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Berliner Radiosender hat einen Nazi-Rapper interviewt

Bild: Screenshot/Youtube

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Die Idee klingt eigentlich nicht schlecht: Bei "Facetalk", einer Sendung von Kiss FM aus Berlin, sollte am Sonntagabend mit verschiedenen Menschen über ihr Verständnis von "Heimat" gesprochen werden. Und wie das in Talkshows eben so ist, versucht man da natürlich bei der Besetzung der Gäste ein möglichst breites Spektrum an Meinungen und Hintergründen abzubilden, gerne auch kontroverser Art.

Kiss FM hat es dabei aber offensichtlich ein bisschen zu gut gemeint: Neben dem jüdischen Autoren Shahak Shapira, der Moderatorin Wana Limar und dem Imam Dr. Ali Özgür Özdil plauderten sie munter mit dem Rapper Julian Fritsch aka Makss Damage, einem waschechten Neonazi, bekannt für Zeilen wie "Ich leite lyrisch Giftgas in Siedlungen, die jüdisch sind."

Shahak Shapira, der Familienangehörige hat, die im Konzentrationslager Treblinka ums Leben kamen, regt sich darüber in einem Vice-Artikel völlig zu Recht auf. Vom Nazi-Gast habe er nur wenige Stunden vor der Sendung zufällig erfahren, vorab habe ihn kein Sendungsverantwortlicher über die eigenwillige Auswahl der Talk-Gäste informiert.

Auf eine wütende Mail habe ihm der Sender vorgeschlagen, sein Interview entweder abzusagen oder die Gelegenheit zu nutzen, um Makss Damage rhetorisch zu entlarven. Diese Gelegenheit gab es dann aber gar nicht, in der Sendung wurden Shapira und Makss Damage getrennt voneinander zugeschaltet. Und im Interview mit Fritsch waren die Moderatoren viel zu sehr damit beschäftigt, ihren hochsensiblen Nazi-Gast nicht zu verschrecken.

Der hat nämlich laut eigener Aussage ganz miese Erfahrungen mit der Presse gemacht, weil die ihn und seine Nazikumpels immer wieder "zerissen" hätten. Das flippige Quatschmoderatoren-Duo gab sich also alle Mühe, die Stimmung hochzuhalten: Sie befragten ihn zu Döner und Pizza und warum Nazis denn immer so aggro rumlaufen müssen. Dann entschuldigt sich die Moderatorin noch bei Fritsch für ihre naiven Fragen, sie habe sich vorher "nirgendwo etwas aufgeschrieben gehabt". Dass man sich vielleicht doch vorab ein, zwei Notizen machen sollte und eventuell sogar ein paar belastbare Fakten googelt, bevor man sich vor einer gigantischen Hörerschaft zum Smalltalk mit einen Nationalsozialisten verabredet – geschenkt.

Die rechte Szene um Makss Damage feiert das Gespräch dementsprechend nun als riesigen Propaganda-Erfolg. Und Kiss FM und das "Facetalk"-Format kassieren im Netz den folgerichtigen Shitstorm:

Der Sender hat sich mittlerweile in einer Facebook-Stellungnahme geäußert. Man stehe zu der Entscheidung, ein Interview mit einem Neo-Nazi zu führen, obowhl das für viele ein "No-Go" sei. Zur Inkompentenz der Moderatoren und der nicht gegebenen Gelegenheit zu Gegenfragen von Shapira: kein Wort.

 qli

 

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