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Bißchen Vögeln und über´s Wetter quatschen. Besuch im Swingerclub

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Bis auf eine Unterhose und ein Handtuch bin ich nackt. Auf meiner Schulter leuchten weiße Punkte. Fussel im Schwarzlicht. Bette Middler singt „From A Distance“. Es ist dunkel, schummrig, um mich herum blitzt immer irgendetwas in Neongrün, -gelb oder -rot. Alle Menschen um mich herum tragen nichts außer Unterwäsche. In dem Fernseher über der Tür wird eine Frau anal penetriert. Mit Swingerclubs assoziiere ich Gestalten aus den Büchern Michel Houellebeqcs oder Cathérine Millets: Nicht mehr ganz junge, nicht mehr ganz schöne und ein bisschen kaputte Menschen, deren letzter Kick im Leben Sex ist. Das kann jedem passieren. Ich will wissen, was auf mich zukommt. Leider wollte mich keine meiner weiblichen Bekannten in den Swingerclub begleiten. Das hätte mir eine Menge Geld gespart. Einsame Männer zahlen fünfmal so viel wie Paare, Frauen alleine gar nichts. Im Internet finde ich vier Swingerclubs. Der „Karibik-Swingertreff“ ist der billigste – für Single-Herren 80 Euro. Die „Schnupperstunde“ für Anfänger kostet nur 50 Euro, Essen und Trinken inklusive. Der „Karibik-Swingertreff“ liegt zwischen einer Wohnsiedlung und einem Industriegebiet. Ich steige vom Fahrrad ab und rauche noch eine Zigarette. Ein älteres Paar kommt mir entgegen. Ich stelle sie mir nackt vor. Danach ein Mann in den Dreißigern mit einer Sporttasche. Er schaut mich komisch an. Werde ich ihn gleich in Pornopose wild stöhnend, schreiend, ejakulierend sehen? Er geht weiter und ich die Treppen runter. Die Wände sind mit Sonnenuntergängen und Palmen bemalt.

Ähäm, nein: In einem soliden Swingerclub warten eher andere Damen. Schreibt unser Autor. (Foto: rtr) Ich muss klingeln. Es ist kurz vor 16 Uhr. Mir öffnet eine ältere Dame Ende Vierzig. Sie trägt ein Oberteil im Leopardenmuster und hat dichtes, schwarzes, auftoupiertes Haar und tätowierte Augenbrauen. Mit osteuropäischem Akzent bittet sie mich um 80 Euro. Ich sage: „Schnupperangebot. 50 Euro.“ „Ja“, sagt sie, „aber viel besser ist 80 Euro, dann hast du ganzen Abend und kannst kommen und gehen, so oft du wollen.“ Ich nehme trotzdem das Schnupperangebot. Sie führt mich in den Umkleideraum. Sieht aus wie eine Sauna. Ich bekomme Spind Nummer 11. Darin sind Handtücher. Ich ziehe mich aus und binde mir ein Handtuch um die Hüfte. Fühlt sich irgendwie sicherer an. Im Gang hängen Sprüche wie: „Die Frau ist NICHT das Eigentum des Mannes“ oder „Mit gutem Sex übersteht man alles im Leben. Auch die Wechseljahre.“ Seele aus Stahlwolle An der Bar bestelle ich mir ein Weißbier. Der Barmann ist vielleicht 60 Jahre alt. Er sieht nett aus, nicht wie ein Zuhälter oder so was, hat einen gemütlichen Bierbauch und ein Lausbubengrinsen. Mit dem Schnupperangebot habe ich eine Stunde Zeit. Ich muss nichts berstürzen, kann erst mal die Lage checken. Alkohol macht mich meistens geil. Neben mir sitzt eine Oma. Sie ist etwas dicklich, hat grau toupierte Haare und ein Handtuch um den Körper gebunden. Gut, dass ich in einer Stunde nicht mehr als zwei Weißbier trinken kann. Ein älterer Herr beglückwünscht mich zu meinem gut eingeschenkten Bier. Er spricht mit österreichischem Akzent. Ich versuche zu grinsen, kann aber nichts sagen. Schräg gegenüber sitzt eine attraktive Frau: Sie ist blond, zierlich, etwa 40 und trägt schwarze, transparente Dessous. Sie blinzelt mir zu. Ich werde sie später wiedersehen. Daheim habe ich mir „Fuck The Pain Away“ von Peaches und dann alte Sachen von 2LiveCrew („Hey, We Want Some Pussy“) angehört. Ich mag Sex. Ich brauche dafür keine Gefühle. Ich habe nichts dagegen, wenn Gefühle im Spiel sind, aber für die Qualität des Aktes sind sie vollkommen irrelevant. Ficken ist ficken. Punkt. Ich habe Pornos gesehen. Ich bin ein harter Knochen. Meine Seele ist aus Stahlwolle. Gruppensex ist das normalste der Welt. Für ein Weißbier brauche ich 15 Minuten. Auf der nächsten Seite sagt ein Gast: "Man unterhält sich über das Wetter. Und vögelt ein bißchen."


Ich schaue auf die Uhr. Es ist 16:15 Uhr. Die Zeit vergeht schnell. Noch 45 Minuten. Ich gehe zurück zu meinem Spind und hole meine Zigaretten. Wusste nicht, dass man in Swingerclubs rauchen darf. Ich komme an einem dunklen Raum vorbei, in dem ein Doppelbett steht. Dahinter ist eine kleine Kammer mit in der Wand eingefassten Handschellen. Der Raum ist leer. Als ich zurückkomme, ist die blonde Frau verschwunden. Ihr Campari Orange steht noch da. Neben dem Österreicher sitzt eine dicke Frau mit Kurzhaarschnitt und Brille. Sie trägt einen roten Spitzen-BH und eine überdimensional große Unterhose. Wenn ich genug getrunken habe, kann ich in jeder Frau etwas Schönes erkennen. Herein kommt ein rothaariger, älterer Herr mit schwarzer Unterwäsche, die aussieht wie ein Schwimmanzug aus den Dreißigern. Ich muss etwas tun. Ich muss mich umsehen, mich überwinden, den Dingen ins Auge sehen. Ich gehe in den Raum hinter der Bar. Darin steht ein Podest. Eine Frau zieht ihr Oberteil gerade wieder über. Im Doppelbett daneben liegt die blonde Frau. Vor ihr ausgestreckt ein Mann, der sie oral bedient. Ihr Körper sieht gut aus. Ich zurre das Handtuch um meine Hüften etwas fester und muss aufstoßen. Im Raum hinter der Bar ist das Buffet. Es gibt: Salate, viel Fleisch, Tiramisu. Ich nehme mir Fleisch und Tiramisu und frage eine Mittvierzigerin in roter Spitzenunterwäsche, wo das Besteck sei. „Ach, das Besteck“, sagt sie, „danach fragen die Neuen immer. Hier hinten steht es.“ Ich setze mich an einem Tisch, neben die nette Frau. Ein Mann stellt sie mir als die „beste Bläserin der Stadt“ vor. „Flöte, Trompete, Tuba – egal“, sagt er. Eine andere Frau fragt, was ihr liebstes Instrument sei. „Tuba“, sagt der Mann und alle lachen. Die beste Bläserin Münchens greift dem Mann in den Schritt, ich esse Tiramisu. Bevor ich zurück an die Bar gehe, werfe ich noch mal einen Blick in den Fickraum. Die Blonde bläst jetzt, während sie ein anderer leckt. Ein dritter Mann steht in Nähe ihres Gesichts und masturbiert. Alle stöhnen. Dazu läuft „Love Don’t Come Easy to Me“ von Phil Collins. Nachdem der Mann gekommen ist, meint die Frau, sie brauche jetzt eine Dusche. Ich brauche noch ein Weißbier. „Musst halt damit rechnen, dass dir fünf Leut’ zuschau’n.“ 16:40 Uhr. Noch 20 Minuten. Der Österreicher mit der dicken Frau in Reizwäsche ist zum zweiten Mal hier. Um seinen Hals baumelt ein Kettchen mit einem goldenen Kreuz. Der „Cats-Club“, meint er, sei viel besser. Da würden sie später noch hingehen. Aber da sei heute Pärchenabend. Als Single käme man da nicht rein. „Überhaupt solltest dir als Mann schon zweimal überlegen, ob d’ hierhergehst. Auf blöd zahlst 80 Euro und kannst nicht mal ficken. Unter uns: Da ist ’s Geld im Puff besser angelegt.“ Als Junger, sagt er mir, sähe es schon besser aus. An meiner Stelle würde er einfach mal fragen. „Musst halt damit rechnen, dass dir fünf Leut’ zuschau’n.“ „Wir sind alle eine große Familie“, sagt er noch. „Man kennt sich, unterhält sich über Politik oder das Wetter und vögelt ein bisschen.“ Irgendwie nett. Nach drei Weißbier muss man aufs Klo. Ich komme an dem zweiten Raum vorbei, den mit den Handschellen. Darin sind jetzt zwei ineinander verknotete Leiber. Verstohlen blicke ich durch die Vorhänge. Fragen, ob ich zuschauen kann, traue ich mich nicht. Die Frau ist sehr, sehr dick. Sie stöhnt und murmelt etwas von „abspritzen“ und „weitermachen“. Ein alter Mann rubbelt an ihren Geschlechtsteilen herum. Es sieht ein bisschen rabiat aus. Noch fünf Minuten. Ich trinke mein Weißbier aus, bitte den Barmann um meinen Spindschlüssel und verabschiede mich von dem Österreicher. Die blonde Frau sitzt jetzt wieder in Dessous vor ihrem Campari Orange und blinzelt zu mir herüber. Im Umkleideraum treffe ich die dicke Frau von eben. Sie ist wirklich sehr dick. Ihr Busen hängt. Sie stopft ihn in einen mintgrünen BH und sprüht sich sehr viel Haarspray in die Haare. „Gehst du schon?“, fragt sie mich. „Ich wollte mir das nur mal anschauen“, sage ich. „In einer Stunde sieht man doch gar nichts. Zahl doch noch 30 Euro mehr und bleib länger. Später geht’s erst richtig los.“ Nein danke, sage ich und frage sie, ob sie öfter hierher käme. Ihre Arbeit sei gleich um die Ecke; das sei praktisch.

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