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„Es ist bitter, wenn du dich ständig für deine Hautfarbe rechtfertigen musst“

Foto: privat

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Einmal kontrollieren wäre okay. Einmal kontrollieren sie jeden. Wenn die Bundespolizei einen Bus aufhält, der aus den Niederlanden nach Deutschland fährt, müssen die Fahrgäste kurz ihren Ausweis vorzeigen. Mano Lorca, 27, kontrollieren die Beamten aber zweimal. Sie nehmen seinen Ausweis mit und gleichen ihn mit ihrer Datenbank ab. Sie überprüfen seine Identität, ob ein Haftbefehl gegen ihn vorliegt, ob er in irgendwelchen Ländern gesucht wird.

Mano ist dunkelhäutig. Sein Vater kommt aus Deutschland, seine Mutter aus Ecuador. Seit fünf Jahren studiert er in Groningen Psychologie. Bis zu 20 Mal im Jahr fährt er über die deutsch-niederländische Grenze. Wenn er seine Familie besucht, seine Freunde. Oder wenn er in Deutschland zum Arzt geht.

Im Rahmen seines Projektes "99 Tage Schämen" nimmt er sich vor, jeden Tag etwas zu tun, wofür er sich sonst schämt. Vor kurzem hat er sich vorgenommen, die Bundespolizisten an der Grenze zu fragen, warum sie ihn immer doppelt kontrollieren. Hat das Gespräch gefilmt und das Video ins Netz gestellt.

jetzt: Mano, als du den Bundespolizisten in deinem Video darauf ansprichst, dass dein Ausweis bei jeder Fahrt überprüft wird, rät er dir, das mit Humor zu nehmen. Wie fandest du das?

Mano Lorca: In dem Moment dachte ich: Das kann nicht dein Ernst sein. Er impliziert damit ja, wie ich mich fühlen soll und dass mein Anliegen nicht gerechtfertigt sei. Ich fand das lächerlich. Aber ich mache ihm das nicht zum Vorwurf. Er selbst wird damit in seinem Alltag wahrscheinlich nicht oft konfrontiert. Man behandelt ihn ja nicht anders, weil er weiß ist oder einen Bart hat. Ich habe ihn vorher noch gefragt, ob ich irgendwas machen kann, damit ich nicht jedes Mal überprüft werde. Anders schauen? Meinen Bart abrasieren? Die Beamten meinten, es sei Zufall.

 

Hast du das Problem zum ersten Mal so angesprochen?

Zum zweiten Mal. Ich bin in so einer Situation ehrlich gesagt nervös und habe keine Lust auf Stress. Beim ersten Mal waren die Bundespolizisten genauso defensiv. Würden sie mich nur bei jeder zweiten Busfahrt überprüfen, würde ich denken: Okay, vielleicht hast du etwas müde geschaut. Aber wenn es jedes Mal passiert?

 

Tatsächlich jedes Mal?

Ja, ich werde immer doppelt kontrolliert. Auch wenn ich mit dem Auto fahre, außer wenn ich den Familienvater-Kombi meines Kumpels nehme. Wenn ich mit einer Mitfahrgelegenheit unterwegs bin, sage ich den Leuten vorher, dass wir wahrscheinlich rausgezogen werden, damit sie ihre Pässe bereit halten.

 

Hat sich das auf dein Verhalten an der Grenze ausgewirkt?

Naja, ich versuche halt, normal auszusehen, zu lächeln, mit den Beamten ins Gespräch zu kommen. Als ich 19 war, habe ich mit einem Polizisten mal allgemein darüber gesprochen, warum er mich kontrolliert. Der hat gesagt: Wir haben dich rausgezogen, weil du in unser Raster fällst. Im Video sprechen sie auch von ihrem Raster. Da frage ich mich natürlich: Wie sieht dieses Raster denn aus? Warum gibt man nicht einfach zu, dass wir Racial Profiling haben?

 

Die Bundesregierung beteuert, das gebe es nicht.

Ich glaube da widerspricht jeder, der ähnlich aussieht wie ich.

 

"Früher bin ich oft mit einem Mädchen zur Clubtür gegangen, das möglichst blond war. Das hat sich irgendwie rassistisch angefühlt."

 

Wo begegnet dir Racial Profiling noch?

Vor allem im Club. Wenn man etwas dunklere Haut hat, kommt man oft nicht rein. Früher sind wir deshalb mit einem Mädchen im Arm zur Tür gegangen, das möglichst deutsch aussah, möglichst blond. Das hat sich aber auch irgendwie rassistisch angefühlt. Wie oft ich außerdem schon am Flughafen rausgezogen wurde, aus der Schlange zur Sicherheitskontrolle. „Kommen Sie bitte mal mit“, hieß es. Dann musste ich mich ausziehen, mein Gepäck wurde durchsucht. Am Flughafen sprechen mich die Beamten auch oft auf Englisch an, obwohl ich einen deutschen Pass habe. Oder sie fragen: Warum sprichst du so gut Deutsch?

 

Deine Antwort?

Weil ich in Wiesbaden geboren wurde und in Mainz aufgewachsen bin. Es ist halt bitter, wenn du dich für deine Hautfarbe immer wieder rechtfertigen musst. Die Leute merken das oft gar nicht, wenn sie fragen: Woher kommst du denn? Das ist meistens die zweite oder dritte Frage, wenn ich Leute kennen lerne.

 

Die aber auch oft fällt, wenn sich zwei weiße Menschen kennen lernen.

Das stimmt. Aber wenn ich dann „aus Deutschland“ antworte, ist die nächste Frage: Und wo kommst du wirklich her? Das nervt irgendwann. Es sind Kleinigkeiten, die sich immer weiter häufen. Die einen ständig daran erinnern, dass man anders aussieht.

 

In der Kommentarspalte zu deinem Video äußern sich die User zum Teil sehr ausfällig und werfen dir „Opfermentalität“ vor. Denkst du, man nimmt die Gefühle von Menschen wie dir in Deutschland überhaupt ernst?

Das habe ich mich auch gefragt, als ich die Kommentare gelesen habe. Ich denke, viele Leute wissen gar nicht, dass es Racial Profiling gibt. Oder sie können es nicht glauben. Irgendwo kann ich sogar verstehen, dass man Racial Profiling betreibt.

 

Warum?

Weil das so in den Köpfen drin ist. Weil Menschen aus anderen Ländern für viele Deutsche krimineller aussehen. Obwohl das statistisch nicht erwiesen ist, eher im Gegenteil. Ich wollte mit dem Video aber gar kein Fass gegen die Bundespolizei aufmachen. Ich wollte nur zeigen: Das ist mein Alltag. Und der Alltag von vielen anderen. Vielleicht können wir darüber reden und die Situation verbessern.

 

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