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Blutige Handys und brutaler Kakao

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Für die einen bedeuten sie Rausch, für die anderen den Tod: bevor Drogen in Europa landen, nehmen sie oft einen blutigen und grausamen Weg. Ende Februar erschien der aktuelle Jahresbericht des Drogenüberwachungsrats der Vereinten Nationen (INCB). Die Ergebnisse zeigen: der Kampf um die Drogen ist brutaler als je zuvor. In Mittelamerika habe die Gewalt der Drogenhändler und Gangs "ein alarmierendes und noch nie da gewesenes Ausmaß erreicht". Die Nachfrage wächst trotzdem weiter, auch in Deutschland. Aber nicht nur Drogen sorgen für Kämpfe und Gewalt. Auch Alltagsprodukte schüren weltweit Konflikte.

Alltagsprodukte wie Kakao heizen weltweit Konflikte an.

An deinem Handy klebt Blut
Weil weltweit jede Sekunde 200.000 SMS verschickt werden, können sich Milizen im Ostkongo einen Krieg leisten. Die Rebellengruppen kämpfen dort gegen die Regierung und greifen sich gegenseitig an. Das Geld dazu haben sie aus dem Rohstoffschmuggel. Es geht vor allem um die Erze Coltan und Kassiterit, die später in Kondensatoren für Handys oder Computer verbaut werden. Diese Erze stammen meist aus der Krisenregion in Zentralafrika, wo sie oft unter unmenschlichen Bedingungen angebaut werden. Es gibt zwar ein inoffizielles Embargo, nahezu alle produzierenden Länder meiden Rohstoffe aus dieser Region. Aber sie gelangen über Umwege trotzdem in den Welthandel. Die Rebellengruppen kaufen den Minenarbeitern die Erze für eine Essensration ab und schaffen sie über Zwischenhändler in Nachbarländer. Von dort gelangen sie auf den Weltmarkt und schließlich in die digitalen Geräte der Verbraucher. Andere Erze aus dem Ostkongo, wie Wolframit, werden für Stahl verwendet und landen so im Werkzeugkasten.

Was kann ich tun?
Einige Hersteller digitaler Geräte unterstützen Initiativen zum Beispiel gegen Kinderarbeit beim Coltanabbau. Da die Wege der Erze allerdings verschleiert werden, ist die Herkunft oft nicht mit letzter Sicherheit nachzuvollziehen. Recycling von Altgeräten mindert aber die Abhängigkeit von immer mehr frischen Erzen.



Schokolade aus zarter Kinderhand
Beim Naschen kennt der Verbraucher keinen Spaß. Deshalb kostet eine Tafel Schokolade durchschnittlich nie über einen Euro. Das ist möglich, weil es genügend Kakao auf dem Weltmarkt gibt. Der Rohstoff kommt vor allem aus der Elfenbeinküste. Etwa 40 Prozent des weltweit gehandelten Rohkakaos stammen aus dem Land, das den Bürgerkrieg noch nicht überwunden hat. Seit fast zehn Jahren herrscht dort Gewalt. Die Lage eskalierte, als der 2010 abgewählte Präsident, Laurent Gbagbo, seinen Machtverlust nicht akzeptieren wollte und gegen sein eigenes Volk kämpfte. Seine Armee griff die Bürger an und ließ sie verhungern. Um seine Truppen zu bezahlen, verstaatlichte er die Kakaoproduktion und ließ Kinder auf den Plantagen schuften. Gbagbo wurde im April 2011 festgenommen, doch die Bedingungen in der Kakaoproduktion sind weiter schlecht. Noch immer werden Kinder zur Arbeit gezwungen, nachdem sie entweder mit falschen Versprechen gelockt oder entführt wurden.

Was kann ich tun?
Die Verbraucherzentrale Bayern empfiehlt: Verbraucher, die auf sozial gerechte Produktionsbedingungen Wert legen, sollten beim Einkauf auf das Fairtrade-Siegel oder die Logos von Fairhandelsgesellschaften wie gepa, el puente, dwp oder banafair achten.




High sein und den Krieg vergessen
Die Deutschen koksen immer mehr. 3031 Kilo geschmuggeltes Kokain hat das Bundeskriminalamt 2010 sichergestellt - so viel, wie nie zuvor. Meist war es auf Schiffen versteckt, in Bananenkisten oder zwischen Sandsteinen. Es kam vor allem aus Südamerika. In Ländern wie Kolumbien blüht das Drogengeschäft. Dort finanzieren Guerilla-Truppen ihren Kampf gegen die Regierung mit dem illegalen Anbau von Koka-Pflanzen. Die Regierung stemmt sich gegen die Paramilitärs, jedoch zu einem hohen Preis. In keinem Land der Welt werden mehr Menschen aus politischen Motiven ermordet, nirgendwo werden mehr entführt. Den blutigen Widerstand können sich die Rebellen nur leisten, weil die Welt ihr Koks schnupft. In Europa kommt das Kokain oft zuerst in Italien an. Dort kontrolliert laut einem Bericht des Europäischen Polizeiamts die Mafia den Handel. Auch über deutsche Häfen gelangt Kokain ins Land. Am Hamburger Hafen fand das Bundeskriminalamt 2010 die bisher größte Einzelmenge an geschmuggeltem Kokain in Deutschland. In einem Schiff auf Paraguay waren 1,3 Tonnen Koks zwischen Holzbriketts versteckt.

Was kann ich tun?
Nicht koksen.



Bandenkrieg in einer Plastiktüte
Ob in Joghurtbechern, Einkaufstüten oder Benzin, kaum ein Rohstoff ist so präsent wie Öl. Die Nachfrage nach Rohöhl auf dem Weltmarkt ist enorm und wird nicht nur aus dem arabischen Raum bedient. Nigeria ist der Ölförderstaat Nummer Eins in Afrika. Mehr als 80 Prozent der Staatseinnahmen kommen aus dem Öl- und Gasgeschäft. Große Konzerne wie Shell bohren dort seit 50 Jahren - mit verheerenden Folgen. Große Teile des Niger-Deltas sind verseucht, an vielen Orten quillt giftiger Ölschlamm aus den Pipelines. Meist ist Sabotage die Ursache. Banden schlagen Löcher in die Rohre und zapfen die Ölleitungen an, um das Rohöl in gefährlicher Handarbeit zu raffinieren. Danach verkaufen sie es und füllen so ihre Kriegskasse für den Kampf um die Vorherrschaft im illegalen Ölgeschäft. Konzerne wie Shell scheinen gegen den Bandenkrieg machtlos zu sein. "Wir haben immer wieder versucht, zu den Bohrlöchern und Anlagen zurückzukehren, um diese stillzulegen", sagt eine Sprecherin von Shell. Doch die Dorfbewohner würden sie nicht lassen. Immer wieder werden Shell-Mitarbeiter entführt und als Geiseln genommen. Für einen Weißen gibt es das meiste Lösegeld.

Was kann ich tun?
Tasche statt Plastiktüte, Joghurtglas statt Becher, Fahrrad statt Auto - wo es sich machen lässt, sollte der Verbraucher auf Produkte verzichten, die aus Rohöl hergestellt sind. Das hilft bekanntlich auch dem Klima.



Kräftiger Kaffee von schwachen Kinderarbeitern
Nichts trinken die Deutschen lieber als Kaffee. Drei Tassen schluckt jeder im Schnitt pro Tag. Dafür werden jährlich über eine halbe Millionen Tonnen Rohkaffee für den deutschen Markt verarbeitet. Damit dieser Markt bedient werden kann, schleppen Kinder auf Plantagen Kaffeesäcke, die teilweise schwerer sind als sie selbst. Zum Beispiel in Guatemala, wo auch die beliebten Arabica-Bohnen angebaut werden. Die Plantagen dort gehören meist einem Großgrundbesitzer. Wie viel der den Erntearbeitern zahlt und wie er sie unterbringt, kann er sich aussuchen. Weil den Familien das Geld der Eltern oft nicht zum Leben reicht, müssen auch achtjährige Kinder schon auf den Plantagen arbeiten. Reporter deckten vergangenes Jahr auf, dass dort auch immer noch für deutsche Röster produziert wurde. Zur Schule können sie so nicht gehen, weshalb es auch später meist nicht für einen besseren Beruf und eine bessere Bezahlung reicht.

Was kann ich tun?
Auch gibt es viele Fair-Trade-Produkte, nicht nur für die Tasse daheim, sondern ebenso in einigen Cafés. Wichtig dabei: wenn ein Kaffee aus Bio-Anbau ist, heißt das noch nicht automatisch, dass er auch fair gehandelt wurde.


Text: christian-pfaffinger - Foto: dpa

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