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Böses Spotify? Gutes Spotify?
Es ist kein richtiger Maulkorb. Aber wie ein mittelkräftiger Stoß in Thom Yorkes Rippen wirkt es schon, als der Manager seiner Band Radiohead am Dienstag mit der BBC spricht. "Streamingdienste sind eine neue Art, zwischen Künstler und Fan zu interagieren", sagt der Manager beschwichtigend. "Die Technologie entwickelt sich nunmal unaufhaltsam weiter. Es ist mein Job als Manager, (...) zu klären, wie wir solche Dienste für unsere Künstler monetarisieren."
"Wenn es 1973 Spotify gegeben hätte, wäre Dark Side of the Moon nie produziert worden."
Es ist der Versuch, die Flammen zu löschen, die der Radiohead-Sänger in den Tagen zuvor angefacht hat. Yorke hat am Montag angekündigt, sein Soloalbum und das Album seines Nebenprojekts Atoms For Peace aus dem Spotify-Katalog zurückzuziehen – als symbolischer Akt, um die Ausbeutung von kleineren Bands anzuprangern. "Täuscht euch nicht", twittert er, "neue Musiker, die ihr auf Spotify entdeckt, werden kein Geld bekommen. Stattdessen werden sich die Aktionäre bald im Geld wälzen."
Seit Jahren kritisieren Musiker die Bezahlpolitik von Spotify. Der derzeit weltgrößte Streamingdienst schüttet nur etwa 0,0046 Euro (also weniger als einen halben Cent) pro Stream an die Künstler aus. Ohnehin erfolgreiche Acts wie Radiohead verdienen daran nicht schlecht. Aber für unbekanntere Musiker bewegt sich der Erlös durch die Streams eher an der Nullgrenze.
Konkrete Zahlen? Liefert am Dienstagabend der britische Indie-Musiker Sam Duckworth (Sänger der Band Get Cape Wear Cape Fly) im Guardian: Knapp 5000 Mal sei sein letztes Soloalbum auf Spotify angehört worden. Finanzieller Erlös: umgerechnet 22,25 Euro. Also etwa so viel wie für zwei verkaufte Alben.
Spotify erklärte postwendend, bis zum Ende diesen Jahres werde man insgesamt eine Milliarde Dollar an die Künstler ausgeschüttet haben – man setze alles daran, das "künstlerfreundlichste" Streamingportal im Netz zu werden. Was Nigel Godrich, ein streitbarer Kollege von Yorke bei Atoms For Peace, wiederum für Augenwischerei hält: Rentabel sei Spotify vor allem für die Labels, die dort mit jahrzehntealter Musik vertreten seien – für die also keine Produktionskosten mehr anfallen.
"Um neue Musik aufzunehmen, braucht es Geld", twitterte Godrich. "Wenn die Menschen 1973 Musik auf Spotify gehört hätten, statt Alben zu kaufen, bezweifle ich, dass Dark Side (of the Moon, ein millionenfach verkauftes Pink Floyd-Album, d. Red.) je produziert worden wäre. Es wäre viel zu teuer gewesen."
Feststellen lässt sich drei Tage nach dem Eklat: Yorke und Godrich bleiben prominente Ausnahmen. Eine Ausstiegswelle enttäuschter Indiebands ist ausgeblieben, sogar Sam Duckworths 5000-fach gehörtes Soloalbum steht nach wie vor zum Stream bereit. Stellt sich die Frage, warum fast alle Musiker dabei bleiben, trotz offenbar mickriger Erlöse. Wir haben bei deutschen Musikern nachgefragt - quer durch die Genres - und sehr kontroverse Antworten erhalten.
Auf der nächsten Seite: die Meinung von Slut und den Ohrbooten.
Slut (Ingolstadt)
"Wir stehen den Streamingdiensten ambivalent gegenüber. Einerseits will man bei Angeboten, die ein großes Publikum erreichen, vertreten sein und keine Entwicklung verschlafen. Andererseits ist die Vergütung der Künstler natürlich ein Witz. Gut, dass Thom Yorke seine Position ausnutzt, um die Aufmerksamkeit auf diesen Missstand zu lenken. Wobei das Zurückziehen von Musik natürlich nicht für alle Künstler anwendbar ist. Der Zug ist längst im Rollen und eher nicht zu stoppen."
Ohrbooten (Berlin)
"Wir finden, Spotify hat in der ganzen Internet-Diskussion um illegale Downloads mal eine Alternative aufgetan. Für uns ist es von Vorteil, da wir über diese Plattform neue Hörer gewinnen. Das Internet ist die Zukunft und die hat schon begonnen. Für junge Bands ist das eine große Chance, alle die sich dagegen wehren, stehen der Evolution im Weg rum!"
In Extremo (Berlin)
"Wenn sich jemand ohne eigenes Zutun an der Arbeit anderer bereichert, dann nannte man das Kind früher beim Namen: Ausbeutung."
Asbjørn (Dänemark)
"Als neuer Künstler sind Streamingdienste wie Spotify für mich tolle Werkzeuge, um von neuen Hörern entdeckt zu werden, die mich sonst nie finden würden. Klar, die Bezahlung wirkt mickrig. Aber dieses Geschäftsmodell entwickelt sich gerade noch, und andere Einnahmequellen – Konzerte, Merchandise usw. – sind auch begrenzt, wenn du ein junger Künstler bist."
Auf der nächsten Seite: die Antworten von Sepalot und Revolverheld.
MarieMarie (München)
"Ich denke, dass in den Köpfen der Musikkonsumenten (...) ein Bewusstsein dafür entstehen muss, dass hinter jedem Musikstück ein Urheber steht, der eine Wertschätzung seiner Arbeit in Form von angemessener Entlohnung verdient hat und der vor allem auch darauf angewiesen ist. Wenn das nicht geschieht, wird das die Musiklandschaft in ihrer Vielseitigkeit und Qualität auf Dauer sicherlich negativ beeinträchtigen!"
Sepalot, Blumentopf (München)
"Für tonträgerlose Musik zu bezahlen ist mittlerweile fast ein freiwilliger Akt geworden. Dienste wie Spotify schließen die Lücke zwischen Filesharing und offiziellen Downloadportalen wie iTunes. Jede Verbreitung meiner Musik ist mir recht, ich mag es nur nicht, wenn dann große Konzerne damit ein Geschäft machen und die Künstler nicht beteiligen. Spotify ist eine gute und äußerst zeitgemäße Form der Musikverbreitung und "Raubkopien" wird es bald auch nicht mehr geben, wenn jeder seine Musik streamt."
Daria Kinzer (Kroatien)
"Spotify stellt für mich eine Art Kompromisslösung für Fans (...) dar, denen es nicht primär wichtig ist, das Produkt, also das Album des jeweiligen Künstlers selbst zu besitzen. Dies muss den Verkauf allerdings nicht unbedingt schmälern - die Absatzform kann durchaus auch zur Popularität eines Künstlers oder seiner Lieder beitragen und dadurch den Verkauf des Album sogar steigern."
Krisz Kreuzer, Brixtonboogie (Hamburg)
"Auch wir sind noch auf Spotify vertreten - wer weiß, wie lange noch. Wir haben mittlerweile erlebt, dass uns Fans fragen, ob es über Spotify auch eine höhere Tonqualität gibt. In guter Qualität hören also ja - kaufen aber eher dann doch nicht... (...) Spotify ist mittlerweile die Musikplattform für nahezu alle Formen der Musik. Als kostenfreie Plattform für den Musikkonsum ist es aus meiner Sicht kontraproduktiv für den kommerziellen Musik-Erwerb. Daher ist Spotify kein tragbares Erlösmodell für einen Künstler."
Sascha Stadler, Manager von Revolverheld (Hamburg)
"Aktuell bieten Streamingdienste sicherlich noch kein tragfähiges Erlösmodell für Musikschaffende. Es könnte allerdings in der hochpreisigen Premiumvariante die Zukunft oder zumindest ein weiterer Teil davon sein, dem Konsumenten und Fan Musik leicht zugänglich zu machen und jenseits von illegalen Wegen trotzdem damit auch Geld zu verdienen."
Auf der letzten Seite: die Meinung der Killerpilze und Jamaram.
Killerpilze (Dillingen)
"Als Band mit eigenem Indie-Label waren wir erst einmal skeptisch, was uns Spotify bringen könnte. Mittlerweile sehen wir, dass wir dadurch viele zusätzliche Menschen erreichen können, die sich mit unserer Musik beschäftigen. Je mehr man diese Möglichkeit für sich nutzt, desto eher kommt auch wieder was beim Künstler an!"
Jesper Munk (München)
"Spotify ist ein sehr praktisches Tool, um sich an Musik in Form eines Massenkonsums zu erfreuen. Manche Musiker können damit umgehen und senken somit den persönlichen Wert der Musik nicht. Was man jedoch häufiger sieht, ist dass die Musik durch ihre ständige und preiswerte Verfügbarkeit deutlich an Wert verliert."
Jamaram (München)
"In Euros kommt wenig rum durch Spotify, aber als weltweites Promotool ist es ein Muss dabei zu sein! Das ist die Zukunft."
Apollo 3 (Köln)
"Als Künstler hast du Bock, dass viele Menschen deine Songs feiern. Perfekt ist es, wenn wir als Band auch was davon haben. Spotify ist cooler als Saugen!"
Text: jan-stremmel - Mitarbeit: jakob-biazza