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Dann lieber G8-Spaß in Rostock: Warum sich eine Gruppe linker Österreicher die EM wegwünscht
Warum findest Du die EM so „scheiße“? Wir haben im Wesentlichen drei Kritikpunkte: Kommerz, Repression und Nationalismus. Die Kommerzialisierung findet jetzt in der EM einen neuen Höhepunkt. Es ist ja vorgesehen, dass Menschen mit T-Shirts, die einen anderen Betreiber promoten als McDonalds, Carlsberg oder wie sie alle heißen, nicht in die Fanzonen dürfen. Einzelne dürfen rein, aber wenn es mehrere werden, dann wird das schon schwierig. In den Fanzonen dürfen nur diejenigen rein, die auch einem bestimmten Bild entsprechen. Was für ein Bild meinst Du? Obdachlose oder Leute, die irgendwie anders aussehen, könnten Probleme bekommen, in die Fanzone reinzukommen. Es ist also kein öffentlicher Raum, sondern ein bewachter Raum, der dazu dienen soll, möglichst viel zu konsumieren.
Dein zweiter Kritikpunkt ist die Repression. In wiefern spürst du in Wien diese Repression? In Österreich sind aufgrund der Euro starke Veränderungen in den Polizeibefugnisrechten vorgenommen worden. Konkret gibt es jetzt für die Polizei die Möglichkeit, Leute, die Ordnungswidrigkeiten begangen haben, während der Zeit des Fußballspiels zur Polizei vorzuladen, um sie dort zu belehren. Die Gefahr ist, dass solche Gesetze leicht veränderbar und anwendbar sind auf politische Demonstrationen. Dazu werden noch überall Kameras installiert. Am Wiener Bahnhof Praterstern sind über 100 Kameras installiert worden. Und drittens stört dich der Nationalismus. Man würde meinen, die Leistungen der österreichischen Nationalmannschaft sind nicht gerade der Nährboden für starken Nationalismus, oder? Ja, das ist erschreckend, was würde passieren, wenn die Mannschaft weniger schlecht spielen würde? Wir sehen ein sehr starkes Aufkommen von Nationalismus. Ich habe Zahlen gehört, wonach an jedem dreißigsten Auto in der Stadt und jedem achten Auto am Land rot-weiß-rote Fahnen installiert sind. Insgesamt sehen wir da eine sehr starke politische Stoßrichtung. Ein Politiker der FPÖ hat zum Beispiel gemeint, dass es jetzt endlich so ist, dass man sich zum eigenen Volk bekennt. Und wer das dann nicht zu hundert Prozent tut und hinter der eigenen Mannschaft steht, der kann aus dem eigenen Volk mit Konsequenzen rechnen. Okay, die FPÖ ist eben politische Heimat vieler Rechtsradikaler. Was sollen die sonst sagen? Die Frage ist, warum können die auf so einer Stimmung schwimmen? Wen begünstigt eine Stimmung, in der sich eine Bevölkerung als eine Art einiges Volksganzes fühlt? Ich glaube, das ist eine Stimmung, die tendenziell der politischen Rechten nützt. Kritiker würden sagen, du überhöhst die politische Bedeutung dieser EM. Während der WM in Deutschland hingen von fast jedem Balkon Nationalflaggen. Die wurden aber nach der WM gleich wieder abgehängt. Ich kann mich noch gut erinnern an die Stimmung in Deutschland, wo es damals hieß: „Endlich können wir wieder stolz sein, Deutsche zu sein“. Daran sehe ich einfach nichts Positives. Hast du das, was du damals in Deutschland erlebt hast, als politischen Nationalismus wahrgenommen? Die Fahne, unter der deutsche Truppen in Afghanistan stehen, ist die gleiche, unter der die Nationalmannschaft spielt. Ich war damals zu Besuch in der Hamburger Fanzone, und da habe ich ein paar tausend Leute singen gehört und die haben bei der Hymne „Deutschland, Deutschland über alles“ gesungen und nicht „Einigkeit und Recht und Freiheit“. Oder nehmen wir ganz aktuell die BILD-Schlagzeile nach dem Deutschland-Polen Spiel: „Podolski putzt die Polski“. Da kann mir keiner erzählen, dass das in irgendeiner Form ein völkerverbindendes Spaß-Element hat. Das hat ganz klar ein politisch-rassistisches Element. Was ist aus Deiner Sicht schlecht daran, sich mit seinem Land zu identifizieren? Ich sehe nicht, worauf ich in Deutschland, Österreich oder der Schweiz stolz sein sollte. Die Grenzen Deutschlands können nichts für den Rhein, und die in Österreich können nichts für die Donau. „Ich bin stolz ein Deutscher zu sein“ war Mitte der neunziger Jahre ein Spruch der faschistischen Rechten. Mittlerweile ist der leider in der Mitte angekommen. Ich komme gerade aus Wien. Die Stadt ist im Moment so bunt gemischt wie sonst nie, Menschen aus ganz Europa sind zu Gast. Wie findest du das? Das ist mir eigentlich egal. Wien ist ohnehin eine extrem touristische Stadt und gerade im Juni haben wir immer einen enormen Kongresstourismus. Von der Menge an Touristen sehe ich also da keinen Unterschied. Der Unterschied ist, dass jetzt alle ihre nationalen Fähnchen schwenken. Das finde ich unangenehm. Außerdem ist das die Fußball-EM der Männer. So eine große Menge an tendenziell betrunkenen Männern stellen für Frauen eine sehr unangenehme Situation dar. Also wäre es Dir lieber, die ganzen ausländischen Fans wären daheim geblieben? Mir wäre es lieber, sie wären ohne ihre jeweiligen nationalen Fähnchen und nationalen Identitäten gekommen. Und man könnte miteinander darüber sprechen, wie man soziale und gewerkschaftliche Kämpfe miteinander vernetzt, wie die Arbeitsbedingungen in ihren Ländern sind. Das klingt jetzt so nach mittelviel Spaß… Ich freue mich ja immer über Leute, die hier Urlaub machen wollen. Aber es ist ja nicht so, dass das Eintreten für die eignen Rechte prinzipiell keinen Spaß macht. Beim G8 Gipfel in Rostock hatten die Leute auch Spaß. Befürworter der EM in Österreich freuen sich, dass bei Euch endlich mal was los ist. Überspitzt formuliert, wenn in einer Stadt ein Nazi-Aufmarsch stattfindet, ist auch mal was los. Trotzdem möchte ich nicht, dass ein Nazi-Aufmarsch stattfindet. Was erhoffst Du dir vom Österreich-Spiel heute Abend? Ich freue mich, wenn Österreich verliert. Das versetzt diesem „Immer wieder Österreich“-Style einen Schlag ins Gesicht. Dann drückst du als Österreicher heute Abend den Deutschen die Daumen? Jein, mir ist der deutsche Nationalismus ebenfalls nicht ganz geheuer. Am liebsten wäre mir ein extrem schwaches null zu null. Bist du eigentlich Fan von irgendeinem Fußballverein? Ich bin kein Fußballfeind, wenn Du das meinst. Ich persönlich drücke der Wiener Austria die Daumen. Es gibt dann noch einen sehr traditionsreichen Verein hier in Wien, den Wiener Sportklub. Die haben eine eher linke Kurve. Da freuen wir uns dann gemeinsam, wenn wir hingehen. Besitzt du auch Fanartikel? Ja klar, ich habe einen Schal vom Wiener Sportklub, ich habe eine Anstecknadel geschenkt bekommen und ich habe Schals von der Wiener Austria.