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Alter Computer sucht neues Zuhause

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"Freies Internet für alle", wurde freudig verkündet, als vor gut einer Woche in Berlin das öffentliche WLAN-Netz gestartet ist. Das funktioniert zwar nicht überall und jeder darf es nur 30 Minuten am Tag kostenlos nutzen. Trotzdem klingt das nach einem Fortschritt, es klingt gut. Erst mal. "Viele können sich aber gar kein Handy, Tablet oder Laptop kaufen, mit dem sie ein öffentliches WLAN nutzen könnten", sagt Daniel Ziegener, 25.

Daniel Ziegener hat die Website Hardware-fuer-alle.de gegründet.

"Das Internet ist ein zentraler Bestandteil unseres Lebens", schreibt der Informatiker aus Bersenbrück im Landkreis Osnabrück auf seiner Website. "Für uns Netzbewohner*innen ist das Internet nicht nur ein Stück bequeme Technologie, es ist der Ort, an dem wir kommunizieren, an dem wir leben und arbeiten, an dem wir uns Wissen aneignen und es mit anderen teilen, Kunst schaffen und konsumieren." Das Problem ist: Nicht jeder kann an den Möglichkeiten teilhaben, die das Netz bietet. Genau damit hat sich Daniel auf seinem Blog "Die Raummaschine" beschäftigt.

"Wir besitzen alle nicht unseren ersten Computer und unser erstes Smartphone. Wir hatten schon mehr oder weniger viele davor. Diese Hardware liegt mit der Anschaffung des neuen meistens irgendwo rum", schreibt er in seinem Post "Bedingungslos gescheite Hardware für alle". Und hat auch eine Idee parat: Warum bringt man nicht die Leute, die sich keine Hardware leisten können, mit Leuten zusammen, die alte, aber noch gut funktionierende Notebooks oder Smartphones herumliegen haben? Noch am selben Tag hat er die Website Hardware-fuer-alle.de online gestellt, ein Portal, auf dem sich jeder eintragen kann, der bereit ist, gebrauchte, aber funktionierende Rechner zu verschenken. Momentan funktioniert das über eine einfache Liste, in die man den Gerättyp, das Modell und eine kurze Beschreibung einträgt. Über die Mailadresse, den Facebook- oder Twitter-Namen können interessierte User selbst Kontakt aufnehmen, wenn sie ein passendes Angebot gefunden haben. Im Moment sind knapp 20 Geräte gelistet, darunter Tablets, Laptops und Smartphones. "Es soll aber keine Kleinanzeigenplattform werden", sagt Daniel. Es geht ihm ums Verschenken und ausschließlich um funktionierende Geräte: "Also nichts ‚für Bastler’, wie man das oft auf Ebay liest."  

Auf seine Idee kam Daniel, als er eine Aktion auf Twitter verfolgte. Im September sammelte der Blogger Jürgen Geuter Spenden für ein neues MacBook für den Referenten für Wissens- und Informationsmanagement der Berliner Piraten Stephan Urbach. "Natürlich könnte er versuchen, ohne Waschmaschine zu leben oder ohne ordentlichen Kühlschrank, könnte nen Monat nur Ramen essen und hoffen, so irgendwie das Geld einzusparen. Oder wir als Community erledigen das mal eben", schrieb Jürgen in seinem Blog-Post. Natürlich gab es auch böse Kommentare, Empörung darüber, warum es denn ein MacBook sein muss und auch ein bisschen Neid. Trotzdem hat Jürgen innerhalb weniger Stunden mehr als 2.300 Euro gesammelt.

"Natürlich hat das so gut funktioniert, weil Stephan Urbach relativ prominent ist", sagt Daniel. Aber er hat noch mehr solche Beispiele entdeckt: "Zur selben Zeit habe ich auf Twitter mitbekommen, wie ein User einem anderen sein altes Smartphone geschenkt hat, weil seines kaputt war und er sich kein neues kaufen konnte". Diesen Ansatz fand Daniel noch spannender und vor allem nachhaltiger als Geld für ein neues Gerät zu sammeln. Auf den Namen für seine Aktion und Website brachte ihn der Tweet von @antiprodukt zur MacBook-Spendenaktion: "Ich verweise aus aktuellem Anlass nochmals auf meine Forderung zur bedingungslos gescheiten Hardware für alle. #bgh"



Daniel hat auch schon selbst gute Erfahrungen gemacht: "Mein altes iPhone habe ich weiterverschenkt und gerade habe ich mir ein gebrauchtes Notebook gekauft. Das läuft super und zeigt mir, dass es sich lohnt, aus alter Hardware möglichst viel rauszuholen", sagt er. Darum hat er sein altes iPad auch gleich auf seiner Website eingestellt. Bedenken, dass dieses Angebot von Leuten missbraucht werden könnte, die gar nicht "bedürftig" sind, hat Daniel nicht: "Auf der fertigen Seite werden sich Interessierte und Anbieter mit Twitter und Facebook einloggen können, über die Profile können sich beide Seiten identifizieren. Das Ganze basiert auf Vertrauen und dem persönlichen Kontakt."

Bisher ist Daniel zufrieden mit dem Feedback auf seine Website. Im Moment funktioniert das Ganze noch über eine improvisierte Liste. Ob es schon erfolgreiche Besitzerwechsel gegeben hat, weiß er nicht: "Ich habe mitbekommen, dass auf Twitter schon Leute aus der Liste darauf angesprochen worden sind. Leider ist es noch nicht möglich, Hardware, die einen neuen Besitzer gefunden hat, aus der Liste auszutragen." Das soll sich aber bald ändern. "Ich bin nicht so gut im Programmieren, darum habe ich dazu aufgerufen, dass sich jeder melden kann, der helfen möchte", sagt Daniel. Der Programmierer Phillip Thelen hat sich daraufhin bei ihm gemeldet und hilft ihm bei der neuen Website: "Wir hoffen, dass wir eine richtige Version bis Ende des Jahres zum Chaos Communication Congress in Hamburg vorzeigen können." Über die Code-Hosting-Plattform "GitHub" kann jeder mithelfen, der programmieren kann.  

Daniel glaubt an die Solidarität der Internetnutzer. Grund dazu hat er spätestens seit Jürgen Geuters Spendenaufruf. Die Reaktionen darauf hat dieser in einem Blogeintrag zusammengefasst. "Zu sehen wie toll das Internet ist, ist ein viel größeres Geschenk als es ein MacBook sein könnte", schrieb ihm ein Twitter-User. In einem anderen Post schreibt Jürgen: "'Wir' werden manchmal 'Netzgemeinde' genannt oder nennen uns selbst so, es wird Zeit, dass wir auch so handeln."

Text: kathrin-hollmer - Fotos: @naturalismus, Twitter

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