Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Das Ende einer besseren Welt?

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Als die Bionade Ende der 1990er Jahre auf den Markt kam, war „authentisch“ wohl eine der am häufigsten genannten Charakterisierungen. Dies mag ihrem Erfinder, Dieter Leipold, zu verdanken sein. Zu Beginn des Bionade-Siegeszug war er nämlich bereits knapp 60 Jahre alt, acht Jahre seiner Lebenszeit hatte er im heimischen Badezimmer an der Bionade-Rezeptur gebraut. Ein sympathischer alter Mann, den man gerne für Interviews heranzog, da man ihm seinen großen Erfolg zum Lebensabend einfach gönnen musste. Zudem hatte er seine Bionade gegen alle Widerstände durchsetzen müssen: zu Beginn hatte sich niemand für sein alkoholfreies Biogetränk interessiert und trotzdem schaffte er es, 1995 die Produktion in der kurz vor der Insolvenz stehenden Privatbrauerei Peter im unterfränkischen Ostheim hochzuziehen.

Von Ostheim zum Rest der Welt und zurück - der Erfolg von Bionade droht zu bröckeln, seit dem Teile des Unternehmens von der Dr. Oetker Tochter Radeberger aufgekauft wurden.

Von der bayrischen Provinz nach Hamburg
Dass Bionade später ein rieiger Erfolg werden sollte, hatte er vor allem der Hamburger Bevölkerung zu verdanken. Vielleicht war es die Sehnsucht der Hamburger nach ein bisschen bayrischer Provinz, vielleicht war man auch nur auf der Suche nach einem neuen Kultgetränk gewesen; auf jeden Fall eroberte die Bionade ausgerechnet vom anderen Ende Deutschlands aus den Markt. 2002 wurden bereits 2 Millionen Flaschen jährlich verkauft, 2007 waren es 200 Millionen. Zwar war spätestens da das Produkt im Mainstram der Getränkeindustrie angekommen, trotzdem trank man es mit gutem Gewissen. Die Bionade wurde zu so etwas wie dem politisch korrekten Streber unter den Getränken, den trotzdem jeder leiden konnte.

Wen interessierte es da noch, dass der sympathische alte Herr, der die Bionade damals erfand, sich längst aus den Geschäften zurückgezogen hatte? Seine Stiefsöhne, Peter und Stephan Kowalsky leiten die Firma, 2002 war zudem aus finanziellen Nöten heraus der bayrische Getränkehersteller Rhönsprudel mit 51 Prozent eingestiegen. Dem Erfolg tat dies keinen Abbruch. Der Bionade-Kult war derart etabliert, die Beteiligung eines großen Unternehmens störte da niemanden.

Erst als angeblich 2006 Coca Cola in die Geschäfte einsteigen wollte, ging ein Aufschrei durch die Bionade-Gemeinde. Peter Kowalsky sagte damals noch in der TAZ: "Wenn wir denen das Unternehmen verkaufen, dann verkaufen wir auch uns. Unsere Identität.“ Mit pfiffiger Werbung ("Das offizielle Getränk einer besseren Welt", „Gut in Bio, schlecht in Chemie“) wurde danach weiterhin auf das Image als sympathischer Underdog gegen die böse Getränkeindustrie gesetzt. Ein bisschen wie bei David gegen Goliath, nur das Goliath in Form von Coca Cola sich 2008 mit einem Konkurrenzprodukt namens „Georgia“ auf den Biomarkt drängte, anstatt weiterhin zu versuchen, den Bionade-David zu verschlucken.  

Zwischen Bio-Litschis und Tiefkühlpizza
Die Strategie von Coca Cola zeigte Wirkung, mit Verweis auf Konkurrenzprodukte musste Bionade 2008 den Preis um 33 Prozent erhöhen. Als Konsequenz ging der Absatz massiv zurück. Zu diesem Zeitpunkt konnte Bionade sogar in der Deutschen Bahn oder im McCafé erworben werden, von bayrischer Dorfromantik keine Spur mehr. Zudem bekam das überkorrekte Bio-Image Risse, da die Verbraucherorganisation Foodwatch in einem Bericht feststellte, dass Bionade nicht zu 100 Prozent biologisch sei.

2009 dann übernahm Radeberger, eine Tochterfirma des Bielefelder Dr. Oetker-Imperiums, 70 Prozent des Unternehmens. Zwar wurde bei der Übernahme betont, dass Radeberger sich nicht in die Firmenphilosophie einmischen würde – dem Image schadete es trotzdem.
Ein Öko-Getränk aus den Händen eines Unternehmens, das Tiefkühlpizza als seinen „Wachstumsmotor“ bezeichnet, ist nun einmal nicht besonders glaubwürdig. Viele Konsumenten fühlten sich verraten, der Absatz ging weiter zurück.

Skeptiker, die nach dem Einstieg Dr. Oetkers bei Bionade den Untergang jeglicher Glaubwürdigkeit befürchteten, werden sich nach den jüngsten Ereignissen nun bestätigt fühlen. So hat Bionade im Rahmen einer Neuausrichtung der Sponsoringaktivitäten ihre Unterstützung für Anti-Gentechnik Organisationen zurückgefahren. Anstatt des Konzerts "Rock for Nature", das jährlich in Berlin nach der "Wir haben es satt" Demonstration gegen industrialisierte Landwirtschaft stattfindet, werden jetzt eher Aktionen wie "Jugend trainiert für Olympia" unterstützt. Die getreuen Bionade-Fans sind in Aufruhr, Geschäftsführer Peter Kowalsky ließ so gleich auf Facebook verkünden, dass man mit dieser Entscheidung niemanden habe verletzen wollen und es sich dabei nicht um eine grundsätzliche Neuorientierung der Bionade handle. Aus Sicht der Konsumenten bleibt aber mindestens ein fader Beigeschmack.

Noch im letzten Jahr hatte Bionade bei der interaktiven Kampagne "fragen kann man ja mal", die Frage gestellt: "Darf man seine Ideale verkaufen, wenn sie gut schmecken?" Eine Frage, die viele Bionade-Trinker nun wohl gerne vom Unternehmen selbst beantwortet hätten.


Text: charlotte-haunhorst - Foto: ddp

  • teilen
  • schließen