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Das "Die da!?"-Verbot ist aufgehoben
"In meinem Plattenladen hing fast jeden Tag dieser Typ rum. Der fuhr einen vollgesprühten Audi 80 und kaufte die ganzen HipHop-Importe. Irgendwann drückte er mir ein Demoband in die Hand, das wirklich extrem außergewöhnlich war - deutscher Rap, sogar mit deutschen Samples!" Wenn Bär Lasker sich an die erste Begegnung mit Michi Beck ("Hausmarke") erinnert, muss er ein bisschen schmunzeln. Denn dass aus dieser flüchtigen Bekanntschaft zu einem Kunden eine der größten Marken der deutschsprachigen Popmusik werden würde, das erwartete er wohl nicht, als er Beck und seinen Freunden anbot, fortan ihr Manager zu sein. Eine schöne und im Übrigen sehr schwäbische Geschichte, die angesichts der jetzt stattfindenden Feierlichkeiten zu 20 Jahre Die Fantastischen Vier ein bisschen in den Hintergrund rücken soll. Es geht um die Band. Um Thomas D., Smudo, And.Ypsilon und Hausmarke, vier Typen, die plötzlich da waren und irgendwie immer blieben. Die deutschsprachigen HipHop prägten, aber in der Szene wenig Anerkennung fanden, weil sie immer versuchten, mehr zu sein als nur Rapper. Geschäftsleute, zeitweilig mit eigener Plattenfirma. Künstler. Vor allem aber Popstars, die Sprechgesang massen- und radiokompatibel machte und damit den Weg für so ziemlich alles ebnete, was im Genre nach ihnen kam. Ihr 20. Geburtstag wird doppelt zelebriert - einmal mit einem großen Konzert am Samstag auf dem Stuttgarter Wasen, außerdem mit einer am 07. August erscheinenden Tribute-Doppel-CD.
"Wir waren total auf Rebellion gebürstet" Der erste Seitenhieb kam früh. "Sie nennen sich fantastisch, ich wundere mich, was sich die Jungs dabei denken, sie sind spastisch," textete Moses Pelham vom seinerzeit durchaus bekannten Rödelheim Hartreim Projekt in "Reime", als "Die da!?", die erste Single-Auskopplung aus dem zweiten Fantastischen-Vier-Album "Vier gewinnt", durch die Decke ging. Der erste relevante Diss im deutschen HipHop. Vergleichsweise harmlos im Vergleich zu dem, was dieser Tage Usus im Game ist, der Band damals wohl eher egal. Denn die hatte mit anderen Dingen zu kämpfen, zuforderst mit einer Popularität, auf die sie niemand vorbereitet hatte. "Wir konnten plötzlich nicht mehr aus dem Haus gehen, weil entweder eine Hass- oder eine Sympathiebekundung quer über die Straße gebrüllt wurde. Und immer, wenn wir an einem Flughafen an der Sicherheitskontrolle standen, fing jemand an, 'Die Da!?' zu rappen, erinnert sich Smudo. Thomas D. muss an andere Dinge denken, an Auseinandersetzungen: "Wir hatten plötzlich ganz viele Engagements und Auftritte, dann aber auch die ersten Streitereien: Sollen wir zu Dieter Thomas Heck gehen oder nicht? Spielen wir dieses Festival oder nicht? Wir mussten schnell lernen, mit lauter verschiedenen Sachen umzugehen: mit der Publicity, mit den Medien, mit der Erwartungshaltung der Fans und der Plattenfirma. Gleichzeitig kreischende Fans in der Fußgängerzone und das Nachdenken über das neue Album - das war alles viel zu viel." Das erklärt im Nachhinein vielleicht das, was folgte: "Die 4. Dimension", die wohl schwächste Platte der Band, das unsinnige Crossover-Projekt "Megavier" und eine eigene Fernsehsendung bei Premiere: "Wir waren total auf Rebellion gebürstet. Irgendwelche Tv-Typen ließen uns alles in die Kamera sagen, was wir gerade sagen wollten. Im Nachhinein war das total absurd", erinnert sich Smudo. Die Sache mit dem Hit hatte indes ein Nachspiel: "Innerhalb der Band herrschte als Konsequenz eineinhalb Jahre lang striktes "Die Da!?"-Verbot. Wer es aus Versehen sagte, bekam eine symbolische Ohrfeige und musste sich sofort entschuldigen." Gute 17 Jahre später ist das "Die da!?!" wieder erlaubt. Vielleicht, weil die Zeit alle Wunden heilt, vielleicht auch, weil die Gruppe dazugelernt hat und zwar, das ist wichtig, in Etappen. Bär Lasker sagt: Sechs Jahre hätte es gedauert, bis er so etwas wie Sicherheit verspürt hätte, das Wissen, dass mit seinen Schützlingen nichts mehr schief gehen könne. Die Band nennt als Punkte, an denen man sich der eigenen Qualität bewusst geworden wäre, unter anderem die Veröffentlichung von "Lauschgift", das mit einem Orchester in einer Höhle im Sauerland aufgenommene und 2000 veröffentlichte "MTV Unplugged"-Album und das 1999 erschienene "MfG - mit freundlichen Grüßen": "'MfG' ist das Stück, das die positivsten Reaktionen bekam", erinnert sich Smudo. "Die Frankfurter Allgemeine erklärte das damals zum wahrscheinlich besten deutschsprachigen Song des neuen Jahrtausends', so was schmeichelt einem natürlich ungemein." Und auch die Jubiläumsfeierlichkeiten dieser Tage seien ein Meilenstein. Den Gedanken, den Geburtstag einfach unter den Tisch fallen zu lassen, habe man früh verworfen, wie Thomas D. erzählt: "Eine Band, die so alt geworden ist, und dabei auf recht hohem Level immer wieder neues Material veröffentlichte, die muss sich schon feiern lassen. Klar gab's bei uns auch die Überlegung: Ist das nötig? Wie sieht das denn aus? Aber Bär, der immer die Brücke schlagen muss zwischen uns Wahnsinnigen und der Marke, die wir mittlerweile darstellen, hat uns da früh runtergeholt und gesagt, dass schon was passieren muss. Da haben wir gesagt: fettes Ding, drei Stunden. Mal gucken, wer kommt."
"Super Image-Trick" 50.000 sollen es am Ende werden. Eine Zahl, der die Band mit der Gelassenheit ins Auge blickt, die man nach ein paar Millionen verkaufter Tonträger eben hat. Eine Zahl, die aber auch zu einem netten Diskurs über den Begriff Erfolg führt. "Ich kann jetzt nicht auf die Straße gehen und glauben, diese Welt kennt mich und will ein Autogramm. Stimmt nämlich überhaupt nicht. Der nächste, den ich treff', interessiert sich vielleicht gar nicht für mich, das sollte einem schon klar sein.", sagt Thomas D. Gleichzeitig sei die Zurschaustellung eines gewissen Erfolges in Deutschland oft ein Problem. Grönemeyer würden die Deutschen vor allem deshalb mögen, weil er seinen Erfolg nicht zeige, so Smudo, bei jüngeren Bands wie Silbermond sei das ähnlich: "Dieses 'einer von uns sein' ist in Deutschland immer ganz wichtig. Du musst so sprechen, Dich so kleiden, wie die normalen Menschen. Schau' Dir mal jemanden wie Westernhagen an. Der gilt als arrogant, weil er Gucci trägt. Wenn Du sowas tust, hat's sich mit der Kameradschaft! Dann isses aus!" Nun haben die Fantastischen Vier diese Regel in den letzten Jahren oft genug verletzt. In ihren Anfangsjahren waren sie die crazy MTVIVA-Stars mit "eigener 'Vierte Dimension'-Kunstwelt. Später ging Thomas D. im Wohnmobil auf latent esoterische Solofahrt, Smudo verlegte sich auf Autorennen. "Aber mit Biosprit. Damit hatte das dann ja Vorbildfunktion. Super Imagetrick", sagt er und lacht: "Das Abgefahrene ist natürlich, dass wir nicht das Leben der anderen leben. Aber in unseren Gefühlen, unseren Emotionen passiert das Gleiche. Und das verbindet uns. Wir sind immer Mensch geblieben." Jetzt muss Thomas D. lachen. "Ein Grönemeyer-Zitat", ruft er. Dabei mögen sich der Poprocker und die Fantastischen Vier gerne, nachzuhören auf deren letzten Album "Fornika". Gefeiert wurde bei dem Vierer auch die letzte Sido-Platte - vielleicht, weil der Berliner Rapper es wie sie macht: die Märkte erweitert, in Puncto Selbstverständnis Pop wird, den Ghettokamellen der ersten Songs schillernde und grandios überhöhte Gegenentwürfe mit überschaubarem Realitätsbezug entgegensetzt. "Es ist spannend zu sehen, wie sich die Szene in Berlin verändert. Wir waren anfangs froh, dass all das mit uns nicht in Verbindung gebracht wurde. Aber trotzdem ist diese Art von HipHop extrem wichtig. Man kann sich über die Gewaltdarstellung streiten, aber andererseits hielt genau die HipHop eine Weile lang am Leben.", sagt Thomas D. "Außerdem finde ich es gut, dass Musik in Deutschland mal nicht ausschließlich aus dem Bürgertum kommt. Das ist etwas Neues, deshalb ist jemand wie Bushido wichtig." Nun müsse man halt schauen, ob der Weg rein in den Pop weiter gegangen würde. "Auch die Rapper, die jetzt eher stumpfe Parolen skandieren, werden sich öffnen, werden eine Entwicklung durchmachen. Wir waren am Anfang auch Spaß, Party, Mädchen, Hurra. Erst mit der Zeit kamen andere Themen hinzu." Notiz am Rande: Auf oben erwähntem Tribute wird keiner der Hauptstadtrapper vertreten sein - aber Xavier Naidoo. Der war ganz, ganz früher einmal bei 3P unter Vertrag, dem Label von erwähntem Moses Pelham, der so arg auf die Fantastischen Vier schimpfte. Manchmal wird eben doch alles gut.