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Damit es auch nach dem Studienabbruch weitergeht
Jahr für Jahr verlassen rund 55.000 Studierende in Deutschland ihre Hochschule ohne einen Abschluss. Die Gründe für den Abbruch sind vielfältig: Schlechte Beratung, realitätsferne Erwartungen oder Druck seitens der Eltern können zur Wahl des falschen Studienfachs führen. Und in Anbetracht der Studiengebühren sind es in zunehmendem Maße auch finanzielle Gründe, die einem erfolgreichen Ende des Studiums im Wege stehen. Die Bologna-Reform sorgt zudem für wachsenden Prüfungs- und Leistungsdruck und treibt viele Studenten dazu, die Flinte frühzeitig ins Korn zu werfen.
Erstsemesterstudenten in Mainz: Rund 20 Prozent werden ohne Abschluss bleiben.
Abschlusslos, arbeitslos, perspektivlos? Was klingt wie der typische Stoff für die "Quarterlife-Crisis", ist keineswegs zwangsläufige Konsequenz. Prominente Beispiele zeigen, dass es auch ohne Diplom, Master oder Staatsexamen mit der späteren Karriere klappen kann. Günter Jauch, Bill Gates, Steve Job, Mark Zuckerberg oder Steven Spielberg sind allesamt erfolgreich "gescheiterte" Studenten und in dieser Funktion bestens bekannt durch einschlägige Bildergalerien und Klickstrecken in den Onlineauftritten deutscher Nachrichtenwebsites. Trotzdem besteht wenig Zweifel daran, dass sich die Berufsaussichten ohne Hochschulabschluss nicht gerade verbessern. Jahrelanger Wissenserwerb bleibt de facto wertlos, weil nur das erfolgreiche Examen zählt. Übrig bleiben das meist lange zurückliegende Abitur, ein Gefühl des Scheiterns und nagende Selbstzweifel.
Eine am Freitag veröffentlichte Studie der Gesellschaft für Innovationsforschung und Beratung (GIB) im Auftrag des Wirtschaftsministeriums beschäftigt sich mit der problematischen Situation der Studienabbrecher und gibt jetzt Handlungsempfehlungen. Es geht um die "berufliche Integration" der Studienabbrecher, über die man, heißt es im Wirtschaftsministerium, zu wenig wisse. Es brauche bessere Aufklärung und eine "verstärkte Information über die Möglichkeit berufsbegleitender Studien und alternativer Abschlüsse". Außerdem sollten die Bescheinigungen für Zwischenleistungen besser dokumentiert werden, damit auch abgebrochene Studien zum Beispiel auf die Lehrzeit bei Ausbildungsberufen angerechnet werden könnten. Den Hochschulen wird darüber hinaus empfohlen, eine Art "Frühwarnsystem" zu schaffen, um die gefährdeten Studenten rechtzeitig zu entdecken und die Zahl der Abbrüche zu senken.
Immer mehr Unternehmen zeigen sich besorgt angesichts des Fachkräftemangels in Deutschland. Insbesondere im sogenannten MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) gibt es mehr freie Stellen als qualifizierte Bewerber. Angesichts der demographischen Entwicklung ist kaum mit einer baldigen Schwemme an Ingenieuren und Forschern zu rechnen und so rückt der Umgang mit Studienabbrechern langsam in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit. Alljährlich 55.000 Studenten ohne Abschluss und mit schlechten Berufsaussichten, gleichzeitig zahlreiche Firmen, die erfolglos Stellenangebote inserieren. Das muss nicht sein, dachte sich – wenig überraschend – ein Student und rief vor neun Jahren die Internetplattform studienabbrecher.de ins Leben. Mittlerweile von professioneller Hand übernommen und immer weiter ausgebaut, soll diese Webseite interessierten Aussteigern und Quereinsteigern den Start ins Berufsleben erleichtern, bietet wertvolle Tipps und Informationen rund ums Thema sowie eine Jobbörse zur Vermittlung zwischen Arbeitgebern und "semi-akademischen" Nachwuchskräften.
Die bisherige Resonanz sei ermutigend, so Erhard Stahl, der Pressesprecher der Website. Die Unternehmen zeigten großes Interesse und machten größtenteils positive Erfahrungen. Im Laufe der letzten Jahre habe sich ein funktionierender Arbeitsmarkt mit guten Einstellungschancen entwickelt, es fänden sich zahlreiche, explizit auf Studienabbrecher ausgerichtete Stellenausschreibungen und die Plattform diene als zentrale Anlaufstelle für beide Seiten. Das vorhandene Wissen der Studenten werde genutzt und betriebsinterne Weiterbildungen ermöglichten dann die erforderlichen Abschlüsse. Die Unternehmen deckten dadurch ihren Bedarf an Fachkräften, während die Abbrecher dankbar über die "zweite Chance" seien und deshalb oftmals besonders motiviert an die neue Aufgabe herangingen. Doch trotz aller Bemühungen gilt natürlich auch weiterhin: Ein erfolgreicher Abschluss ist und bleibt die beste Grundlage für einen reibungslosen Übergang in die Arbeitswelt.
Text: simon-hurtz - Foto: dpa