahlen? Max würde so ein Konzept prinzipiell ausprobieren wollen, sieht aber noch technische Umsetzungsschwierigkeiten. Professor Böhme ist da optimistischer: „Die USA sind Deutschland in der digitalen Entwicklung zwar immer einen kleinen Schritt voraus, allerdings ist es auch dort noch nicht so, dass man jeden Kaffee in San Francisco mit einem Tweet bezahlen kann. Sollte es je dazu kommen – wenn die deutsche Start-up-Szene in etwas besonders schnell ist, dann im Kopieren.“
Text: charlotte-haunhorst - Illustration: Daniela Rudolf