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Rap Rendezvous: Wir hören neue Platten mit Ahzumjot

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 Ahzumjot ist sicherlich einer der spannendsten Akteure der sogenannten „Neuen Reimgeneration“. Alan Julian Asare, wie Ahzumjot mit bürgerlichem Namen heißt, schreibt, produziert und mastert seine Songs komplett in Eigenregie, schreckt auch vor Spandau-Ballet-Samples und Brüchen von Hörerwartungen nicht zurück – und genau dieser Umstand lässt ihn aus dem Gros hoffnungsvoller Newcomer herausragen. Im November startet er seine erste Headliner-Tour.

Aesop Rock – Skelethon

jetzt.de: Wie hat dir die Platte gefallen? Ahzumjot: Das Album ist super produziert mit ganz heftigen Drum-Gerüsten, die ordentlich Roughness mitbringen. Leider nervt mich die Stimme, sodass ich es wahnsinnig anstrengend finde, Aesop Rock zuzuhören.

Liegt das wirklich an seiner Stimme oder eher an seinen Inhalten? Aesop Rock ist ja bekannt für Texte, die kein Mensch versteht.

Beides. Mich nervt seine Tonlage, aber mich machen auch seine Texte total konfus. Als Instrumental-Album hätte ich das aber gefeiert.

Aesop Rock hat über seine Platte gesagt, sie handele vom Tod, transportiere aber auch einen gewissen Hoffnungsschimmer. Außerdem hätte sie Witz, wäre angsteinflößend und menschlich. Hast du das herausgehört?

Nein. Das war für mich ein Brei von Informationen, mit denen ich nichts anfangen konnte. Seine morbide Art hat mich fast ein bisschen an Necro erinnert.

Ist es dir generell wichtiger, dass der Flow und die Technik stimmen oder möchtest du durch die Musik auch etwas vermittelt bekommen? Es muss nicht immer um Inhalte gehen. Ich höre selbst viel Musik von Leuten wie Meek Mill, die inhaltlich absoluter Schrott ist. Wenn es mich aber musikalisch oder vom Flow her flasht, reicht das manchmal schon.

Aesop Rock ist ein Einzelgänger, der sich eigentlich lieber zuhause verbarrikadiert als auf die Bühne zu gehen. Muss man als Musiker immer eine Liebe für beide Seiten mitbringen?

Das muss jeder für sich entscheiden. Wenn jemand nicht so gerne performt und nicht auf die Bühne gehen will, finde ich das vollkommen legitim. Schlimmer wird es erst dann, wenn jemand keinen Bock auf Konzerte hat, aber trotzdem auf Tour geht – denn das merkt man. Ich selbst habe auch jahrelang nur Musik für mich gemacht. Allerdings unfreiwillig – ich war einfach noch unfassbar schlecht (lacht).

Amewu - Leidkultur

Was sagst du zu dem Album?

Der kann gut rappen, aber mit seinem sozialkritischen Zeigefinger-Rap kann ich nichts anfangen.

Viele Leute halten Amewus Musik für abstrakt und verkopft.

Ja, das sehe ich ähnlich. Interessant, dass du gerade seine Platte herausgesucht hast, denn in einem Kommentar unter einem meiner Youtube-Videos hat mal jemand geschrieben: „Wenn ihr einen Migrantenrapper hören wollt, der wirklich etwas zu sagen hat, solltet ihr euch lieber Amewu und nicht Ahzumjot anhören.“ Daher kannte ich den überhaupt erst. Aber ich glaube, wer auf Amewu steht, hört nicht unbedingt meine Musik.

Rap ist tendenziell eher eine Musikrichtung mit exakten und klaren Aussagen, und Amewu ist es besonders wichtig, Musik zu machen, die nicht falsch verstanden werden kann. Für wie wichtig hältst du es, in Texten eine gewisse inhaltliche Offenheit zu transportieren, die mehrere Interpretationsmöglichkeiten zulässt?

Auch hier finde ich, dass das jeder für sich entscheiden muss. Ich persönlich bin jedoch eher ein Fürsprecher von interpretatorischem Spielraum, weil ich der Meinung bin, dass man sich als Hörer dann eher mit der Musik auseinandersetzt, weil es natürlich viel mehr Möglichkeiten gibt, sich darin wiederzufinden.

 

Nas – Life Is Good

 

Für viele Leute ist Nas’ Debütalbum „Illmatic“ eine der besten Platten der HipHop-Geschichte und Nas einer der besten Rapper des Planeten. Wie siehst du das?

Ich bin ein sehr großer Nas-Fan, auch wenn ich „Illmatic“ damals „nachholen“ musste, weil ich bei Erscheinen noch zu jung war. Aber die Platte war die Blaupause für nahezu jeden anderen Rapper zu dieser Zeit. Nas hat in diesem Jahr ja auch auf dem Splash gespielt, und ich hatte wirklich durchgängig Gänsehaut, weil er einen Klassiker nach dem anderen rausgehauen hat. Bei „One Mic“ hatte ich fast Tränen in den Augen, so geil war das.

 

Nas hat sein neues Album „Life is good“ als „erwachsenes Album“ bezeichnet. Siehst du das ähnlich?

Ich finde eher, dass er auf der Platte zu sehr versucht wie vor 15 Jahren zu klingen – zumindest was den Sound angeht. Aber den Track „Nasty“ finde ich richtig krass. Und auch „The Don“ ist ein absoluter Knaller mit diesem gechoppten Sample. Mein persönliches Highlight ist aber der Part von Rick Ross in „Accident Murderers“.

 

Kannst du mit einem Stück wie „Daughters“ etwas anfangen, das mit deiner Lebensrealität nicht sonderlich viel zu tun hat?

Ich kann mich natürlich nicht damit identifizieren, wenn er über seine Kinder spricht, aber ich finde es trotzdem rührend. Identifikation ist nicht alles, solange man es fühlen kann.

 

„Life is good“ ist wohl Nas’ persönlichste Platte. Nas meinte, dass er gar nicht groß darüber nachdenken musste, was er aus seinem Leben musikalisch verarbeiten will, er hätte einfach seinen Namen gegoogelt und dadurch die Themen für seine Platte gehabt. Was hältst du von dieser Entwicklung?

Ich finde das beängstigend. Ich google selbst manchmal meinen Namen und finde es krass, was da manchmal über mich steht – teilweise, weil ich mich wundere, woher andere Leute das wissen, teilweise, weil es einfach nicht stimmt.

 

Beeinflusst dich das auch in deiner Musik?

Nicht direkt. Ich lege in meinen Songs per se die Karten auf den Tisch. Das macht mich auf der einen Seite zwar angreifbar, auf der anderen Seite nehme ich den Hatern damit aber auch die Waffen aus der Hand. Es ist immer das Klügste, einfach man selbst zu sein.

 

Rick Ross – God Forgives, I Don’t

 

Rick Ross hat immer schon polarisiert – was hältst du generell von seinem opulenten Breitwand-Rap-Entwurf?

Ich verstehe auf jeden Fall, dass er von Leuten kritisch betrachtet wird. Der Typ ist ja ein ehemaliger Gefängniswärter, der den Namen eines Crackdealers angenommen hat, um damit Rap-Karriere zu machen. Aber ich mag seinen übertriebenen Scarface-Miami-Flavour und seine imposante Stimme. Und obwohl ich weiß, dass es totaler Quatsch ist, was er erzählt, bringt er das glaubwürdig rüber. Ich habe immer ein Bild von ihm vor Augen, wie er Zigarre rauchend auf seiner Yacht sitzt und die Texte schreibt. Ich find das geil.

 

Und wie gefällt dir speziell dieses Album?

Das find ich leider scheiße, obwohl es mit dem Opener „Pray For Us“ und „3 Kings“ mit Dr. Dre und Jay-Z ganz gut anfängt – vor allem Jay-Z-Part ist wieder einmal unfassbar geil. Leute wie Jay-Z und Dr. Dre haben einfach schon wahnsinnig viel erreicht, und dann feiere ich einen solchen Song auch dementsprechend. Obwohl man natürlich sagen muss, dass Rick Ross nicht wirklich in diese Reihe passt. Ich stelle mich ja auch nicht neben Kool Savas und Samy Deluxe und erzähle den Leuten, was wir drei schon alles gerissen haben.

Auf der Platte gibt es viele R’n’B-Refrains von Leuten wie Usher, Drake, Ne-Yo oder Elija Blake. Was hältst du davon? Das finde ich ganz furchtbar. Ich habe nichts gegen Kollaborationen von Rappern und Sängern, aber auf der Platte ist mir das zu cheesy. Da kommt mir echt das Kotzen hoch. Man merkt, dass Rick Ross noch mal ein paar Tracks für die Ladies, den Club und das Radio haben wollte, und diese Aufgesetztheit hört man den Stücken leider total an. Rick Ross und Usher – das passt einfach nicht.

 

Plan B – Ill Manors

 

Der Titeltrack basiert auf dem „Alles neu“-Beat von Peter Fox. Ist das der Beginn einer neuen Ära, wenn sich britische Künstler nun schon offensichtlich von deutschen inspirieren lassen? Ich finde das überkrass. Das zeigt mal wieder, dass deutsche Musik durchaus Einfluss haben kann in der Welt. Außer Kraftwerk, den Scorpions und Rammstein ging da ja nie sonderlich viel. Ich finde es auch schade, dass immer die Sprachbarriere als Grund angegeben wird, warum es deutsche Musik im Ausland so schwer hat. Ich meine: Wie viele Deutsche verstehen kein Englisch, hören aber trotzdem englischsprachige Musik?

 

Die letzte Platte von Plan B war ein Northern-Soul-Album, nun hat er wieder zum Rap zurÜckgefunden. Findest du es gut, wenn ein KÜnstler so viele Facetten zeigt oder fändest du es besser, dem Kind dann einen anderen Namen zu geben?

Aus Marketingsicht kann es natürlich zu Problemen fÜhren, wenn man unter dem gleichen Namen unterschiedliche Musik veröffentlicht. Aber Facettenreichtum an sich ist natÜrlich eine gute Sache – und wenn man als KÜnstler experimentieren will, dann ist das doch cool. Zumal man sagen muss, dass Plan B eben geil rappen und geil singen kann.

 

Plan B erzählt auf dem Album ja Geschichten aus „seiner Hood”. Kommt das fÜr dich authentisch rüber? Passt das zu der Soul-Crooner-Attitüde der letzten Platte oder widerspricht sich das eher?

Nein, das ist komplett authentisch, zumal er ja auch aus einem Londoner Problemviertel kommt. Wenn überhaupt, wäre eher das Soul-Album als Ausreißer zu werten, obwohl man die Leute ja auch nicht persönlich kennt. Und wenn sein Vater zu Hause nur Soul-Platten gehört hat, dann kann man ihm das natürlich nicht vorwerfen.

 

Ahzumjots aktuelle Album-Top-5:

 

Frank Ocean – Channel Orange

Ich fand schon sein „Nostalgia Ultra”-Mixtape sehr geil. Auf „Channel Orange” hat mich zwar nicht jeder Track umgehauen, aber schon alleine der Track mit Andre3000 ist megakrass. Die Platte ist in jedem Fall gut produziert, die Texte sind super und bestehen nicht aus dem typischen R’n’B-Gebabbel.

 

Meek Mill – Dreamchasers 2

Das ist zwar total belangloser Rap, aber Meek Mill ist fÜr mich momentan der interessante Rap-Newcomer. Der hat einen wahnsinnigen Flow und eine krasse Stimme. Den feiere ich sehr.

 

The xx – xx

Musikalisch ist das ganz großes Kino, und Jamie Smith ist ein wahnsinnig krasser Produzent, der ja auch „Take Care” für das Drake-Album beigesteuert hat. Den The xx-Auftritt beim Hurricane war Übrigens einer der besten, die ich in meinem Leben je gesehen habe. Ich freu mich schon sehr auf die neue Platte (Anm. d. Red.: Zur Zeit des Interviews war „Coexist” noch nicht veröffentlicht).

 

Santigold – Master Of My Make-Believe

Die Platte ist super produziert, und ich mag auch Santis leicht schrägen Gesang mit diesen Rap-Anleihen. Mir gefällt es generell, wenn es etwas unorthodox klingt.

 

DJ Khaled – Kiss The Ring

Das ist musikalisch zwar total belanglos, aber ich finde das cool. Das ist absolute Am-Rad-dreh-Musik. Letztens habe ich sogar getweetet: „Zum Aufstehen höre ich Meek Mill, und zum Schlafen gehen höre ich Rick Ross – mein Musikgeschmack war schon mal besser.” Und das stimmt leider auch.

 

Ahzumjots Alltime-Album-Top-6:

 

 

Eminem – The Marshall Mathers LP

Ich war elf Jahre alt, als die Platte rauskam. Für mich das wichtigste HipHop-Album, keines hat mich mehr geprägt. Geil produziert, super Texte, hammermäßig gerappt – ein perfektes Album.

 

Clipse – Hell Hath No Fury

Von dieser Platte bin ich ein Riesenfan. Ich kann das komplette Album durchrappen. Und Pusha-T ist fÜr mich einer der besten Rapper Überhaupt – neben Jay-Z.

 

N.E.R.D. – In Search Of...

Von vorne bis hinten krass produziert von Pharrell Williams. „Rock Star”, „Lapdance”, „Stay Together - alles richtig heftige Songs. Ein sehr prägendes Album für mich – auch produktionstechnisch.

 

Justin Timberlake – FutureSex/LoveSounds

Ein Freund von mir hat dazu mal gesagt, das sei das „Thriller” des 21. Jahrhunderts – und das stimmt. Sämtliche Songs nehmen nach der Hälfte noch einmal eine vollkommen neue Gestalt an, bleiben aber dennoch immer wahnsinnig catchy und radiotauglich. Die Platte ist poppig, ohne cheesy zu sein – und das ist ganz große Kunst.

 

Kanye West – Late Registration

Kanye West ist einfach ein unglaublicher Produzent, und das hört man auf diesem Album total heraus.

 

Jay-Z – Black Album

Ein Überkrasses Album. Als das damals rauskam mit Songs wie „99 Problems”, da war einfach klar: Das ist der beste Rapper aller Zeiten. Gerade dieser Song: Geiles Storytelling und geiles Rapping auf einem Track – und zwar wahnsinnig locker auf einem Brett von einem Beat. Hammer!

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