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Rap Rendezvous. Wir hören neue Platten, gemeinsam mit Xavier Naidoo

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Xavier Naidoo ist einer, der die Wege hiesiger HipHop-Heads auch als Sänger immer und immer wieder gekreuzt hat. Unzählige Kollaborationen mit Szenegrößen wie Azad, Curse, Tone oder RZA vom Wu-Tang Clan waren stets Ausdruck einer anhaltenden Schwärmerei für seine Jugendliebe HipHop. Auch die Gerüchte eines gemeinsamen Albums mit dem King Of Rap machen seit geraumer Zeit die Runde. Doch bis es soweit ist, arbeitet Xavier Naidoo erst einmal an einem neuen Album der Söhne Mannheims. „Halte durch“

Aber jetzt geht es los mit dem Rap Review Rendezvous und Kool Savas - "John Bello Story III"

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

jetzt.de: Savas ist vor kurzem von einer fachkundigen Jury relativ eindeutig zum besten MC Deutschlands gekürt worden. Ist er das für dich auch? Xavier Naidoo: Ja, auf jeden Fall. Savas ist ein absoluter Allrounder. Der ist immer noch hungrig und bereits mit einem einzigen Satz in der Lage, dich vom Platz zu fegen. Ich finde das immer wieder krass und schön, dass er es als Sohn türkischer Eltern geschafft hat, so dermaßen gut mit der deutschen Sprache umzugehen. Mal Schlag auf Schlag wie bei einem Boxkampf, dann wieder total poetisch, aber immer so offen und ehrlich, dass es dir die Hosen auszieht. Genau das ist es, was ich mir von deutschen Rappern stets erhoffe. Auf dem Album gibt es einen Battle-Track namens „Mach doch deinen Scheiß“, der auf Sprach-Samples von Klaus Kinski beruht, die immer wieder in den Song eingeflochten werden. Gefällt dir das Stück? Diese konsequente Einbettung von verbalen Kinski-Ohrfeigen in einen Rap-Song ist absolut großartig. Die Wucht von Battle-Rap und die Raubeinigkeit von Kinski passen einfach unfassbar gut zusammen. Wenn der noch am Leben und vielleicht mit einem Rapper befreundet gewesen wäre, hätte man den mit Sicherheit auch noch ein ums andere Mal auf einer HipHop-Platte gehört. „Techno Pilot“

Stimmt es eigentlich, dass du aufgrund der Textzeile „Du könntest ohne Probleme aufhör’n Tiere zu essen und ohne Probleme ein paar Leben mehr retten“ aus Savas’ “Der beste Tag deines Lebens“ Vegetarier geworden bist? Ja, das stimmt. Daraufhin habe ich drei Jahre lang kein Fleisch mehr gegessen. Eine Ärztin hat mir dann jedoch irgendwann nahe gelegt, wegen meiner Stimmbänder wieder damit anzufangen und das habe ich dann auch gemacht. Mittlerweile habe ich aber wieder aufgehört und werde dieses Mal wohl auch dabei bleiben. Man munkelt, du würdest mit Savas an einem gemeinsamen Projekt arbeiten. Stimmt das? Ja, wir planen seit längerem schon, ein gemeinsames Album zu machen. Aber bisher hat uns schlichtweg die Zeit dazu gefehlt. Wir wollen HipHop darauf so präsentieren wie er war, wie er ist und wie er sein wird. Ich möchte Savas mal in einem anderen Umfeld erleben und mal sehen, was ich dann noch aus ihm herauskitzeln kann.


Prinz Pi - "Illuminati"

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Im Intro der Platte gibt es die Textzeile „Ich produziere Musik voller Hass und Verachtung“, und das ganze Album wirkt sehr düster. Was hältst du davon? Bis zum zweiten Drittel ist das tatsächlich so, aber dann kommt es irgendwie zu einem Stimmungswechsel, den ich nicht so ganz nachvollziehen kann. Sein „!Donnerwetter!“-Album von 2006 habe ich damals wirklich gefeiert. Das war für mich ein Meilenstein. Aber „Illuminati“ wirkt am Ende so, als hätte er keine Lust mehr gehabt. Auch die vielen selbstgesungenen Refrains haben mich gestört, das macht leider vieles kaputt. Da hätte er sich lieber einen anständigen Sänger ins Studio einladen sollen – um hier auch mal eine Lanze für meine Kollegen zu brechen. Trotzdem finde ich Pi immer noch gut und höre ihm gerne zu. Aber ich glaube, er kann es besser. Pi benutzt auch Satanismusverweise und ist Teil eines Projekts namens „Satans dicke Kinder“ – hast du Probleme mit sowas? Nein, überhaupt nicht. Ich glaube an Gott, habe aber mit organisierter Religion nicht viel am Hut. Eigentlich bin ich Katholik, aber ich kenne keinen, der so sehr gegen den Papst schimpft wie ich. Mit solchen Sachen kann man mich daher nicht erschrecken. „Der Druck steigt“

Pi trägt immer eine gewisse Anti-Haltung mit sich herum, die bei ihm schon fast zum Prinzip geworden ist. Was hältst du von dem Ansatz, das Dagegen-Sein zum Antrieb seiner Kunst zu machen? Das ist auf jeden Fall ein guter und ein wichtiger Motor. Ich trage meinen Zorn genauso in die Musik hinein und benutze sie als Ventil. Im HipHop mündet das allerdings allzu oft bloß in Battle-Raps, anstatt in greifbarer Kritik. Ich selbst bin kein Verschwörungstheoretiker, ich bin ein Wahrheitssucher. Und gerade im HipHop müsste man viel mehr über die Missstände in unserem Land berichten. MCs sollten Journalisten sein, die sich solcher Themen annehmen. In Anbetracht der Tatsache, was da draußen tagtäglich um uns herum passiert, ist mir HipHop noch zu unreflektiert. Im Inlay der CD gibt es einige lateinische Sprüche wie „Si Vis Pacem, Para Bellum“, auf deutsch: „Wenn du Frieden willst, bereite dich zum Krieg“. Was hältst du in Zeiten von religiös motivierten Morden von solchen Aussagen? Ob sämtliche Terroranschläge tatsächlich religiös motiviert sind – ich weiß nicht. Für mich ist das alles Hype und Angstmacherei für mehr Menschenkontrolle. Klar, wir sind im Krieg: Im Informationskrieg, im Krieg um unsere Seelen, um unsere Fantasie, um unsere Instinkte, um unsere Sexualität, um fast alles. Gerade deshalb müssten das die Wortgewaltigen mal zur Sprache bringen. Solange wir die demokratische Bühne noch haben, sollten wir sie nutzen. Und als Rapper sollte man seine Verantwortung erkennen. MC heißt schließlich Master Of Ceremony, weil man mit dem Wort in der Lage ist, Dinge zu verändern. Und genau das sollte man tun. Dendemann - "Vom Vintage verweht"

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Die erste Single-Auskopplung von Dendemann heißt „Stumpf ist trumpf 3.0“. Wenn du einen etwas verallgemeinernden Blick auf die hiesige HipHop-Szene wirfst, hast du dann das Gefühl, dass diese Lebensweisheit darauf übertragbar ist? Schwer zu sagen. Er nimmt das natürlich alles aufs Korn, so wie man es von ihm gewohnt ist. Trotzdem kriegt er dich, und dabei greift er dich noch nicht einmal wirklich an, sondern macht es vor allem an seiner eigenen Person fest. Und von dem, was er sagt, war er für mich immer schon sehr nah dran an dem, wie ich mir einen guten deutschen MC vorstelle. Und jetzt hat er das Ganze weiter perfektioniert. Auch dieses Gitarrenriff in dem Song – das ist ihm auf den Leib geschneidert. Das ist einfach Dendemann. Manchmal ist mir das vielleicht ein kleines bisschen zu viel Klamauk, aber insgesamt wirklich sehr gut. Im Stück „Nesthocker“ geht es darum, dass es für ihn langsam an der Zeit ist, das herkömmliche und gemütlich eingerichtete HipHop-Nest zu verlassen. Ein Schritt, den viele Rapper seiner Generation mittlerweile vollzogen haben. Warum tun sich viele langjährig aktive Rapper irgendwann schwer damit, sich weiterhin als Bestandteil der Szene anzusehen? Das hat mit Weiterentwicklung zu tun. Wenn man jahrelang auf Bühnen gestanden, die Leute unterhalten und bereits sehr tonal gerappt hat, dann ist der Schritt zum Sänger nicht mehr weit. Schließlich hat man lange genug eine Songwritingausbildung genossen und permanent seine Stimmmuskulatur trainiert. Vielleicht sogar mehr als mancher Sänger. Ich meine: Ich möchte nicht der Hals von Dendemann sein. Das ist ja fast unmenschlich. Aber er steht der deutschen Musikszene extrem gut. „Stumpf ist trumpf 3.0“

Dendemann ist vor allem für seinen Wortwitz und seinen spielerischen Umgang mit der deutschen Sprache bekannt. Ist er seinem guten Ruf in dieser Hinsicht auf dem neuen Album gerecht geworden? Auf jeden Fall. Auch auf dieser Platte präsentiert er sich wieder in Höchstform. Ich habe mir auch immer schon gewünscht, dass dieses Sprachspiel und der Wortwitz mehr Zugang in deutsches Liedgut findet. Und indem Dendemann Songs mit beinahe gesungenen HipHop-Strophen anreichert, hat er fast ein neues Genre ausgerufen. Dendemann hat sich im Zuge seines Rap-Rock-Albums auch einen Schnurrbart, eine Vokuhila-Frisur und ein passendes Jeansoutfit zugelegt. Wie wichtig ist für dich das Zusammenspiel von Kleidungsstil und Musik eines Künstlers? Es kann sicherlich nicht schaden, wenn jemand seine Kunst nicht nur mit Worten, sondern auch durch seine Klamotten auszudrücken vermag. Ich bin Schneidersohn und nutze diese Möglichkeit selbst sehr gerne. Und wenn jemand dahingehend Geschmack und Stil mitbringt, dann ist das doch super. Du bist 2006 mal von einem Magazin zum bestangezogensten Mann des Jahres gewählt worden. Bedeutet dir so eine Auszeichnung etwas? Ich war erschrocken, denn darauf legt man es ja gar nicht an. Und dann ist man eben plötzlich in einer Ecke, in der man vielleicht gar nicht sein will. Aber klar, eigentlich freut man sich natürlich drüber, obwohl es für mich jetzt nichts wirklich Wichtiges ist. Wie gesagt – ich bin damit groß geworden, deshalb ist das für mich eine ganz normale Sache. Vermutlich hat sich meine Mutter mehr darüber gefreut.


Cypress Hill - "Rise Up"

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Hast du das Gefühl, dass eine Band wie Cypress Hill 2010 noch mal etwas reißen kann oder findest du es eher schwierig, wenn man an solche altgedienten Gruppen zu hohe Erwartungen stellt? Cypress Hill war früher absolut meine Welt. Bei denen bin ich durchgedreht. Und bisher haben B-Real und DJ Muggs es immer geschafft, zeitlose und kraftvolle Tracks zu machen, die stets in der Lage waren, die Leute zu begeistern. Cypress Hill haben immer schon einen starken Bezug zum Rock gehabt und arbeiten auch auf diesem Album mit Leuten wie Tom Morello (Rage Against The Machine), Mike Shinoda (Linkin Park) und Daron Malakian (System Of A Down) zusammen. Was hältst du von diesem Crossover? Ich finde das gut. Cypress Hill war ja auch immer sehr mystisch und hintergründig. Das sind Hohepriester, und von daher passt die Verbindung mit solchen Leuten ganz hervorragend. "Rise Up“

Auf der Platte gibt es die bereits angesprochenen Rock-Einflüsse, es gibt Stücke wie „Pass The Dutch“, in denen es um Weed geht und als wichtige Vertreter von Latino-Rap gibt es auch ein entsprechendes Stück namens „Armada Latina“ mit Pitbull und Marc Anthony. Findest du das zu vorhersehbar oder findest du es gut, dass sie den Leuten genau das geben, was man von ihnen erwartet? Bei Cypress Hillhat das Tradition. Und solange die Jungs ihr Talent nicht verlieren, ist es doch schön, wenn die alten Herren ihre Themen ein paar Jahre später noch mal updaten. Im Soul gibt es zum Beispiel das immer wiederkehrende Thema der Liebe, das auch stets aus einem anderen Blickwinkel betrachtet wird. Auch von mir. Kidz In The Hall - "Land Of Make Believe"

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Was hältst du von den Jungs? Ich find’s super. Ich bin ein großer Sunz Of Man-Fan und das klang irgendwie wie eine gutgelaunte Version davon. Es gibt derzeit gar nicht mehr so viele HipHop-Gruppen, die ich auf dem Schirm habe, aber Kidz In The Hall scheinen durchaus eine ernstzunehmende Formation zu sein. Ein zentrales Thema auf der Platte ist die Auseinandersetzung mit Traum und Wirklichkeit. Ist das eine Sache, mit der du dich als spiritueller Mensch auch selbst viel beschäftigst? Meine Traumphase ist ein bisschen vorbei, daher konzentriere ich mich momentan ein bisschen mehr auf die Realität. Ich versuche durch die Kraft meiner Fantasie Einfluss zu nehmen auf die reale Welt, denn da sind wirklich Alpträume wahr geworden. Gerade, wenn man mit dem Wort und der Musik arbeitet, wo man Raum und Zeit biegen kann, ist es wichtig, Traum und Realität zusammenzubringen und zu vereinen. Wir als Künstler sitzen da schließlich an der Quelle. „Jukebox“
Kidz In The Hall - "Jukebox"

Kidz In The Hall | MySpace Musikvideos Einige alte Fans von Kidz In The Hall finden die neue Platte zu mainstreamig. Siehst du das ähnlich? Denkst du auch in solchen Kategorien wie Mainstream und Underground oder sind das für dich keine Parameter? Man ertappt sich natürlich immer wieder dabei, irgendwelche Schubladen aufzumachen. Der Mensch ist einfach so. Das Hirn vergleicht und überlegt, wo man etwas ähnliches schon mal gesehen oder gehört hat. So sind wir konditioniert und das kann man nicht ausschalten. Aber ich freue mich über schön gesungene Hooks und ausproduzierte Songs. Ich kann mir alles gut anhören und bin jemand, der Wu-Tang genauso schätzt wie eine Dr. Dre-Produktion. Ob Underground oder Mainstream ist mir daher erst einmal vollkommen egal. Kidz In The Hall haben sich von Anfang an offensiv als sogenannte Studentenrapper positioniert – ein Begriff, der hierzulande von vielen Protagonisten vor allem als Schimpfwort verwendet wird. Wie stehst du dazu? Bräuchte es in Deutschland auch (wieder) mehr Studentenrapper? Das ist schon wieder so eine Schublade. Wir bräuchten einfach wieder mehr Wortgewalt. Man muss sich nur mal vorstellen, wie es wäre, wenn sich jemand wie Savas mal für politischen Themen öffnen würde. Was wäre denn dann bitte los?! Der Typ ist ja schließlich auch scheißintelligent und belesen, trotzdem wäre er dann natürlich kein Studentenrapper. Wenn es für HipHop eine Zulassung gäbe, dann müssten die Rapper in meinen Augen allesamt mindestens ein Semester Politik studieren. Ich finde, die müssen davon erzählen können. In meinen Augen ist das deren verdammte Pflicht. ++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ Xavier Naidoos Alltime-Album-Top-Five: Eric B. & Rakim - "Paid In Full" Rakim war der erste flowende MC. Da hat mich damals regelrechte eine Faust getroffen. Auch die Samples von Leuten wie Ofra Haza waren super. Das ganze Paket war einfach faszinierend. Massive Attack - "Blue Lines" Die Platte hat für mich eine neue Ära begründet. Das war das erste Album, wo ich gedacht habe: Das ist meine Seelenmusik. Prince - "Love Symbol Album" Vom Songwriting, von seiner Virtuosität, von seinem ganzen Auftreten – so einen Musiker muss man lange suchen. Sade - "Love Deluxe" „Diamond Life“ habe ich noch gehasst, da hat Sade noch nicht gut genug gesungen. Aber mit diesem Album war sie plötzlich Meisterin ihres Fachs. Van Morrison - "No Guru, No Method, No Teacher" Der Typ ist Soul pur, auch wenn er weiß ist. Da fängt wahrscheinlich auch mein irisches Viertel an zu vibrieren. Ich habe ihn erst sehr spät für mich entdeckt, so um ’95 herum. Aber seitdem bin ich einer seiner größten Fans. Er schreibt sehr mystisch, aber auch sehr kritisch und offen über Glauben und Gott. Sein Songwriting ist fantastisch. Van Morrison ist für mich einer der größten Songschreiber der Welt.

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