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Alle gegen die GEMA
Gendarmenmarkt. In den cleanen Räumlichkeiten der Großkanzlei K&L Gates LLP soll diskutiert werden. Über die Angemessenheit der angekündigten neuen Tarife der GEMA, der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte. Es geht um die Höhe der Abgaben, die Discothekenbesitzer an die GEMA zukünftig zahlen sollen. Etwa 60 Leute sind gekommen. Musiker. Clubbetreiber. Juristen. Journalisten. So richtig wohl zu fühlen scheint sich keiner der Anwesenden.
Jede Diskussion braucht (mindestens) zwei Seiten. Im vorliegenden Fall steht auf der einen Seite die GEMA. Sie möchte im nächsten Jahr ihre Tarife reformieren und sie an die veränderten Bedingungen der Branche anpassen. Auf der anderen Seite stehen die Clubbetreiber, die sich durch die finanziellen Folgen der angedrohten Reform in ihrer Existenz bedroht sehen und deshalb etwas dagegen haben. Als Vertreter der beiden Seiten wurden drei Leute geladen: Die GEMA hat ihren Bezirksdirektor geschickt, Lorenz Schmid. Vertreter der Clubbetreiber ist Dimitri Hegemann, der dem renommierten Techno-Club Tresor vorsteht. Und die DJ- und Musikerseite wird von Mijk van Dijk repräsentiert.
Bevor die Diskussion losgeht, ergreift jedoch Kanzlei-Partner Dr. Martin von Albrecht das Wort: „Sehr geehrte Damen und Herren, bitte nehmen Sie Platz. Wir möchten pünktlich anfangen, damit wir auch pünktlich aufhören können.“ Man bekommt eine ungefähre Ahnung davon, wie von Albrecht tickt. Von Albrecht ist juristischer Experte in Urheberrechts- und Wettbewerbsfragen. Aber er ist kein großer Redner. Seine einleitenden Worte über die Pros und Contras der neuen Tarife hätten eine verständliche Übersetzung des reformierten Regelwirrwarrs werden sollen. Doch sein umständliches Ausführungsbollwerk aus powerpoint-gestützten Zahlen, wortvollen Erklärungsversuchen und spannungsfreier Redekunst verschmilzt binnen Sekunden zu einem nebulösen Bild- und Klangteppich. Ein bisschen so fühlt man sich auch spätmorgens im Tresor, wenn sich nach Stunden durchtanzter Euphorie der Mantel der Erschöpfung um die exaltierte Wahrnehmung von Licht und Sound legt, der allem Erlebten einen hypnotischen Dämpfer verpasst.
Gema-Bezirksdirektor Lorenz Schmid beim Erklären.
So richtig leicht verständlich ist es nicht, wie die Tarifreform konkret aussehen soll. Bisher hat es elf verschiedene Tarife gegeben, deren Geltungsbereiche jeweils noch einmal in ernste und unterhaltende Musik aufgesplittet waren – also insgesamt 22 Tarife. Diese sollen nun auf drei Tarifversionen eingedampft werden. Das klingt nach Vereinfachung. Einfach ist es deshalb aber noch lange nicht. Die Komplexität des Themas wird bereits deutlich, wenn man sich dazu auf der Homepage der GEMA schlau machen möchte. Dort werden 26 verschiedene Links angeboten, um sich zu informieren. Bis man die durchgearbeitet hat, ist die aktuelle Tarifreform wahrscheinlich schon reformiert.
Der Moderator des Abends, Dr. Leonard Novy, bringt einen wichtigen Grund für den Unmut zwischen beiden Parteien bereits am Anfang der Podiumsdiskussion auf den Punkt. „Entweder war die Regelung bisher völlig falsch oder sie ist es jetzt.“ Sprich: Mit der Stimmigkeit der GEMA-Tarifstruktur liegt einiges im Argen. So oder so. Hegemann bemängelt denn auch vor allem die Unverständlichkeit des Tarif-Dschungels und die fehlende Transparenz bei deren Berechnung. Abgabe-Erhöhungen der Clubs von mehreren hundert Prozent werden moniert. Der GEMA-Vertreter muss sich Kulturvernichtungsvorwürfe anhören. Dieser entgegnet, dass die anberaumten 10% des Eintrittsgeldes, die Clubbetreiber zukünftig an die GEMA zu zahlen hätten, gerechtfertigt seien – selbst wenn die neuen Beträge damit höher seien als bisher. Danach wird die Berechnungsgrundlage der GEMA in Frage gestellt, fehlende Rabattierungsmöglichkeiten beklagt, die Einigung mit ominösen DJ-Verbänden kritisiert und ein wirtschaftlicher Schaden für Städte wie Berlin prognostiziert.
GEMA-Vertreter Schmid weiß auf sämtliche Fragen und Vorwürfe zwar eine Antwort, aber so richtig gelten lassen will die keiner. Wie die Tarife zu guter Letzt aussehen werden, wird derzeit in einem Schiedsverfahren vor dem Marken- und Patentamt in München geklärt. Wann die Entscheidung fällt, ist hingegen schwer zu sagen. Derlei Angelegenheiten können ja gerne mal ein paar Wochen dauern. Oder Monate. Oder Jahre. Wirklich schlauer ist am Ende der Veranstaltung keiner so richtig. Aber weil wir pünktlich angefangen haben, kann zumindest pünktlich Schluss gemacht werden. Und so beschließt der Moderator den Diskussionsabend mit einem Zitat eines ehemaligen Professors, der nach seinen Vorlesungen gerne zu sagen pflegte: „Ich weiß, Sie sind verwirrt – aber zumindest auf höherem Niveau.“
Text: daniel-schieferdecker - Foto: dpa