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Auf dem Rücken und auf Rollen
1. Der Hightech-Trekking-Rucksack
Diesen Rucksack hat der Reisende für viel, viel Geld in einem Outdoor-Tempel gekauft, zusammen mit Zelt, Schlafsack, Campinggeschirr, Wanderschuhen, Multifunktionsjacke und einer superpraktischen Bandana (für die er mindestens 25 superpraktische Verwendungszwecke kennt). Im Laden hat er den Schlafsack in der Kältekammer und die Multifunktionsjacke in der Regenkammer getestet und sich den Rucksack vom fachkundigen Mitarbeiter anlegen lassen. Er durfte ihn sogar mit Atlanten und Reiseführern vollpacken, um die Rückenfreundlichkeit zu testen, und brach ob der vielen verstellbaren Riemen, geheimen Fächer und Regenschutzvorrichtungen in wahre Begeisterungsstürme aus.
Was kommt rein?
All der andere oben genannte Hightech-Outdoor-Kram, den der passionierte Backpacker sich gekauft hat. Außerdem: Sein Laptop, seine Kamera, alle im Schrank verfügbaren Unterhosen und Sockenpaare und diese eine Creme, auf die er einfach nicht verzichten kann, von der er aber nicht weiß, ob er sie im Ausland bekommt.
Wo geht's hin damit?
Auf Rundreise nach Südamerika oder Australien und Neuseeland. Oder zum Highland-Trekking nach Schottland.
Wie reist der Träger?
Eigentlich ist er perfekt dafür ausgestattet, unzählige Kilometer zu Fuß zurückzulegen und hat sich das auch fest vorgenommen – aber dann ist die Infrastruktur so gut, dass man zwischendurch immer wieder den Bus oder ein Taxi nehmen kann. Darum sitzt der Rucksack weder in Südamerika noch Australien besonders oft auf den Schultern, sondern liegt meistens in Gepäckfächern und Kofferräumen herum. Nur der Highland-Trekker trägt den Rucksack ernsthaft kilometerweit über die Wanderwege. Trotzdem nennt man ihn nicht Backpacker sonder schlicht: Wanderer.
Was ist auf der Rückreise drin?
Aus Südamerika: Matetee und der stilechte Becher; aus Australien: „Kangaroo Crossing"-Schlüsselanhänger für alle Freunde; und aus Schottland: nichts (außer viele frische Unterhosen, weil der Wanderer sie so selten gewechselt hat – war ja so einsam und er immer an der frischen Luft).
2. Der Vintage-Militär-Rucksack
Dieser Rucksack drückt in erster Linie die Überzeugung aus, die Backbackerkultur zu ehren und nicht zu weit von ihren entdeckerfreudigen Wurzeln wegzuführen. Der Träger hat ihn bei Ebay erstanden, als Erbstück vom Großonkel erhalten oder auch, da er gerade wieder arg im Kommen ist, als Neuware im Retrolook in einem hippen Laden gekauft. Er besteht aus fester olivgrüner oder khakifarbener Baumwolle, mit nicht zu vielen, dafür aber sehr großen Fächern und breiten Tragegurten. Wenn man ihn am Mann sieht, kriegt man immer gleich Stellvertreterschmerzen, weil er so tief hängt und sich trotz Rückenpolsterung nie richtig der Form der Wirbelsäule anpassen mag. Außerdem ist er ziemlich dehnbar und beult sich nach allen Seiten hin aus. Der Träger sieht aber nur die gute Seite daran, denn: „Passt halt immer noch was rein, auch wenn er eigentlich schon voll ist!"
Was kommt rein?
Das Motto des Militär-Rucksack-Reisenden lautet: „Ich brauche nicht viel. Und was ich brauche, kann ich mir auch vor Ort kaufen!" Also packt er Flip Flops ein (die er, sobald am Zielort angekommen, für die kommenden Monate ununterbrochen tragen wird), außerdem Ober- und Unterbekleidung in jeweils zweifacher Ausfertigung, eine Zahnbürste, den Lonely Planet und das älteste Handy, das bei ihm Zuhause rumliegt, damit er da später die ausländische Sim-Karte einlegen kann.
Wo geht's hin damit?
Nach Indien oder Südostasien.
Wie reist der Träger?
Mit allen Verkehrsmitteln, die sich ihm so bieten: Minibusse, Motorroller, Tuktuks, Züge, per Anhalter oder zu Fuß (und in Flip Flops). Am liebsten ist es ihm, wenn er nicht weiß, wo er am Ende ankommt, denn er hat akribisch geplant, sich keinen Plan zu machen. Und wehe jemand kommt ihm mit einem Busunternehmen, das geregelte Abfahrtzeiten hat!
Was ist auf der Rückreise drin?
Viele landestypische Klamotten, mit denen der Reisende anschließend seine daheimgebliebenen Freunde irritiert. Die restlichen Mitbringsel (Tattoo mit thailändischen Schriftzeichen, Rastas, süßer Straßenhund aus Neu Delhi) passen nicht in den Rucksack – aber das macht sie natürlich besonders wertvoll.
3. Der Rollkoffer
Der Rollkoffer aus Polycarbonat und Aluminium mit vier 360-Grad-Rollen und wenig Eigengewicht war, davon ist der Kofferreisende überzeugt, ganz klar die beste Entscheidung seines Lebens! Man kann darin alles ordentlich verstauen, draußen ist er so stabil und unzerstörbar, dass man wahrscheinlich sogar chinesisches Porzellan ohne Schaden transportieren kann, und man kann ihn hinter, vor oder neben sich herführen. Darum hat der Reisende ihn gleich nach dem Kauf im heimischen Hausflur erstmal zwanzig Minuten lang hin und hergeschoben, mit Schwung allein den Gang entlang rollen lassen, im Kreis um die eigene Achse gedreht und dabei „Juhu, juhu, juhu!" und „So viel Komfort!" gedacht.
Was kommt rein?
Alles, was reinpasst. Denn einen Koffer, der so leicht ist und den man so selten anheben muss, kann man ruhig bis obenhin vollpacken. Am Ende ist der Reisende für kaltes wie für warmes Wetter ausgerüstet und hat eine riesige Kosmetiktasche, zwei Reiseführer, drei Paar Schuhe und eine stattliche Reiseapotheke dabei.
Wo geht's hin damit?
Auf Städtereise in eine große Metropole (New York, Shanghai, Kapstadt).
Wie reist der Träger?
Mit dem Flieger. Und auch vor Ort weiß er die vorhandene Infrastruktur gut zu nutzen. Reisen muss schön und aufregend sein, aber deswegen doch nicht gleich anstrengend!
Was ist auf der Rückreise drin?
Eine Menge Klamotten, die der Reisende bei ausgedehnten Einkaufstouren erstanden hat, sowie am letzten Tag schnell noch zusammen gesammelte Souvenirs für die Daheimgebliebenen.
4. Der alte Lederkoffer
Der alte Lederkoffer ist manchmal auch eine alte Ledertasche und stammt auf jeden Fall aus einem besonders schönen Second-Hand-Shop. Dort hat sich der Reisende gleich in das Stück verliebt – wegen der Farbe des Leders, des Geruchs und der abgenutzten Stellen. Er hat den Koffer gedreht und gewendet und sehr oft „Wo der wohl schon überall war?", „Wieviel Geschichte darin steckt!" und „Er hat so viel Charakter!" gesagt, bevor dafür zu viel Geld über den Tresen ging, weil der Verkäufer den Charakter extra berechnet hat. Der Weg nach Hause ist noch leicht und der Träger voller Liebe. Doch bei der ersten Reise reißt der Griff an einer Seite, der Koffer geht zwischendurch unvermittelt auf und ist generell unfassbar schwer, wenn erstmal was drin ist. Plötzlich versteht der Träger, warum all die anderen mitleidig lächelnden Reisenden Rollen an den Koffern haben, und wünscht sich nichts mehr als einen Trolley aus dem Sonderangebot bei Kaufhof.
Was kommt rein?
Halbherzig zusammengelegte Klamotten, fünf bunte Schaltücher und genauso viele Bücher, die alle noch gelesen werden wollen.
Wo geht's hin damit?
Zum Praktikum nach Israel oder die Freundin besuchen, die gerade in Warschau Erasmus macht.
Wie reist der Träger?
Mit dem Billigflieger oder dem Zug, wo er jedes Mal, wenn er seinen Koffer ins Gepäckfach legen will, das halbe Abteil um Hilfe beim Heben bittet.
Was ist auf der Rückreise drin?
Tee, Gewürze, landestypisches Süßgebäck und mehrere neue bunte Schaltücher.
5. Das Patchwork-Gepäck
Der Patchwork-Gepäck-Reisende besitzt vielleicht vieles, aber ganz sicher kein einziges solides Gepäckstück mit einem Fassungsvermögen für mehr als drei Tage. Wieso weiß er selbst nicht so genau, es hat sich wahrscheinlich einfach nie ergeben. Aber man kommt ja auch mit dem Tagestourenrucksack, der Sporttasche, der Umhängetasche und zwei Jutebeuteln hin oder leiht sich im Notfall beim Kommilitonen/der Schwester/dem Nachbarspaar einen kleinen Koffer (der sich ebenfalls gut mit Rucksack und vielen Jutebeuteln kombinieren lässt).
Was kommt rein?
Eine Hose, ein paar Oberteile, Socken und der Kulturbeutel in den Rucksack; der Computer in die Umhängetasche; Netzteil, Bücher, Kopfhörer und der ganze Rest in zwei Jutebeutel. Die Unterhosen werden beinahe vergessen und dann noch schnell in einen der Beutel gestopft, aus dem sie rausfallen, wenn der Reisende nach irgendetwas darin kramt.
Wo geht's hin damit?
Zu Weihnachten oder zum runden Geburtstag nach Hause zu Mama, auf Freundebesuch in eine deutsche Universitätsstadt oder zum Kurzurlaub an den See.
Wie reist der Träger?
Mit dem Auto. Entweder er hat eins (klein, alt, klapprig) oder er leiht eins (Carsharing). Er hat auch über den öffentlichen Verkehr nachgedacht, aber das ist mit so viel Kleinkram ganz schön anstrengend – da wirft er Rucksack und Tasche und Beutel lieber einfach in den Kofferraum, macht die Klappe zu und hat seine Ruhe.
Was ist auf der Rückreise drin?
Selbstgemachte Marmelade und eine Portion übriggebliebenes Gulasch zum Aufwärmen.
Text: valerie-dewitt - Illustration: Katharina Bitzl